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Interview: ALICE COOPER
Titel: Dem guten alten Gruselkino verfallen

Als dieser amerikanische Alptraum aller Schwiegermütter im Jahr 1964 seine erste eigene Band, The Earwigs, ins Leben rief, waren die ganzen heutigen Schwarz-, Todes- und Gewaltmetaller allesamt wohl noch nicht mal in Spermienform vorhanden.

Als ihn seine Mutter Ella am vierten Februar 1948 im kalten Detroit, Michigan, unter dem Geburtsnamen Vincent Damon zwischen den erschöpften Beinen herauspresste, da war die Freude auch beim Vater des Säuglings groß.

Und Ether Moroni Furnier, ironischer Weise ein gestreng-gläubiger Prediger, hatte wirklich ganze Arbeit geleistet, wie sich bis zum heutigen Tage immer wieder auf höchst unterhaltsame Art und Weise herausstellen sollte.

Mittels – für die damalige Zeit ein kollektiver Kulturschock im wahrsten Sinne des Wortes – äußerst provokanter Songtexte, haufenweise gruselig anmutendem Make-Up und makabrer Horror-Bühnenshow zog der Rock’n’Roll-Maniac die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich wie ein Starkstrom-Elektromagnet.

Nicht selten gipfelten die theatralischen Shows in der blutig inszenierten Exekution des Vokalisten, was rückblickend gleichermaßen innovativ wie äußerst gewagt anmutet.

Jahre zuvor also, bevor artverwandte Künstlerambitionen von Bands wie Kiss oder Solisten wie Ozzy Osbourne oder Marilyn Manson – oftmals massiv beeinflusst vom Cooper'schen Original – die Bühnen unsicher machten, schickte sich hier jemand an, seiner glühenden Leidenschaft für Horrorfilme musikalische und visuelle Entsprechung zu verleihen.

Bevor er jedoch unter dem Pseudonym Alice Cooper zum kreativ überflügelnden Urvater aller Schock-Rocker avancieren sollte, war es für den kleinen Vincent Damon noch ein sehr weiter künstlerischer Weg.

Und dieser Weg begann für ihn im Alter von 16 Jahren, als er mit seinen Earwigs als Sänger und mit diversen Beatles-Coverversionen mitten in der Hippiezeit erste regionale Bekanntheit erringen konnte.

Die Jungs schafften es sogar bis in David Lettermans berühmte Talent-Show.

Ein Jahr später änderten sie ihren Bandnamen: The Spiders waren es von nun an, die sich vorwiegend weiter an Rolling Stones- und Yardbirds-Beat-Liedern übte.

Bereits ein Jahr später schien auch dieser Bandname nicht mehr gut genug zu sein, The Nazz waren geboren. Erst 1968 schließlich entschieden sich die Rocker um ihren schrillen Frontmann dann dazu, sich selbst in The Alice Cooper Group zu taufen. Bald traf die Band auf den provokanten Zyniker und Individualisten Frank Zappa, auf dessen Plattelabel Straight Records 1969 und 1970 zwei Alben veröffentlicht wurden.

Der anvisierte Erfolg sollte jedoch noch ein weiteres Jährchen auf sich warten lassen: Nämlich solange, bis das 1971er Hitalbum „Love It To Death“ erschien, aus welchem die Single „I´m Eighteen“ ausgekoppelt wurde.

Produzent Bob Ezrin zeichnete hierbei für den markanten Sound verantwortlich, der später noch zum Markenzeichen der Alice Cooper Band werden sollte. Die damals aufstrebenden US-Speed Thrasher Anthrax coverten diesen zeitlos guten Chartbreaker-Song gar für ihr 1984er Debütalbum „Fistful Of Metal“, was die nachhaltige Bedeutung dieser Komposition deutlich unterstreicht.

Das Jahr 1972 ermöglichte unseren jungen Helden dann endlich den absoluten Durchbruch auf breiter Front: Das Konzeptalbum „School´s Out“ mit dem gleich lautenden Top Ten-Blockbuster erscheint und wird mit einer Vielzahl an höchst effektreichen Konzerten landauf landab ausgiebig unter großem Jubel entsprechend zelebriert.

Bereits ein Jahr später schob die nun bald weltberühmte Theatralikertruppe den nicht minder erfolgreichen Albumnachfolger „Billion Dollar Babies“ nach, dessen Hit „No More Mr. Nice Guy“ später abermalig von einer Metal-Band des härteren Genres gecovert wurde, in diesem Fall von Megadeth.

Großer Erfolg bringt in der Regel stets ebenso große zwischenmenschliche (Ego)Probleme mit sich, welchen das Line-Up der Alice Cooper Group nicht standhielt.

Alice trennte sich in allerletzter Konsequenz von seiner Musikertruppe und setzte seine Karriere als Solist fort. Dies brachte auch die offizielle Namensänderung von Vincent Damon Furnier in Alice Cooper mit sich: Ein Mann mit einer Mission schien hier seine Destination gefunden zu haben.

Und unser guter Gesellschaftsschreck wechselte von nun an die Begleitmusiker wie der Autor seine Unterhosen, also schön regelmäßig alle paar Monate. So war zwar auch das nachfolgende 1975er Studioalbum mit dem programmatischen Titel „Welcome To My Nightmare“ noch ziemlich erfolgreich, doch nach und nach zeichnete sich die mittlerweile stark ausgeprägte Alkoholsucht Coopers unweigerlich ab.

Eine klinisch vollzogene Therapie schließlich brachte – vorläufige – Heilung: Denn zum Ausklang der 70er fing unser Horror-Held erneut an zu schlucken wie ein Loch, und seine Musik wurde mit beständiger Linie immer schlechter. Die endgültige Abkehr vom Teufel Alkohol ist von vielen verlässlichen Chronisten erst mit Mitte der folgenden Dekade überliefert.

Wieder aufwärts ging es erst so richtig 1989, als das am Hardrock orientierte Comeback-Album „Trash“ den Welthit „Poison“ mitbrachte.

Ein Auftritt im Kinostreifen „Wayne´s World“ mit dem Song „Feed My Frankenstein“ vom folgenden 1991er Album „Hey Stoopid“ war die Folge.

Alice, der seit 1976 mit Ehefrau Sheryl verheiratet ist und drei Kinder namens Calico Zane (*1981), Dashiell Vincent (*1984) und Sonora Rose (*1993) sein eigen nennt, ist laut eigenem Bekennen von frühester Jugend an begeisterter Horrorfilm-Fan gewesen:

„Als ich noch ein Kind war, liefen in meiner Geburtstadt Detroit immer jeden Samstagnachmittag großartige Horrorstreifen im Kino, eben im typisch berühmten Stil und bekannt cineastischer Machart der 50er Jahre. Und obwohl das wirklich schon eine ganze Ecke her ist, erinnere ich mich noch ganz genau: Davon war ich vom Fleck weg vollkommen fasziniert, die Schwarzweiß-Filme nahmen mich vollkommen von sich ein. Meine Favoriten waren dabei ganz klar der ´53er Science Fiction-Thriller „It Came From Outer Space“ sowie der ´55er Ray Harryhausen-Klassiker „It Came From Beneath The Sea”. Ich und meine Freunde von dem umliegenden Häuserblocks, wir saßen stets in der ersten Reihe, wenn solche Filme gezeigt wurden. Wir liebten es, uns zu gruseln.“

Laut nachfolgender Aussage von Alice hatte dieser selbst beim Konsum solcherlei Horrorschinken niemals wirkliche Angst. Sogar ganz im Gegenteil, wie er mit allerbester Erzähllaune berichtet:

„Jeder weiß doch ganz genau, dass die gezeigten Dinge nicht real sind. Man hockt voller Spannung im Kinositz, und es geschieht einem ja doch nichts. Herrlich. Im Jahr 1963 kam noch einer meiner absoluten Lieblingsfilme ins Kino, nämlich „The Hunting“ – mit Claire Bloom und Julie Harris, die umwerfend gut darin sind. Das Großartige an dem Film war für mich, dass man eigentlich gar nichts Schreckliches darin gesehen hatte: Keine Monster, keine Geister. Weil der Film aber bildlich und atmosphärisch perfekt inszeniert war, brachte er trotzdem einen hohen Gruseleffekt mit sich. Meiner Meinung nach ist es sogar einer der authentischsten und unheimlichsten Filme aller Zeiten – neun von zehn Leuten, die sich in dieser Unterhaltungsbranche gut auskennen, werden mir darin höchstwahrscheinlich zustimmen. Unbedingt hinweisen möchte ich an dieser Stelle auch noch auf „Suspiria“, einen Streifen des italienischen Filmemachers Dario Argento, den dieser 1977 drehte – sehr gutes Gruselkino für Kenner und Genießer. Ach, überhaupt, ein Großteil meiner Freuden im Leben bestand für mich schon immer darin, mich zu gruseln“, entfährt es dem passionierten amerikanischen Horror-Cineasten mit schwärmerisch-rauchiger Stimme.

Eine große private Sammlung an solcherlei alten Schwarzweiß-Werken besitzt der Altmeister mit den stets schwarz geschminkten Augenhöhlen jedoch nicht:

„Es gibt einerseits eben zu wenige Horrorfilme, die ich wirklich gut finde. Andererseits ist es auch sehr leicht geworden, die Dinger zu sehen, da sie doch ohnehin ständig im Fernsehen laufen. Größer ist da schon meine Kollektion an so genannten `Splatter-Movies`, wie sie in den 80ern häufig recht humorvoll gemacht worden sind.“

Im Weiteren berichtet Alice freudig von seinem legendären und absolut kultigen Auftritt in der damaligen Muppets Show.

„Es war die Halloween-Show dieser witzigen Puppen-Serie. Ich fungierte dort als eine moderne Ausführung der Goethe-Figur Faust und sollte Kermit mit meinen Fähigkeiten helfen, ein berühmter Rockstar zu werden. Ich finde diese Idee noch heute sehr lustig. Für mich war das eine regelrechte Ehre, dort mitzumischen. Jeder, der etwas auf sich hielt, machte da mit: Peter Sellers, Christopher Lee, Vincent Price und viele mehr. Eine verdammt coole Sache.“ [lacht herzlich]

Das schien es in der Tat gewesen zu sein, denn Mr. Alice Cooper trat noch in so einigen Filmen auf, wie beispielsweise 1984 in „Monster Dog“, drei Jahre später in „Die Fürsten der Dunkelheit“, 1991 in „Freddy´s Finale – Nightmare on Elm Street 6“, 1997 in „Halloween... The Happy Haunting Of America!”, drei Jahre darauf in „Horror In The Attic“ und letztes Jahr 2004 in dem Kurzfilm „Spooks & Creeps“.

Wie von dem – bis heute an seinem berühmten Lederjacken-Outfit festhaltenden – Rock-Dinosaurier in Erfahrung zu bringen ist, hatte Mr. Cooper 1986 mit dem Track „He´s Back (The Man Behind The Mask)“ auch einen Song für einen Film aus der Reihe „Friday The 13th“ beigesteuert: Für „Part VI: Jason Lives“. Und Alice erinnert sich nur zu gerne daran:

„Ich dachte, das wäre doch ein großartiger Songtitel für das Stück. Nach dem Motto: `Lasst uns sehen, wer hinter der Maske steckt!` Als ich das Stück samt seinem Text ausarbeitete, realisierte ich etwas, was mir bis heute immer wieder zu denken gibt: Jeder von uns allen trägt doch – oftmals ganz unbewusst – eine Maske, hinter der er sich versteckt.“

Wir zwei sind uns da ganz einig: „Ja, absolut, du hast völlig Recht, genau das wird immer schlimmer in unserer heutigen Gesellschaft. Besonders in meinem Business; ich muss es wissen, ich bin ja schließlich schon wirklich lange genug dabei“, grinst er.

Zurück zu Jason und „Friday The 13th“, es wurde gar eine Fotoserie für das „Monster Magazin“ geschossen, welche Alice und den Darsteller der „mörderischen“ Filmfigur Jason zeigt. Interessant:

„Kane Hodder und ich verstanden uns wirklich prächtig, ein feiner Kerl und sehr sympathischer Mensch. Mir machte es vor allem eine Menge Freude, diesen Kerl endlich mal persönlich zu treffen, der den bösen Jason in dieser famosen Horrorschocker-Reihe spielte. Wir hatten bei der Fotosession zusammen einen riesigen Spaß, ich werde diesen Tag nie vergessen. Ich als alter Horror-Fan war natürlich ganz besonders stolz darauf, auf einem Bild gemeinsam mit Kane Hodder abgelichtet zu werden, wie man sich gut vorstellen kann. Diese Bilder sollen sehr gesucht sein? Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, denn immer wieder kommen Leute damit zu mir, welche die Bilder mit einer persönlichen Widmung unterzeichnet haben wollen.“

Im Weiteren erfüllte sich Alice einen langjährigen Traum und arbeitete mit dem Horrorstar Vincent Price zusammen.

So ließ er Mr. Price eine einführende Narration zum Song „The Black Widow“ sprechen, welcher auf dem 1975er Studioalbum „Welcome To My Nightmare“ enthalten ist.

Und Price trat sogar einmal mit Cooper live auf, als dieser damals seine die Albumveröffentlichung flankierenden „Nightmare“-Shows zum Besten gab.

„Die erste richtige Berührung mit Rock’n’Roll von Vincent Price war daher meine Musik, und nicht sein berühmter gesprochener Part des 1983er Michael Jackson-Welthits `Thriller` – das scheinen die Leute, und ganz besonders die Journalisten, heutzutage nur allzu oft und allzu gerne zu vergessen.“

Der großartige und unvergessene Horrorfilmdarsteller Vincent Price, geboren am 27. Mai 1911 in St. Louis, Missouri, USA, gestorben am 25. Oktober 1993, darf sicherlich zu den wenigen wirklichen Horror-Legenden des Filmgenres gezählt werden. Exakt dieser Ansicht ist auch Alice abschließend:

„Er war ein außergewöhnlich talentierter Künstler und eine wirklich großartige Persönlichkeit. Er konnte beinahe alles Ernsthafte mit großer Hingabe bravourös spielen. Und er teilte meine eingangs dargelegte Einstellung zum Horror-Genre vollauf. Genau das hat ihn dann wohl auch zu einem solch weltberühmten Gruselfilm-Star gemacht. Ich habe ihn stets in allerbester und sehr lieber Erinnerung behalten.“

© Markus Eck, 05.12.2005

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