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Interview: GODIVA
Titel: Die Verehrung von Heavy Metal an sich

Das neue Album dieser entschlossenen Schweizer Debütanten könnte für passionierte Anhänger solch traditioneller Truppen wie Judas Priest oder Primal Fear ein gefundenes Fressen sein.

Denn der mit druckvollen Energien gespielte und kraftvoll vokalisierte True Classic Heavy Metal von Godiva zeigt eine immens spielfreudige Band auf. Und die ausgeprägte Musikalität dieser erdigen Eidgenossen ist auf ihrem selbstbetitelten Erstwerk verlässlicher Garant für ebenso schweres wie melodisch eingängiges Songmaterial.

„Unser Schlagzeuger Peter und ich sind quasi zusammen aufgewachsen und kennen uns sozusagen schon seit immer. Wir sind beide seit unserer Kindheit an große Metal-Freaks. So beschlossen wir eines Tages in einem Freibad in der Nähe unseres Heimatdorfes eine Metal-Band mit noch zwei anderen Kumpels zu gründen. Außer Peter, der damals schon ein bisschen Schlagzeug spielen konnte, hatten wir jedoch jeder kein einziges Mal eine Gitarre in der Hand gehabt. Egal, Peter und ich haben es durchgezogen, ich hab mich schlau gemacht wie man so eine Klampfe bedient und seither haben wir in diversen Bands und Projekten zusammengespielt“ blickt Bassist Mitch eingangs zu den Anfängen zurück.

„Als wir dann anschließend ein paar Jahre lang mit der Cover-Rock Band Granit durch die Lande tingelten und jeden noch so kleinen Club in der Schweiz abgrasten, war danach der Zeitpunkt für mich und Peter gekommen, endlich eigenes Liedgut zu produzieren. Anfang 2001 holten wir Sammy Lasagni an der Klampfe an Board und probierten diverse Sänger aus. Bis plötzlich `His Highness` Sir Anthony De Angelis bei uns im Proberaum stand. Seine Träller-Klänge überzeugten uns von der ersten Silbe an! Godiva war geboren und wir machten uns sogleich ans Songwriting und produzierten unser erstes Drei-Track-Demo. Nach diversen Auftritten mit Szene-Größen wie Dokken, Primal Fear, Freedom Call, usw. beschlossen wir unsern ersten Longplayer aufzunehmen und konnten Tom Naumann und Achim Köhler dafür gewinnen, uns zu produzieren. Mit zehn Songs im Gepäck sind wir dann für ganze drei Wochen ins House of Music-Studio in Winterbach eingezogen und hämmerten unsere Songs auf Band.“

Die Stimmung in der Band ist nicht nur derzeit gut, und das scheint seinen Grund zu haben. „Wir sind alle glücklich, dass wir mit Limb Music Products ein tolles Label gefunden haben und dass unser Baby seit dem 22. September 2003 offiziell in den europäischen Läden steht und am zehnten Oktober sogar in den USA veröffentlicht wird.“

Godiva sind gegenwärtig fleißig am Proben für ihr Live-Repertoire und können es kaum erwarten wieder die Bühnen zu entern. Mitch hierzu:

„Die Bandchemie bei uns ist wirklich ausgezeichnet, weil da von Anfang an eine gewisse Magie in der Sache drin war. Mit Francis Stebler haben wir jetzt einen zweiten Gitarristen an Land gezogen. Ein richtiger Virtuose auf dem Gebiet der Klampfen-Klänge, welcher auch menschlich sehr gut zu uns passt und uns musikalisch weiterbringen kann. Er zupfte die Lead-Gitarre vorher bei Hot-Pot, einer Schweizer Dream Theater-Coverband.“

Für ihren Bandnamen hatten sie anfangs diverse Vorschläge am Start, bis sich drei davon heraus kristallisierten, wie Mitch nun erneut zurückblickt:

„Godiva, Raptor und Drakken waren die Finalisten sozusagen. Für Godiva haben wir uns entschlossen, weil eine coole Story dahinter steckt und uns außerdem das Wortspiel aus den Begriffen God und Diva gut gefällt. Das passt daher schon gut zu unserem Sänger.“, scherzt der Viersaitenspieler – und fügt an:

„Eigentlich aber kommt es von der Legende der Lady Godiva, welche nackt auf einem weißen Schimmel durch ihr Dorf ritt, um Ihrem Ehemann eins auszuwischen. Der war nämlich ein Lord und wollte die Steuern erhöhen. Lady Godiva aber taten die Untertanen leid. Daher wettete sie mit ihm, nackt durch das Dorf zu reiten, wenn er die Steuern nicht erhöhen würde. Er ging die Wette ein und verlor. Ansonsten finden wir auch, dass der Bandname eben gerade durch diese Legende etwas Mystisches auf sich hat. Und wir stehen auf Mystik.“

Als die Schweizer Band ans Schreiben der aktuellen Stücke ging, hatten sie keine absolut konkrete Vorstellung darüber, wie das Ganze letztendlich klingen sollte. „Wir wussten nur: Es muss Metal sein und damit härter als die bisherigen eher hardrock-lastigen Songs. Wir haben frisch von der Leber weg komponiert. Die Songs haben sich so in die Richtung des traditionellen Heavy Metals entwickelt. Wir wussten, dass wir damit das Rad auch nicht neu erfunden haben, aber das war auch nicht unsere Absicht. Für uns steht der Spaß an unserem Sound ganz klar im Vordergrund. Und wir werden auch künftig nur Songs schreiben, welche klar aus der Feder unseres metallenen Herzens entstehen. Wir werden und wollen nie irgendwelchen Trends nacheifern. `Bullshit Lover` ist übrigens der einzige Song auf der Platte, der noch unsere Wurzeln des traditionellen Schweizer Hardrocks aufdeckt. Und genau aus diesem Grund haben wir ihn auf das Album mit drauf gepackt.“

Ein einheitliches lyrisches Konzept haben Godiva nicht:

„Auch bei den Texten haben wir uns nicht allzu große Gedanken gemacht. Auch hier haben wir frisch von der Leber weg geschrieben. Wie schon erwähnt, sind wir nicht wie bei einer Sitzung am runden Tisch gesessen, um ein Konzept zu erarbeiten. Hier stand der Spaß an der Sache im Vordergrund. Unser Album soll vor allem dem Hörer Spaß und Freude bringen und vielleicht ein wenig von den Alltagsproblemen ablenken.“

Daher sind die Thematiken der Songtexte bei der Band auch von Song zu Song ganz verschieden, wie Mitch weiter offenbart.

Und so könnte man diese Lyrics seiner Meinung nach zum Teil auch ein wenig als Spiegel der Gesellschaft sehen:

„`Razorblade Romantic` handelt zum Beispiel davon, wie die Menschheit untereinander und miteinander umgeht. Kriege, Zerstörung und Terrorismus sind in der heutigen Zeit die aktuellen großen Probleme, die uns durch die Medien näher gebracht werden und uns tagtäglich konfrontieren, während `Heavy Metal Thunder` eher eine Hommage an den Heavy Metal darstellt. `One Shot` ist ein Song über den Konsum harter Drogen, wie es ist, nicht mehr davon loszukommen und dass man am besten die Finger davon lassen sollte. Wir wollen aber überhaupt nicht politisieren oder die Welt verbessern, sondern unsere eigenen Gedanken zu den alltäglichen Problemen dieser Welt darin verarbeiten. Aber auch Legenden finden ihren Platz in unseren lyrischen Ergüssen, wie bei `Cold Blood`. Da geht es um Vampirismus und um Vampire selbst. `Let The Tanks Roll` ist wieder ein typischer Song über die Verehrung von Heavy Metal an sich. Der Titel kommt von einem Spruch unseres Produzenten Tom Naumann. Vor dieser Produktion spielte er mit uns zusammen im Vorprogramm von Dokken, dabei sagte er vor dem Gig: `Ja Jungs, jetzt brettern wir mit dem Panzer einmal übers Publikum und wieder zurück und gehen danach heim!`“.

Wie mein Interviewpartner nun zu Protokoll gibt, verkörpern Godiva den puren Idealismus und die Werte des traditionellen Heavy Metal, wie er ihrer Ansicht nach im Jahre 2003 klingen sollte. Mitch:

„Es ist nichts Neues und bestimmt wird es Leute geben die unseren Sound als unoriginell und altbacken abstempeln werden. Aber damit können wir leben. Im Prinzip ist unsere Botschaft ganz einfach: Bleibt euch selbst treu, schüttelt kräftig eure Rübe und habt trotz den alltäglichen Problemen Spaß am Leben!“

Und wenn der Hörer seine Probleme dann einen Moment lang vergisst, während er sich ihre neue Scheibe reinzieht, dann haben Godiva laut Mitch ihr Ziel erreicht. Wie er nun weiter berichtet, findet man in seiner Band verschiedene Einflüsse. „Ich denke, ganz große Einflüsse sind sicherlich Judas Priest und Primal Fear, obwohl wir jetzt nicht unbedingt finden, dass wir eine reine und billige Kopie derselben sind. Diese Bands rotieren halt auch bei uns sehr viel im CD-Player und dadurch wird man sicherlich beeinflusst. Aber ich betone ausdrücklich, dass wir nicht die Schweizer Antwort auf Primal Fear oder Judas Priest sein möchten. Sondern Godiva, die den traditionellen Heavy Metal bestmöglich abfeiern. Obwohl es für uns selbstverständlich eine Ehre ist mit Bands solchen Kalibers verglichen zu werden. Das wir halt nicht die ersten traditionellen Heavy Metaller sind, ist Pech“, lacht der Schweizer Tieftöner.

Das Frontcover und das Konzept für das neue Album hat Mitch höchstpersönlich entworfen, wie ich anschließend von ihm erfahre.

„Digitale Kunst ist ein Hobby von mir. Auch da hatte ich der Band diverse Entwürfe vorgelegt. Zusammen mit dem Label haben wir uns dann für das aktuelle entschieden. Unserer Meinung nach zeigt dieses Cover eindeutig was in der CD drin ist: Heavy Metal im Jahre 2003. Auch hier sind sicherlich die Einflüsse des berühmten Schweizer Künstlers H.R. Giger, welcher das berühmte Alien aus der gleichnamigen Filmreihe entworfen hat, nicht zu verneinen. Er ist in diesem Bereich ein großes Vorbild von mir.“

Laut Mitch können es Godiva kaum erwarten wieder auf den Brettern der großen weiten Welt zu stehen:

„Eine CD zu aufzunehmen ist eine geniale Sache, aber auf der Bühne zu stehen und die mystische Kraft und die Anspannung des Publikums zu spüren ist halt schon auch geil“, schwärmt der Bassist. „Ich kriege noch jetzt jedes Mal Gänsehaut, wenn das Intro losdröhnt und der Countdown läuft. Was gibt es schöneres? Unsere Bühnenshow differenziert sich aber ein wenig zu der Norm der traditionellen Heavy Metal-Bands. Unser Shouter Anthony ist ein sehr charismatischer und extravaganter Kerl. Er versucht immer wieder, das Publikum mit ein paar Gimmicks zu überraschen. Zum Beispiel an den Metal Dayz 2003 im Z7 in Pratteln, hat er beim Song `Cold Blood` aus einem Kelch Blut getrunken. Oder, da es der erste August [Schweizer Nationalfeiertag; A.d.A.] war, eine Schweizer Fahne geschwenkt und als er sie drehte war eine Totenkopfflagge auf der Rückseite. Wir versuchen dies von Gig zu Gig immer wieder etwas anders zu gestalten. Wir wollen das Publikum überraschen und selbst wenn uns jemand schon zweimal gesehen hat, wird es auch beim dritten Mal wieder ein wenig anders sein. Es soll nie langweilig werden und man weiß bei Godiva halt nie was noch alles kommen wird. Aber auch hier, sollten die Leute das Ganze ironisch sehen und keinesfalls allzu ernst nehmen.“

Mich interessiert, welche Schweizer Bands seiner Meinung nach neuzeitlich für die internationale Metal-Szene relevant sind.

„Da gibt es ein paar. Sicherlich sind die alten Herren von Krokus wieder ganz aktiv. Aber auch Shakra sind im Moment ganz dick drin. Kommt noch dazu, dass Roger Tanner und Thomas Muster praktisch Nachbarn und sehr gute Kumpels von mir sind und ich sehr viel Zeit mit ihnen verbringe Auf das neue Crystal Ball-Album bin auch sehr gespannt, da die ja jetzt den Produzenten gewechselt haben. In den etwas härteren Bereichen würde ich Gurd erwähnen. Die Männer um V.O. Pulver haben mit `Encounter` einen geilen Kracher hingelegt und auch die Vorgängerscheiben sind echt geil. Du siehst, es gibt definitiv ein paar geile Bands aus dem Land der Schocki und des Emmentalers! Und sonst sind bestimmt auch schon wieder ein paar geile Newcomer bereits am Start.“

Abschließend offenbart Mitch noch Pläne für die Zukunft: „Wir werden jetzt auf jeden Fall mal ein paar Gigs hier in unserem Heimatland machen. Eigentlich wären wir im März 2004 gerne mit Primal Fear und Brainstorm auf Europa-Tour gegangen. Obwohl es zuerst gut aussah, ist das Ganze leider an diversen Sachen gescheitert. Wir sind aber dran und schauen mal, was noch möglich wäre um auch in Deutschland und dem europäischen Ausland zu touren und zu spielen. Im Moment ist jedoch noch nichts Definitives geplant für das Ausland. Kommt aber bestimmt bald. Außerdem sind wir schon wieder am Songwriting für die nächste Scheibe. Wir planen so circa Anfang Herbst 2004 wieder ins Studio zu gehen und dann den zweiten Streich einzuhämmern.“

© Markus Eck, 28.09.2003

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