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Interview: END
Titel: Langsame Schmerzverarbeitung

Diese hochinteressante Slow Motion Gothic Metal-Trauerkapelle ging im Frühjahr 2000 aus der Band Lacus Mortis hervor, um einer deutlich geänderten musikalischen Neuorientierung entsprechend Rechnung zu tragen.

Fürderhin galt es für die Beteiligten, sich mit in Deutsch und Englisch vorgetragenen, regelrecht hypnotisch über die Sinne abwälzenden Leidbekenntnissen emotional dominierter Prägung zu äußern.

Um den aufgrund seiner monumentalen Gefühlsgröße schier erdrückenden Gesamtsound des deutschen Quartetts präzisierend zu kategorisieren, müßte man sich zuvor einige Gedanken darüber machen.

Kategorisierungsgedanken haben sich End bei der Erstellung ihrer Lieder jedoch nicht eine Sekunde lang gemacht. Und so erklingen auch sämtliche Songs auf ihrem Erstwerk „Out Of Eden“ in bisher nicht gekannter Erscheinungsweise. Ein dicker Pluspunkt.

Im März dieses Jahres veröffentlichten End ihr Debütalbum auf Sad Records, ein im Oktober 2001 neu gegründetes Label, welches direkt aus End hervor ging.

Zwei Mitglieder der Band, nämlich Tieftöner und Keyboarder Eike samt Sänger und Saitenschrubber Josch sind dort nun selbstständig als Sad Records tätig, um in erster Linie musikalisch unabhängig und professionell handeln zu können.

Da „Out Of Eden“ ein ebenso ungewöhnliches wie auch immens reizvolles Stück Gothic Doom Metal darstellt, ist ein Interview mit Josch und Eike für mich unumgänglich. Wie also kamt ihr zu eurem doch sehr emotionalen Metal-Stil?

„Wir haben einfach das gemacht, was sowieso in uns drin steckte. Und was dabei herausgekommen ist mag man bezeichnen wie man möchte – es ist auf jeden Fall äußerst emotional und immer sehr zerbrechlich, und so wird es auch bleiben. Auf einen bestimmten Stil wollen wir uns aber nicht festlegen“, so Eike.

Josch ergänzt: „Ich finde es wichtig sich generell auf keine Richtung festzulegen, in Schubladen stecken zu lassen, oder irgendwelchen Klischees hinzugeben. End lebt zu 100 % von verarbeiteten Gefühlen und Emotionen, so ist dann daraus unser Stil geworden. Allerdings sind wir immer offen für fast alle Eindrücke und Einflüsse. Das erklärt vielleicht auch den Abwechselungsreichtum von `Out Of Eden`.“

Stellt eure Musik denn in euren Augen beziehungsweise Ohren überhaupt Gothic Metal dar?

„Es sind Elemente aus Gothic und Metal, aber wir machen ja keinen Gothic Metal im Sinne von Tristania oder ähnlichen Acts. Wir sind im Vergleich vielleicht rockiger und experimentierfreudiger, was den Stil angeht. Dies sieht man sicherlich auch daran, daß die, zwar manchmal leidigen aber immerhin interessanten Vergleiche der Presse von Type O Negative, Fields Of The Nephilim und My Dying Bride bis hin zu Neubauten und Blumfeld reichen. Man muß kein Fan dieser Bands sein, um End zu mögen, doch kann man unsere Musik als betont individuellen Stilmix der genannten Acts aufgrund unserer hohen Eigenständigkeit trotzdem gut genießen“, erläutert Eike.

Josch fügt dem an: „Wenn ich nach unserem Stil gefragt werde, bezeichne ich End als Gothic Doom Metal. Allerdings nur weil das wohl noch am ehesten passen könnte, eine hundertprozentige Bezeichnung für unseren Stil gibt es eigentlich nicht.“

Das aktuelle End-Album: Was hat der Titel „Out Of Eden“ zu bedeuten?

Eike legt dazu dar: „Ich denke `Out Of Eden` drückt die negative Stimmung des Albums sehr gut aus, auch weil die Wortwahl einen schönen Klang hat. Es entspricht sehr treffend dem Gefühl des Verlustes, des Verlorenen und des Bedauerns. Vielleicht stellt es sogar eine beschreibende Hülle unsere Texte dar?“

Josch hierzu: „`Out Of Eden` klingt, wie ich finde, gleichermaßen dramatisch und traurig, als auch harmonisch und schön. Genau dieser Konflikt, wie auch der thematische Hintergrund des Titels, beschreiben wunderbar treffend die Musik und Texte, die sich dahinter verbergen. Negativ durch und durch. Aber dennoch, trotz aller Verzweifelung irgendwie charmant.“

Worum geht es in den Songtexten hauptsächlich? Existiert gar ein lyrischer roter Faden? Eike bekennt: „Es geht um die Erfahrungen, welche wir gemacht haben. Es sind keine `Was wäre wenn?`-Texte. Sondern es geht um Geschichten, die uns passiert sind und um ehrliche Gefühle von verlorener Liebe, Gefühlskälte und der Erkenntnis, daß uns niemals jemand verstehen wird, ganz gleich, wie nah man sich zu einem Menschen auch immer wähnt.“

Josch: „Hinter jedem Song steht eine wahre Geschichte, manchmal plakativ, manchmal recht metaphorisch zu Papier gebracht. Wie ein roter Faden ziehen sich – um Eike noch zu ergänzen – das Thema Frauen, Gedanken an den eigenen Tod und das langsame, bewußte Verrücktwerden durch unsere Stücke. Teilweise ziemlich diffuses Zeug und manchmal sehr suizidal, aber jedes Wort ist Wahrheit.“

Woraus beziehen End die Impressionen und Eindrücke sowie Einflüsse für das Songwriting? Eike spricht:

„Ich persönlich setze mich einfach hin und musiziere drauflos. Wenn ich denke, daß etwas meine momentane Stimmung gut ausdrückt, dann wird es beibehalten und weiterverarbeitet. Es ist eher eine unbewußte Sache.“

Josch knüpft daran an: „Alles Erlebte negativer Art, mit dem ich einfach nicht klar komme, ist sozusagen Rohstoff für mein Songwriting. Text und Musik entstehen mal gleichzeitig und mal unabhängig voneinander in Fragmenten oder gleich im Ganzen. Da gibt es kein festes Konzept. Ich habe grundsätzlich immer was zum Schreiben dabei, denn manche Ideen kommen in den unmöglichsten Situationen. Dann gilt es jeden Gedanken festzuhalten und später auszubauen.“

Welche musikalischen Einflüsse werden im Speziellen bei End verarbeitet? Eike hierüber:

„Bewußt wird nichts verarbeitet, denn schließlich wollen wir nicht wie irgendjemand anderes klingen. Wenn man unterschwellig seine Hörgewohnheiten verarbeitet, nun, dann reichen die bei mir von Black Metal über Ambient und Gothic bis hin zu elektronischem Kram und manchmal sogar Blues und guter Klassik.“

Josch anschließend: „Dem kann ich mich nur anschließen. Logisch, daß man unbeabsichtigt immer ein bißchen nach seinen Einflüssen klingt. Da diese aber bei uns so vielfältig sind, gibt es am Ende einen wie ich denke recht eigenständigen Sound. Auch ich höre eine ganze Menge verschiedener Richtungen von Knüppelkreisch über Klassik bis L. Cohen. Allerdings zwar eher selten fröhliche Sachen, diese sind aber nicht ausgeschlossen.“

Welche tief in euch schlummernden Emotionen möchtet ihr durch eure Musik verarbeiten beziehungsweise ausdrücken? Eike offenbart:

„Unsere Depressionen, unsere Verzweiflung, unsere Wut und unsere Traurigkeit. Wenn man so etwas in einen Song packt, ist es wie ein Befreiungsschlag. Solche Dinge lassen einen zwar niemals ganz los, aber es ist eine hilfreiche therapeutische Maßnahme.“

Josch schließt dem an: „End ist für mich wie eine Autotherapie. Ich muß nicht mit meinen Depressionen kokettieren oder sie kultivieren, wie dies so einige kindische Leute tun. Allerdings ist das Musikmachen auch eine Art zu Weinen und zu Verarbeiten, wenigstens einen kleinen Teil. Und das hilft mir. Ich bin nicht stolz auf diese Stimmungen samt ihrer Suizidalität und immer froh über ein paar neutrale und auch gute Tage, aber ich denke das ist unsere Wesensart und die kann mit aller Ehrlichkeit durchklingen.“

Möchtet ihr etwas zu jeweiligen, für euch besonders wichtigen Songs auf „Out Of Eden“ erzählen? Eike rät:

„Der Hörer sollte sich einfach hinsetzen und mit derselben Intensität, mit der man sonst ein Buch liest, unsere CD hören. Schließlich haben wir immer einen ganzen Song gebraucht um etwas auszudrücken, was wir eben nur so und nicht anders ausdrücken können. Daher möchte ich weiter nichts dazu sagen.“

Josch: „Dem schließe ich mich an. Den Hörer erwartet eine abwechselungsreiche Reise durch elf sehr intensive Episoden unserer Leben. Von zart bis hart, und voller Ehrlichkeit. So dürfte wohl für jeden etwas dabei sein.“

Was ist eigentlich auf dem Album-Frontcover zu sehen? Ein Feld? Welchen Sinn, welche künstlerische Bedeutung hat das Bild für euch? Eike lässt verlauten:

„Blicke bedeuten soviel, warum also keine Frauenaugen, die einen förmlich verfolgen? Und zum Rest des Covers merke ich einfach mal an, daß Bilder mehr sagen als tausend Worte! Und ich mich somit vor einer klaren Antwort drücke!“

Josch: „Blicke können einen manchmal wortwörtlich umbringen. Daher, und weil ich sowieso absolut viel Wert auf Augen lege, ist die logische Konsequenz dieses Frontcover. Der Blick ist wie ich finde faszinierend gegensätzlich: Verachtend, verliebt und erotisch zugleich. Das Gras im Hintergrund paßt wie ich finde schön zum Titel. Abgesehen davon wollten wir mit dem Cover-Artwork auch eine gewisse Ambivalenz darstellen: Das satte Grün, schöne Augen außen, und wer es aufklappt sieht hinter den Kulissen die wahre Gefühlswelt.“

Gibt es derzeit konkrete Pläne, das Material der aktuellen CD auch live umzusetzen? Eike weiß hierzu zu erzählen: „Ja, wir spielen am 19. Oktober auf dem Black Elben Festival in Hamm, zusammen mit Tanzwut, Untoten, Silber etc. Ein absolut lohnendes Festival in einer tollen Halle! Weiterhin suchen wir momentan noch weitere Auftrittsmöglichkeiten für den Herbst und Winter.“

Josch vertieft das Ganze: „Einige Songs der CD haben wir ja schon oft live gespielt. Letztes Jahr waren wir beispielsweise im Frühling mit Ashes You Leave und im Winter mit Jack Frost auf Tour. Dazwischen war dann noch ein Gig auf den Herbstnächten. Von daher sind wir ziemlich erfahren und routiniert was Live-Auftritte angeht.“

Und wie sieht eine Live-Show von End aus? Eike gewährt Einblick:

„Wenn die Lokalität es zuläßt, darf man bei End stimmungsvolle Dekoration erwarten und ansonsten die künstlerische, intensive Auslebung der Gefühle auf der Bühne. Ich mag Bands, die es live schaffen, die Stimmungen der Songs perfekt rüberzubringen. Denn dazu soll ein Konzert schließlich dienen. Genau das wollen wir erreichen. Ansonsten würde ja auch die CD genügen.“

Josch bejaht: „Genau. Man kann also mehr erwarten als einfach nur rumstehen und spielen. Auch auf dekorativem Sektor sind wir Ästheten und bemühen uns um eine gute Atmosphäre, was bisher immer recht gut geklappt hat. Abgesehen davon leben wir unsere Songs, wenn wir auf der Bühne sind, regelrecht aus. End steht für pure Emotion!“

Welche Marktchancen rechnet ihr euch mit der aktuellen CD aus und welches Musikpublikum soll angesprochen werden? Eike expliziert:

„Nun, wir bemühen uns mit Sad Records gerade um einen geeigneten Vertrieb, denn die Marktchancen sehen wir als sehr gut an. Trotz der Klagen der Musikbranche. Ich möchte nicht arrogant klingen, aber End bieten den Hörern etwas Wahres, etwas Ehrliches und wir haben einen eigenen Sound. Dies wird auch immer von der Presse und unseren Fans betont, und für solche Musik lohnt es sich immer Geld auszugeben. Ich kann verstehen, daß die Hörer keine Lust mehr haben auf glattgeleckte 0815-Produktionen, denn so etwas braucht man nicht. Wer unser Album kaufen möchte, kann das auf jeden Fall ganz einfach über die jeweiligen Homepages von End oder Sad Records machen. Ein bestimmtes Musikpublikum möchte ich nicht ansprechen, trotz dessen wird unser Album wohl hauptsächlich in der schwarzen Szene seine Abnehmerschaft finden.“

Eike verrät abschließend noch Zukunftspläne: „Musikmachen und versuchen, so viel als möglich live zu spielen. Außerdem mit Sad Records gute, eigenständige Bands finden, welche genau wie wir vollkommen kompromißlos hinter ihrer Sache stehen!“

Und Josch freut sich: „Die Dinge laufen ganz gut für End und Sad Records, und so soll es auch bleiben. Das und der Ausbau des Labels erfordern eine Menge Arbeit. Und darauf werden wir uns auch in Zukunft weiterhin konzentrieren.“

© Markus Eck, 29.05.2002

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