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Interview: DARK FORTRESS
Titel: Der Perfektion auf der Spur

Auf die beklemmende Frage, wie wahnsinnig es beim Weltuntergang dereinst zugehen wird, wollen die Landshuter Dunkelmeister jetzt mit dem neuen Album „Venereal Dawn“ eine eindringliche Antwort geben.

Seit 1994 zelebriert die Band nun schon ihre inhaltlich und klanglich ästhetischer als vieles aus dem Genre getränkte Vision. Der siebte Langdreher stellt den bei den Fans bereits innig erwarteten Nachfolger zum 2010 erschienenen „Ylem“ dar.

Das Ganze ist als Konzeptwerk angelegt. In neun verschlingend intensiven Song-Kapiteln behandeln Dark Fortress die Apokalypse der Menschheit.

Passend dazu offerieren die fünf verschworenen Musiker ihren Black Metal so bedrohlich, unheilvoll und eindringlich, dass einen die daraus generierten Atmosphären geradezu einen dicken Eismantel ums Herz herum legen. Optimal also, um das 20-jährige Bestehen damit angemessen zu würdigen.

„Wir benutzen das Wort hier nicht in diesem Sinne, auch wenn es vor allem durch den Term ,venereal disease‘, also Geschlechtskrankheit, im Englischen so gebraucht wird. Das Wort bedeutet ursprünglich nur ,venusisch‘, und hat für dieses Album die richtige Art von Doppeldeutigkeit. Venus ist die Göttin der Liebe und Schönheit, und strahlt somit etwas attraktives aus, steht aber gleichzeitig für einen absolut höllischen Planeten und beschreibt Krankheiten, die sich schleichend über das Blut ausbreiten. Auf der Platte wird die Menschheit in ein Verderben gezogen, gegen das man vollkommen chancenlos ist. Somit ist die einzige Wahl, die man hat, in einem aussichtslosen Kampf an zwei Fronten, innen und außen, zu verenden, oder sich mit der Krankheit, die das Licht bringt, abzufinden, und sein Heil im Umarmen der radikalen Transformation zu suchen, die diese der irdischen Schöpfung aufzwängt. Die emotionellen und psychischen Implikationen dieses Prozesses sind das textliche Hauptthema der Scheibe“, erörtert Sänger Morean, der seit 2007 bei der Band ist. 


Blickt die gute Venus auf gegenwärtige gesellschaftliche Zustände, verzerrt sich ihr Antlitz höchstwahrscheinlich zu einer zutiefst angewiderten Fratze.

Wie steht Morean dazu, dass inmitten vielerlei befremdlicher Umwälzungen auf dieser Welt vor allem die menschliche Sexualität immer mehr gezielt neutralisiert zu werden scheint?

Mehr noch, läuft es letztlich auf den geschlechtslosen, „intersexuellen“ Industrie-Humanoiden hinaus, der als glücklicher Sklave, zum Konsum-Autisten innerhalb nahrungsindustriell grenzenlos heran gezüchteter Human Resources degradiert, beliebig manipulierbar und einsetzbar ist? 



„Sex ist ein essentielles Heiligtum, scheint aber in unserer Welt wie alles andere auch in der Tat vor allem zu einem Konsumgut und einem Statussymbol zu werden. Unsere Zivilisation hat ein völlig gespaltenes Verhältnis dazu entwickelt: Einerseits hat der Kapitalismus die Gier zu Gott gemacht und alle nicht-quantitativen Werte eliminiert, und ist ausufernde Sexualität immer ein wichtiges Symptom in dekadenten Gesellschaften wie der unseren; andererseits haben wir im Westen gerade 1.000 Jahre systematischen religiösen Hirnficks hinter uns, in dem Körperlichkeit und irdische Freuden als etwas Verwerfliches und Krankhaftes systematisch dämonisiert werden. Die Tatsache, dass beide Extreme gleichzeitig aufblühen, führt uns wieder mal vor Augen, dass das, was verdrängt wird, sich unausweichlich rächen wird und umso stärker durch die Hintertür zurückkommt. Priester, die anderen Enthaltsamkeit vorschreiben, während sie selber Kinder missbrauchen, oder Nationen, die im Namen eines Gottes des Friedens andere ausrotten oder versklaven, sind nur zwei offensichtliche Beispiele dass wir's anscheinend echt nicht raffen. Traurig eigentlich.“

Während der Gesangsaufnahmen hatten er und Gitarrist V. Santura nach langem mal wieder Zeit, so der Sänger, darüber nachzudenken was diese Band eigentlich ist.

„Wir streben immer eine deutliche Entwicklung von einem Album zum nächsten an, und ich denke das hört man auch jetzt wieder ganz klar. Aber eine interessante Einsicht war auch die, dass Dark Fortress eigentlich von Anfang an vor allem von einem konkreten Ehrgeiz getragen wurde, und zwar dem, das perfekte Metalalbum zu machen. Auf einer grundlegenden stilistischen Ebene stellt man fest, dass die Palette an Elementen und Einflüssen, die auch dieses Album wieder auszeichnen, bereits von Anfang an alle da waren: Epische, lange Songstrukturen, hochemotionelle Musik, aber auch rotzige straighte Riffs, unverblümte Aggression, genrefremde Elemente, und, parallel mit unserer individuellen Entwicklung als Musiker natürlich, auch der Wunsch nach musikalischer Finesse und Tiefgang. Insofern könnte man sagen, dass wir jedes mal wieder eigentlich dasselbe versuchen, nämlich die eine perfekte Platte zu machen.“



Das mag von vornherein zum scheitern verurteilt sein, wie er mit überlegter Stimme philosophiert.

„Man ist ja schließlich alles andere als vollkommen; auf ,Venereal Dawn‘ jedoch beschlich uns manchmal das Gefühl, dass dieses Album das ist, was ,Ylem‘ eigentlich hätte werden sollen - auch wenn beide natürlich auch sehr gut für sich stehen können. Auf ,Ylem‘ stehen mit ein paar der besten Songs der Bandgeschichte. Rückblickend hätte ,Ylem‘ jedoch mehr eine Einheit werden können, und der ein oder andere Song hätte vielleicht nicht unbedingt drauf gemusst. Auch merkt man ,Ylem‘ an, dass wir uns vorm Songwriting gegen ein Konzeptalbum entschieden hatten. Das mussten wir damals mal ausprobieren, aber anscheinend funktioniert die Einheit eines konzeptionellen Überbaus für uns besser als die Zusammenstellung loser Songs. Ich denke, es ist uns gelungen, das, was die Band immer ausgemacht hat, zu jeder Zeit beizubehalten, auch auf ,Venereal Dawn‘.“



Gleichzeitig sind Dark Fortress aber davon überzeugt, dass sie im Songwriting und in der Umsetzung ihrer Ideen einen großen Sprung nach vorne gemacht haben.

„Somit hoffen wir, dass dies unser Einstiegswerk auf einem neuen, höheren Level ist, das sowohl bandinterne Automatismen als auch die vielen limitierenden Klischees unseres Genres hinter sich lässt. Wir sind uns selbst zu 100 % treu geblieben, es ist absolut keine Rede von irgendeinem Stilbruch. Gleichzeitig sind wir aber an einem Punkt angekommen wo wir aus voller Brust behaupten können, dass das was wir machen, mittlerweile wirklich größer als Black Metal ist.“

Dark Fortress spaltete die Black Metal-Fans zu Beginn in zwei Lager, wie sich der Autor zurück erinnert. Mittlerweile sind diese lästigen Spitzfindigkeiten größtenteils dahin. Die Szene hat hoffentlich gelernt beziehungsweise lernen müssen, die Formation als eigenständige und beharrlich visionäre Band mittels ihrer glaubwürdigen Musik zu akzeptieren und zu schätzen? 



„Das hoffen wir natürlich, und die allermeisten Fans wissen das auch wirklich zu schätzen. Auch hatten wir nie wirklich etwas zu tun mit der skandinavischen E-moll-C-moll-Bauernblast-Psychopathenfraktion, und es war ja vor allem die, um die es bei dem ganzen Hype ging. Das hat sich jetzt glücklicherweise wieder gelegt, sodass sich die Szene hoffentlich endlich auch wieder mal der Musik widmen kann, statt Amateurtheater und infantilem ideologischen Dreck. Natürlich sind Dark Fortress auch immer Teil desselben Affenzirkus gewesen, und wir zelebrieren gern die erhabene Hässlichkeit des Black Metal - live sowieso. Aber wir merken, zurückblickend auf 20 Jahre Bandgeschichte, in denen uns der Mainstream auch im Black Metal immer völlig schnuppe gewesen ist, dass unser Streben nach Qualität und Zeitlosigkeit uns eine breite globale Fanbasis erhält, die nach guter Musik und gehaltvollen Inhalten suchen, und nicht nach dem millionsten Aufguss von Ziegenköpfen, geklauten Riffs und sinnentleerten ,Satan, Satan‘-Mantras. Lustigerweise kriegen wir blöde Sprüche zu Trueness, wenn überhaupt, dann nur in der Heimat... Vielleicht denken ein paar Leute, nur weil sie Dark Fortress schon kannten als alle noch Pimpfe waren, oder irgendein Frühwerk besonders geil finden, dass sie ein Recht haben, uns unsere Entwicklung und harte Arbeit seither regelrecht vorzuwerfen. Denen kann man halt nicht helfen; wenn sie alte Darkthrone hören wollen, haben Darkthrone tolle Alben die dieses Bedürfnis befriedigen, dann sollen sie halt die hören. Der Rest der Welt hat solche Probleme anscheinend nicht, wie uns das sehr breite Feedback zeigt das wir aus der ganzen Welt kriegen; von Ägypten über Bangladesh, Amerika, Finnland und Iran bis Mexico und Neuseeland finden Leute anscheinend überall halt einfach unsere Musik geil, und das ist das was zählt für uns.“

In der aktuellen Label-Info liest man neben „einer Atmosphäre von metaphysischem Horror“ auch von einer „tiefen, okkulten Spiritualität“.

Meister Morean gehört jedoch keiner Religion an, keinem Kult und keiner wie auch immer gearteten externen Sekte, wie er Wert darauf legt klarzustellen.

„Ich war immer spirituell sehr aktiv, aber ich habe darin immer den Freejazz-Ansatz sehr genossen, welcher zu allen Zeiten besser funktioniert hat für mich und meine Weggenossen als welches Dogma auch immer. Sobald man das Göttliche - beziehungsweise seine erkannten persönlichen spirituellen Wahrheiten - in Worte zu fassen versucht, bröselt der Inhalt im unausweichlichen Gehickhack um Form und Formulierungen. Wie für viele andere waren Crowley, Austin Osman Spare, Peter J Carroll, Robert Anton Wilson und andere Vordenker sehr wichtig für mich. Aber von denen habe ich auch gelernt, dass man direkt mit höheren Sphären, einem kollektiven Meta-Bewusstsein oder einem höheren Selbst kommunizieren kann. Ich brauche keinen Hansel der mich mit seinem erfundenen Bullshit vollsülzt, das kann ich selber, und mein eigener Bullshit ist für mich halt normalerweise um vieles interessanter. Was Glauben und Metaphysik betrifft hat mich jedoch niemand so beeindruckt wie Jiddu Krishnamurti, der aufräumt mit so ziemlich jeder Form von Aberglauben, und auch andeutet dass man alles, was man braucht, bereits um sich hat, wenn man nur luzide genug ist, das zu erkennen. Ich mache in meinem Leben schon seit Jahrzehnten keinen Unterschied mehr zwischen einer magischen und einer profanen Welt. Das Große Werk heisst nicht umsonst so, und die einzige haltbare Option eines ernsthaften magischen Weges hat für mich immer bedeutet, dass restlos alles ein Teil dieses Weges ist. Alles was ich tue, und alles was mir passiert, ist Teil dieses gigantischen Prozesses, der mit der Geburt beginnt und möglicherweise mit dem Tod endet. Wir sind die Architekten unserer eigenen Erleuchtung, müssen sie geradezu sein; Inkarnation ist nicht etwas was passiert wenn man aus der Mami fluppt, sondern etwas was man sich im Lauf eines Lebens aktiv erarbeiten muss. Als Mensch hat man ja coolerweise die Option, zu erwachen und ein endloses, durch ein unerklärliches Wunder existierendes Universum herauszufordern auf der Suche nach dem Stein der Weisen, der weltimmanenten Transzendenz... oder genau das nicht zu tun.“

Er fährt dazu noch fort: „Ich glaube an den Tod. Das ist das einzige was wir sicher wissen, und es ist doch bescheuert, sich zu Lebzeiten dann vor allem an das kindische Bild zu klammern, dass der Tod eigentlich 'gar nichts ist' und man mit einem Hemdchen mit Flügeln dran den gleichen Mist wie auf Erden vorgesetzt kriegt. Ich habe so einen Respekt vor dem Tod, dass jede Theorie über was danach kommt zwar als super Leinwand für die Imagination dient, aber per definitionem irrelevant ist. Wir finden's erst raus wenn wir durch das Tor gehen. Die Tatsache dass niemand im Leben hinter diese Tür kucken kann, und einen somit egal was man für ein Leben hatte, auf alle Fälle diese Überraschung erwartet, finde ich genial und einen Beweis für die Coolheit dieses Lebens.“

Wie kommt jemand wie er als philosophisch gesinnter (Dunkel)Geist generell mit der Mentalität seiner Mitmenschen klar, vor allem außerhalb des rein musikalischen Bereiches? 



 „Generell komme ich sehr gut mit meinen Mitmenschen klar. Leute, die mich nur aus dem Metal kennen, sind oft ganz verwirrt wenn sie sehen dass ich ein sehr friedlicher und auch glücklicher Mensch bin, der nur seine Ruhe haben will, sein Ding tun will, und dem der Rest der Menschheit vor allem am Arsch vorbeigeht. Die Tatsache dass ich als freischaffender Musiker mir zum sehr großen Teil raussuchen kann, mit welchen Leuten ich umgehe, hat sehr zu dieser entspannten Haltung beigetragen; insofern hatte ich auch Glück, dass ich in Holland immer willkommen war mit meinem komischen Zeug. Würde ich immer noch bei BMW am Fliessband stehen, würde ich jetzt wohl was sehr anderes sagen, das weiß ich durchaus. Aber ich reiße mir auch seit 20 Jahren den Arsch auf, und hab mich immer bemüht, mein Leben aktiv zu etwas zu machen, das mir taugt. Gejammer, wie arm man ist und wie böse und schnöde die Welt doch ist, ist das Privileg der Jugend, und ich war damals nicht anders. Aber wenn man mit 40 oder noch älter immer noch so da hockt, hat man doch echt was falsch gemacht in seinem Leben. Ich glaube an das Prinzip der Resonanz, die Wechselwirkung zwischen dem, was man ausstrahlt und dem was einem das Leben liefert. Wir haben nicht in der Hand was uns passiert. Die einzige Wahl die wir haben ist wie wir damit umgehen, und da kann man lernen, jede Herausforderung als eine Chance zu sehen. Das hat mich enorm weiter gebracht auf persönlicher Ebene. Die Menschheit als ganzes ist natürlich fürchterlich, keine Frage. Aber man geht ja nicht mit der Spezies an sich um, sondern mit einzelnen Menschen, und wenn man mal peilt dass absolut jeder kämpft, jeder leidet, dass sich jeder so grad noch irgendwie durchschlägt, und im Grunde genommen jeder eigentlich nur seine Form von Glück sucht, ist der Graben zwischen Dir selbst und anderen gleich sehr viel weniger tief. Sobald man sich für was besseres als die andern hält, geht's bergab.“

Das stetige Aushöhlen moralischer Grauzonen, wie erlebt es Morean?

Treibt ihn die Wut auf die immer verkommener und simultan dümmer werdende Menschheit musikalisch sehr an? 



„Das tat sie durchaus auf vorigen Alben; die beiden Noneuclid-Platten, aber auch vor allem ,Ylem‘ waren im textlichen Ansatz vor allem nihilistisch, angepisst und recht hoffnungslos. Ich hatte aber nach ,Ylem‘ das Gefühl, dass ich eigentlich alles gesagt habe zu dem Thema. Jede Weltanschauung ist eine Täuschung, und so verlockend der Nihilismus auch ist im Angesicht unserer unglaublichen und anscheinend unheilbaren Blödheit, ist er doch auch nur eine sehr limitierte Betrachtungsweise eines viel zu großen Ganzen. Man hockt irgendwann allein in seiner Birne, und wie in einem leeren, gekachelten Badezimmer ist alles was da drin dann noch stattfindet das ewige Echo Deines eigenen Frustes. Klar, manchmal muss es raus, aber wenn man ehrlich ist kommt man schnell zu der Einsicht dass man oft selber auch nicht so viel weniger umnachtet ist. Ich bin immer Eskapist gewesen, und nie ein Kommentator der Menschheit. Dafür ist mir die Menschheit letztlich zu sehr wurscht. Was mich antreibt ist die Suche nach neuen Welten und das Streben nach innerem Wachstum. Darin sehe ich eine sehr viel befriedigendere Beschäftigung als mich über anderer Leute Idiotie zu definieren, wie es ja dem Wesen von Protest und Rebellion (so wichtig diese auch sind) innewohnt.“

Teils geht es regelrecht sakral auf der neuen Platte her, ziemlich überraschend. Wie kamen Dark Fortress auf den Dreh mit den entrückten, verdrehten Klargesängen?

Wie Morean diesbezüglich zu berichten weiß, hatte Santura bereits kurz nachdem „Ylem“ fertig war die Idee in den Raum geworfen, für die nächste Scheibe eine verdrehte Black Metal-Messe zu schreiben. 



 „Dabei kam auch der Gedanke an gefeaturete Chorparts zur Sprache. Letztlich war die Pause zwischen ,Ylem‘ und dem neuen Album zu lang, um diesen Impuls umzusetzen, aber die Idee mit den Chorteilen hat überlebt. Santura hatte sehr konkrete Vorstellungen wo Chor hinmuss, und ich habe dieses Garn, als ich an den Texten und Vocals gesessen bin, gern weiter gesponnen. Auch habe ich selbst in den letzten Jahren erste vorsichtige Gehversuche mit cleanem Gesang gewagt. Das ist zwar alles noch sehr neu für mich, aber ich denke dadurch konnten wir vermeiden, was auf so vielen Extrem-Metal-Alben der Fall ist, nämlich den Gesang auf eine einzige Art von monotonem Gekeife zu reduzieren. Als Musiker fühle ich mich auch in der Rolle des Black Metal-Sängers an der Ehre gepackt, mir was einfallen zu lassen, und nicht wie der Nachbarhund die grössten musikalischen Kathedralen mit einem einzigen armseligen Geräusch zu unausweichlicher Langeweile zu verdammen.“

Ganz bestimmt kann man sich als ein Leidenschaftsmensch wie der Vokalist auch darin verlieren, wenn man die eigene Musik so richtig „lebt“. Hatte der Frontmann teils Angst vor seinem eigenen Ich? 



„Früher ja. Wenn sich der Abgrund des Unterbewusstseins öffnet, wird man schnell und nachhaltig entwurzelt, und es bedarf geschickter Navigation, dabei keinen Knall zu kriegen. In diesem Sinne kann man fragen was von all dem das sich da aus seinen eigenen Tiefen über einen ergiesst, man wirklich noch selber ist, und was davon nur ein Strom aus willkürlichen Bewusstseinsfetzen im Äther, beziehungsweise nur sein eigener Gefühls- und Gehirnmüll. Der Trick ist die Organisation all dessen, was man in sich trägt, zu einer Einheit die einen gemeinsamen Fokus hat. Dazu steht einem offen zu beschließen, was davon man als ein Ich erkennt, und was man aus sich selbst rausschmeißt. So kann man diese Achterbahn des Wahnsinns einigermassen in den Griff kriegen. Manchmal.“


Dann noch zum (metaphysischen) Horror, den die Band musikalisch umsetzen wollte: Wie geht man als Dark Fortress überhaupt an so etwas heran? Wo fängt man an?

Und wie fühlte sich das Erarbeiten solcherlei Stimmungstiefe an beziehungsweise ab welchem Punkt haben die Beteiligten bemerkt, dass sie auf dem richtigen Weg waren, was das neue Material angeht? 



„Als Künstler hat man ja das Privileg, seine Abgründe in etwas geniessbares verarbeiten zu können, in unserem Falle Musik. Insofern ist auch das schrecklichste Zeug das man in sich trägt eine potentielle Inspirationsquelle, und so gehen wir die Sache auch an. Ich sehe darin einen alchemischen Prozess. Alle Kreativen bei uns arbeiten in erster Linie sehr intuitiv; das Denken wird erst bei der Umsetzung der Ideen wichtig. Die Schöpfung von Musik und Texten findet - nicht unbedingt zeitlich, aber inhaltlich - parallel statt; ich versuche, mich selbst zu finden in den Songs, auch wenn sie von anderen geschrieben werden, und andersrum. Warum das funktioniert ist denke ich weil wir in der Band eine brauchbare Schnittmenge an emotionellen Quellen und musikalischen und persönlichen Vorlieben haben. Deswegen fällt es mir beispielsweise meistens leicht, meine eigenen Gefühle und Bilder in den Songs der anderen los zu werden, da wir - obwohl wir uns alle zusammen nur äußerst selten zu 100 % einig sind - im Großen und Ganzen dasselbe Ziel vor Augen haben. Manchmal ist das nicht so, wenn beispielsweise ein gewisser Song oder Teil jemandem in der Band gar nicht taugt, aber für einen anderen die totale Apotheose ist. Das ist bei jedem Album so, auch jetzt wieder. Der positive Nebeneffekt ist der, dass dadurch etwas neues entsteht, weil wir gezwungen sind so lang zu suchen bis jeder einigermassen zufrieden ist. Aber genau das dauert dann auch zehnmal so lang in der Ausarbeitung wie wenn jeder gleich alles geil findet. Der Punkt an dem wir wussten dass wir eine Platte haben werden war, als genug Songs in der Rohfassung da waren, die uns geil machen. Da wussten wir dass es sich lohnen wird, das in eine Platte zu schmieden.“

Wenn es irgendwann mal wirklich so richtig krachen sollte auf der Welt: Wie stellt sich Morean sein Überleben dann in einer (wie auch immer gearteten) Apokalypse vor? 


„Siehe jede Platte auf der ich je getextet habe. [grinst] Prinzipiell gibt's eh nur einen einzigen Weg, wie unsere Spezies überleben wird, und das ist Auswandern in den Weltraum. Wir sind noch Jahrhunderte, oder vielleicht sogar Jahrmillionen davon entfernt da wirklich auf einen grünen Zweig zu kommen, aber wenn's an mir läge und ich die Mittel hätte, würde ich mich der Erkundung alternativer Welten widmen, auch wenn ich dafür äonenlang eingefroren in einer Blechtonne sitzen müsste, die, nur von einer vagen Hoffnung angetrieben, durch den interstellaren Raum dödelt. Das Ende der Welt ist ja immer um die Ecke - ob jetzt ein Klumpen aus dem All auf unsern Tisch haut, wir uns selber ausrotten, oder Fukushima doch noch platzt: Ich glaube, es wird auf alle Fälle schnell gehen, und so wie ich uns kenne, werden wir noch kräftig selber anschieben wenn der Karren in den Graben stürzt. Eins weiß ich allerdings: Ich möchte das Ende bewusst miterleben, ob daheim im Bett oder spontan zerplatzend zu nuklearem Wasserdampf. Als Todist möchte ich diesen Moment nicht verpassen!“

© Markus Eck, 28.07.2014

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