Interview: | AUTUMNBLAZE |
Titel: | Dynamische Verschmelzung |
Seit sie sich 2004 mit ihrem bis dato letzten Studioalbum „Words Are Not What They Seem“ von ihrer bislang variantenreichsten künstlerischen Seite zeigten, hofften viele Hörer nachfolgend inniglich auf ein weiteres musikalisches Lebenszeichen der eigenwilligen Ausnahmegeister. Selbiges geben Autumnblaze alten und neuen Anhängern nun mittels des neuen Langspielers „Perdition Diaries“.
Kreativ erneut merklich gereift, entblättern die Beteiligten darauf wirklich nicht wenig von ihren emotionalen Beweggründen. Gitarrist und Vokalist Markus Baltes alias Alvar Eldron, Backgroundsänger und Trommelmann Christian Seibert alias Arisjel samt Produzent Markus Stock alias Ulf Theodor Schwadorf, welcher dem weltflüchtigen Duo auch seinen Support an Drums und Tieftöner gab, zeichnen auf der neuen Veröffentlichung daneben für eine ganze Latte an dauerhaft interessanten Tiefgründigkeiten verantwortlich.
In die Tiefe gehe auch ich für einen vollauf angebrachten Gesprächsexkurs zum neuen Melancholikerteller.
Laut Aussage von Eldron sind Ausdrucksstärke, Visualität und Vielfalt für Autumnblaze die wichtigsten künstlerischen Aspekte im Jahr 2009. Und er vereint dies folgender Maßen:
„Wir sind nicht, was wir scheinen, wir sind was wir sind.“
Kollege Arisjel fügt dazu an:
„Für mich ist jegliche Art von Kunst eine Form von Poesie beziehungsweise Dichtung. Das bedeutet, dass tiefgründiges Empfinden verdichtet und transformiert wird, sei es in Form von Musik, von Worten oder in der Form von Bildern und genau das haben wir auf dem neuen Album umgesetzt.“
Für Eldron bedeutet es im Wesentlichen eines ganz besonders, so als Duo arbeiten zu können. „Freundschaft! Durch Autumnblaze leben unsere Seelen weiter und wir schöpfen Kraft und Stärke für den Alltag.“
Die beiden Künstler ziehen also komplett an einem Strang, denn Arisjel bestätigt: „Eldron hat es auf den Punkt gebracht. Aus unserer künstlerischen Seelenverwandtschaft fließt der Geist von Autumnblaze eigentlich ganz von allein. Es gibt nichts Konstruiertes sondern nur reine Spontaneität, die ganz einfach gesagt auch einen Riesenspaß macht. Vielleicht sind wir etwas gelassener geworden und nicht mehr so verbissen wie früher. Die letzten, ereignisreichen Jahre haben uns sehr geprägt und unsere tiefe Freundschaft aber auf jeden Fall noch verstärkt.“
Was nun die regelrechte Flut der letzten Jahre an eher halbherzig werkenden und nicht selten pseudo-anspruchsvollen Dark Metal-Bands auf dem internationalen Musikmarkt anbelangt, das juckt den Gitarristen und Sänger nicht. Wir erfahren:
„Ehrlich gesagt interessieren mich solche Bands überhaupt nicht. Also beschäftige ich mich auch nicht damit. Ich habe musikalisch schon immer über den Tellerrand geschaut und höre das, was mich berührt – ob das nun Metal, Pop, Indie oder was auch immer ist. Ich kann also die Frage gar nicht erschöpfend beantworten“, so Eldron.
„Da geht es mir wie Eldron. Ich habe eigentlich keinen Bezug zu irgendeiner musikalischen Szene und höre nur Musik, die meine Seele vibrieren lässt“, lässt Arisjel noch ergänzend in aller Lässigkeit zu dieser Thematik verlauten.
Mich interessieren zudem auch die eventuellen Favoriten der Bandmitglieder, was neuere Metal- und Düsterrock-Bands anbelangt.
„Keine Ahnung. Interessiert mich auch nicht. Die Neue von Kreator hat mir sehr gut gefallen oder auch die Letzte von In Flames. Das sind jedoch eher `alte` Bands. Unanimated und Necrophobic finde ich auch sehr geil“, winkt Eldron sein Statement durch.
Auch Arisjel sinniert darüber gern ein wenig: „Ich mag Anathema, Katatonia, The Wounded, Kreator, In Flames, Antimatter und Paradise Lost. Also alles in allem auch eher die `alten` Hasen, die wirklich eigenständig sind und nicht wie viele neue Acts irgendwelchen Idolen hinterher hecheln. 2009 hat mich wirklich das neue Kreator-Album sehr angerührt. Mit Energie geladen, roh und heftig, ehrlich und echt.“
Als ich die beiden Querulanten über ihre Einstellung zur einheimischen Metal-Szene im Jahr 2009 befragen will, verziehen sie die Gesichter gleichzeitig. Eldron:
„Ich fühle mich überhaupt keiner Szene zugehörig und die deutsche Metal-Szene interessiert mich wirklich nicht die Bohne. Tut mir leid!“ Tja, und auch Arisjel verkündet im Zuge dessen, keinerlei Bindung zu irgendeiner Szene zu haben.
Pure Individualisten also. Gevatter Eldron, war denn Entstehungsprozess der neuen Lieder zum aktuellen Release „Perdition Diaries“ genauso puristisch angelegt?
„Arisjel hat die Texte geschrieben und sie mir als Vorlage gegeben. Daraufhin habe ich die Musik komponiert und die Gesangslinien grob entworfen. Im Grunde genommen eine sehr schöne Arbeitsteilung, da durch die Texte bereits eine gewisse Grundstimmung vorgegeben war.“
Und auch laut Arisjel ist „Perdition Diaries“ wirklich sehr spontan entstanden. Er berichtet in aller Offenheit:
„Wir haben nicht geprobt, nichts zuvor im Proberaum versucht oder so. Meine Texte und Eldrons Musik sind im Studio zu einer dynamischen Einheit verschmolzen und ich war selbst total begeistert von dem Ergebnis.“
In Klangkonserve gebannt wurde das neue Albumwerk in der etablierten Klangschmiede Studio E mit Tonmeister Schwadorf. Eldron freut sich resümierend:
„Die Aufnahmen an sich dauerten eine Woche, was heutzutage ein Klacks ist. Dann noch der Mix und schon war die Platte im Kasten. Die Studiozeit war wie immer großartig, wenn man bei Schwadorf aufnimmt. Da durfte auch die eine oder andere Flasche Ramazotti nicht fehlen. Doch nicht minder großartig war ja auch die Entstehungsgeschichte des aktuellen Werkes an sich: Wir haben den Ballast der letzten Ego-Alben nämlich in den Müll geschmissen und uns auf unsere Wurzeln besonnen. Wir haben uns daran erinnert, weshalb wir Autumnblaze damals gründeten und das war die Basis für die `neuen` alten Autumnblaze. Wir haben uns sozusagen neu gefunden.“
Arisjel äußert sich dazu auch noch, und das auf geradezu beschwörende Weise.
„Plötzlich, fast über Nacht haben wir gewusst, jetzt ist es Zeit für ein neues `richtiges` Autumnblaze-Album. Von diesem Tag an sprudelten die Texte und die Musik quasi aus uns heraus.“
Im Weiteren konkretisiert Arisjel die lyrische Hausadresse der neuen Songtexte bereitwillig ein wenig.
„Die `Tagebücher der Verdammnis` beinhalten sehr persönliche Texte von wahrem Seelenempfinden. Für den Hörer sind sie Spiegel, um eigene, tief verborgene Gefühle zu entdecken und diese in Töne verwandelt erneut zu durchleben und vielleicht auch zu meistern. `Perdition Diaries` ist textlich gesehen mein persönliches Glaubensbekenntnis. Zutiefst individuelle Schicksale spiegeln sich im aktuellen Textwerk also wider, eine Dekade des Seelenlebens umspannend. Hoffnungen, Träume, die Kraft der Geheimnisse des Musikalischen, Überheblichkeit, Vernichtung, Verlust und Verzweiflung erwachen in unserer Musik und in den Lyrics. Die persönlichen Schicksale werden zu Sinnbildern, in den Tiefen des Empfindens der Hörer erwachend, um dort eigene Bilder zu weben, um dort die eigenen, tief verschlossenen Tagebücher zu öffnen. Wem es gelingt, dies zuzulassen, der wird am nächsten Morgen nicht denselben Menschen im Spiegel sehen wie zuvor.“ Klingt vielversprechend.
Eldron stellt dahingehend noch eindeutig klar: „Musik und Text – beides ist bei uns sowieso gleichgestellt. Schlechte Texte können viel verderben, gute dagegen können das Niveau eines Albums deutlich anheben.“
Instrumentell hingegen inszenieren Autumnblaze auf dem aktuellen Werk nur das, was sie auch wirklich können.
Daher war es für sie nicht sehr schwierig diese Platte einzuspielen, wie Eldron kommentiert.
„Den Gesang zum Beispiel haben wir innerhalb von sechs Stunden aufgenommen. Da haben andere Bands noch nicht einmal eine Zeile auf Band. Wir wollten jedoch so bauchmäßig wie möglich an die Sache rangehen und uns nicht verkopfen. Das ist uns auch gelungen und daher ist die Platte auch richtig gut geworden. Denn inspiriert dazu hat mich einzig und allein die Freundschaft mit Arisjel und der Gedanke daran, wieder gemeinsam etwas zu erschaffen. Bands waren in diesem Zusammenhang wie erwähnt keine Triebfeder.“
Abschließend bringe ich dann noch die obligatorische Frage nach Live-Aktivitäten an.
Und laut Aussage von Eldron ist bisher nur eine einzige Autumnblaze-Show für 2009 geplant. Und diese findet auf dem WGT, dem Wave-Gotik-Treffen in Leipzig statt.
„Als optische Einlage nehmen wir uns selbst. Ich hoffe, dass das genügen wird.“
Arisjel bringt sich auch noch dazu ein: „Wir proben zur Zeit intensiv für das WGT und anders als ursprünglich geplant werde ich die Drums übernehmen und Schwadorf wird Bass spielen. Wir freuen uns selbst schon sehr auf diesen Gig und wir werden alle, die uns zusehen werden, sicherlich nicht enttäuschen.“
Eldron bedankt sich letztlich für das Interview, und er möchte noch etwas loswerden: „Leute, unterstützt uns und kauft das neue Album! Nur so rettet ihr die Musik auf Dauer!“
© Markus Eck, 22.04.2009
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