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Interview: KRYPTERIA
Titel: Stabile Einheit

Mit ihrem neuen Albumspektakel „All Beauty Must Die“ werden die Kölner Krypteria so manches Gothic Metal-Herz im Sturm nehmen können.

Denn das enthaltene edle Songmaterial überrascht mit granitener Härte sowie atemberaubend ausgefeilten Strukturen und bombastisch inszenierten Arrangements vom Allerfeinsten. Viele Gedanken haben sich die beteiligten Akteure hier auch um den relevanten Kontext Kontrastreichtum gemacht, wie aktuell deutlich zu hören ist.

Und die Umsetzung dessen wurde vom dem versierten Quartett um die koreanischstämmige Ausnahmesängerin Ji-In Cho nicht nur herrlich unverkrampft auf angenehm natürliche Weise vollzogen, sondern gar mit riesengroßer Bravour gemeistert. Berauschend opulent inszenierte Lieder also, so hart wie das Leben, aber auch so sehnsüchtig und inniglich wie erzdüstere Romantik.

„Das Wichtigste für uns neben den wirklich fetten Konzerten der letzten Live-Gigs ist nach wie vor, dass die Band auch im siebten Jahr nach wie vor in der Urbesetzung zusammen ist und eine feste Einheit bildet“, weiß Drummer S.C. Kuschnerus mit bester Laune zu berichten.

Und natürlich sind diese Vier entsprechend wild entschlossen, jetzt mit ihrem neuen Album „All Beauty Must Die“ wieder mit Schmackes anzugreifen, so der Schlagzeuger.

„Da kann man auch verkraften, dass unser Bassbiest und Profiwahnsinniger Frank den Rest der Band speziell auf Tour immer wieder nah am Rand der Verzweiflung hatte“, gibt der Fellklopfer anschließend lachend zu Protokoll.

Wie er dem anfügt, waren die letzten anderthalb Jahre für Krypteria ganz ehrlich gesagt kein reines Zuckerschlecken:

„Es wurden uns immer wieder aus allen möglichen Ecken Knüppel zwischen die Beine geworfen. Aber dass die Musikbranche kein Streichelzoo ist, ist ja keine neue Erkenntnis.“

Andererseits gab es auch viel Schönes, wie in Erfahrung zu bringen ist.

„So waren neben den Festivalshows die Touren an der Seite von Doro beispielsweise echte Highlights für uns. Die Doro-Mannschaft und ihre Fans waren sehr gut zu uns und während der Zeit sind viele Freundschaften entstanden. Dass Doro Pesch höchstselbst nun auf unserem neuen Album auch ein Duett mit Ji-In zum Besten gibt, verpasst dem Ganzen natürlich die Sahnehaube. Dann fühlen wir uns zum ersten Mal richtig frei, denn wir sind im vergangenen Herbst zu einem brandneuen Independent Label gewechselt, an dessen Spitze ganz zufällig unser Gitarrist und Produzent Chris steht. Das heißt, dass uns niemand in die kreative Suppe spuckt und wir stets in alle Entscheidungen rund um Krypteria eingebunden sind. Und sollten wir den Karren trotzdem vor die Wand fahren, dann saßen wir wenigstens selbst am Steuer. [lacht] Wir sind davon überzeugt, dass man der neuen Scheibe unsere neu gewonnene Freiheit auch deutlich anhören kann. Nichts ging 2009 und 2010 allerdings über die Begegnungen und den Austausch mit unseren Fans und Freunden. Das ist der Treibstoff, der uns immer wieder befeuert hat. Wenn ich es mir genauer überlege, hatten die vergangenen anderthalb Jahre eigentlich richtig viel Gutes“, freut er sich.

Die neue Veröffentlichung „All Beauty Must Die“ ist seiner Aussage nach heavy, emotional, melodisch, dramatisch und kommt mit einer ordentlichen Portion Biss und Bums daher. Und S.C. konkretisiert dazu:

„Die kernigere und organischere Marschrichtung ist dabei wohl vor allem auf unsere stets wachsende Live-Identität zurückzuführen. Und wir hatten einfach richtig Bock auf Vollgas! Auf dem Album gibt’s den schnellsten Krypteria-Song aller Zeiten und die mit elfeinhalb Minuten längste Nummer, die wir je gemacht haben. Bei einem Titel sind zum allerersten Mal alle vier Bandmitglieder mit Lead-vocals zu hören, und dann haben wir ja mit Doro und Edguy-Bassist Eggi noch zwei langjährige Freunde der Band mit Gastperformances an Bord. Du siehst, wir wollen unseren Fans ordentlich was bieten, Langeweile verboten! [lacht] Im Gegensatz zu unserem letzten Album „My Fatal Kiss“ haben wir diesmal außerdem wieder häufiger unsere typischen Krypteria-Monsterchöre von der Kette gelassen. Generell kann man sagen, dass wir bei „All Beauty Must Die“ alle Regler bis Stufe Elf aufgedreht haben. Das betrifft dann neben Punch, Heaviness und Emotionalität freilich auch die epischen Elemente. Es ist auf jeden Fall ein Album, das sich nicht gleich bei den ersten Durchläufen in allen Fasern und Ebenen erschließt. Allerdings vereint die neue Scheibe unterm Strich dennoch alles, was Krypteria-Fans an unserer Musik lieben, und sogar noch mehr. Nur kommt das Ganze eben schön scharf gewürzt mit vielen Experimenten und Ungewohntem um die Ecke. Eine Vertreterin der schreibenden Zunft hat unserer aktuellen Marschroute dann übrigens sogleich auch einen Namen gegeben: „Die Neue Gotische Härte“. Das fasst es ganz schön zusammen, finden wir.“

So sind seiner Meinung nach die größten Stärken der neuen Songs die Hooks, die Härte, der Druck, die Dramatik, die Emotionalität und der Abwechslungsreichtum.

Der Schlagzeuger weiß darüber tiefgehender zu berichten:

„Davon abgesehen finde ich Ji-In’s Gesang von vorne bis hinten einfach brillant. Das gilt allerdings auch für ihr Pianospiel, denn das ist einfach immer spannend und unberechenbar, weil sie sich keinerlei kreativen Zwängen unterordnet. Sie überrascht uns Jungs stets aufs Neue und gerade das Unvorhersehbare ist es doch, was ein Album zu etwas Besonderem macht. Außerdem gibt’s ein echtes Soundbrett, Chris’ Gitarren und Franks Bass röhren bissiger und agiler denn je und das Drumming von mir ist der reinste Actionfilm. [lacht] Ich empfinde „All Beauty Must Die“ als spannende musikalische Achterbahnfahrt inklusive Extraladung Metall und einem Sack voll Überraschungen. Den ersten Reviews zufolge scheint sich das glücklicherweise auch genau so auf den Hörer zu übertragen, was uns natürlich tierisch freut.“

Sein persönlicher Favorit unter den neuen Stücken ist für den Kesselwart aber doch eher schwer zu nennen, wie sich herausstellt:

„Oha, da verlangst du aber was! Ich versuche es mal anders: Vom Brachialopener „Messiah“ bis zum fast zwölfminütigen Finalepos „The Eye Collector“ gibt es eigentlich keinen Song auf „All Beauty Must Die“, den ich auf der kommenden Tour nicht auch live spielen möchte; von mir aus gerne auch gleich in der Albumreihenfolge.“

Das Songwriting für die neue Scheibe gestaltete sich laut überrauschendem Statement des Drummers nicht sonderlich schwierig. Er bekundet:

„Da bei Krypteria alle vier Bandmitglieder gleichberechtigt und signifikant zum Songwriting beitragen, fehlt es uns eigentlich nie an Ideen oder Inspiration Außerdem ergänzen wir uns mit unseren unterschiedlichen Persönlichkeiten und musikalischen Geschmäckern sehr gut, so dass es keine große Überraschung ist, dass das neue Album zwar eine eingängige, aber auch eine ziemlich unvorhersehbare Kiste geworden ist. Die aus allen vier Himmelsrichtungen kommenden Ideen werden zu Beginn des kreativen Prozesses in einen Topf geworfen und dann entwickelt sich bei uns ein Song im Bandgefüge eigentlich von selbst. Das soll nicht heißen, dass es nicht auch mal heiß hergeht, unterm Strich ziehen wir aber alle am selben Strang, auch wenn vielleicht mal eine Idee keine Verwendung findet. Für uns ist der Songwriting-Prozess immer eine spannende Angelegenheit, die wesentlich mehr Lust als Last bedeutet. Bei der Ausarbeitung und Umsetzung dieser Ideen haben wir uns diesmal allerdings deutlich mehr Freiheiten als zuvor gegönnt. Das hat sicherlich dazu beigetragen, dass „All Beauty Must Die“ unser bisher wohl vielschichtigstes und auch waghalsigstes Album geworden ist.“

Nachfolgend befassen wir uns auch noch mit den Lyriken der neuen Krypteria-Kompositionen. S.C. informiert:

„Wir lieben es einfach, immer wieder Alben mit einer konzeptionellen Klammer zu erschaffen. Und auch wenn „All Beauty Must Die“ kein klassisches Konzeptalbum im Sinne von „Operation Mindcrime“, „Streets“ oder unserem „Bloodangel’s Cry“ ist, so dreht sich inhaltlich alles um Endlichkeit, um Vergänglichkeit und Verlust, aber auch um das Festhalten an Träumen und Zielen. Themen also, die vermutlich nicht nur uns, sondern auch den Fan, den Hörer beschäftigen. Deshalb liegt auf dem Album wohl auch eine gewisse Schwere und Intensität.“

Was den restlichen Verlauf des aktuellen Jahres 2011 anbelangt, so hofft der redefreudige Stockschwinger primär, wie er mich wissen lässt, dass die treuen Krypteria-Fans hören und spüren, wie viel Hingabe in „All Beauty Must Die“ steckt.

„Und auch, dass unseren Anhängern die kernigere Gangart so gut schmeckt wie Ji-In, Chris, Frank und mir. Wünschen würde ich mir außerdem, dass auch die Metalheads, die Krypteria bis dato eher nicht auf dem Zettel hatten, dem neuen Album eine Chance geben. Dann wollen wir natürlich schleunigst auf die Straße, um das neue Material auch live an den Mann und die Frau zu bringen. Dafür erhoffe ich uns geile Konzerte und wilde Fans, idealer Weise inklusive guten Gesprächen nach der Show; wir werden da sein!“

An der „All Beauty Must Die“-Tourplanung wird ohnehin gerade mit Hochdruck gearbeitet, so S.C.:

„Wer sich von uns live also lecker die Matte föhnen lassen will, wird dazu schon bald ausreichend Gelegenheit bekommen. Sobald alles steht, findet Ihr die Dates natürlich auf unseren Websites - wir können es kaum erwarten!“

Da Christoph Siemons, seines Zeichens Produzent und Gitarrist bei Krypteria, laut eigener Aussage schon seit vielen Jahren der harten Musik verfallen ist, tut er sich nicht gerade leicht, mir noch seine für ihn persönlich allerwichtigsten Tonträger zu nennen.

Uriah Heep „Lady In Black“ (Single, 1971):
„Meine allererste Platte, die ich mir jemals gekauft habe. Ich kann mich noch genau an das Gefühl erinnern, als ich damals aus dem Plattenladen kam und meine erste eigene Platte in der Hand hatte. Noch heute ist das haptische Erleben einer CD für mich sehr wichtig, d.h. die CD in der Hand zu haben, das Booklet zu durchstöbern und ich brauche den Staub auf dem Jewel Case der CD, wenn sie bei mir im Regal steht. Musikalisch gibt es auch was zu dem Song zu sagen: Damals, wie heute, begeistern mich tolle Melodien. Und die düstere Atmosphäre des Liedes hat mich total fasziniert.“

Iron Maiden „The Number Of The Beast“ (1982):
„Diese Platte hat mich zum Metal-Fan gemacht. Ich habe beide Seiten der Scheibe mindestens eine Milliarde mal gehört und musste mir irgendwann mal die Platte nochmals kaufen, weil sie ,durch‘ war. Ich kenne jede Note dieses Albums in- und auswendig, auch wenn ich damals die Songs noch nicht spielen konnte. Ich bin der Überzeugung, dass dieses Album ein wirklicher Klassiker ist, der in keinem Plattenregal fehlen darf. Ich vermute, dass es heute nur halb so viele Gitarristen gäbe, wenn es dieses Album nicht gegeben hätte!“

Kiss „Alive II“ (1977):
„An dieser Band hat mich immer fasziniert, wie sie es verstanden hat, ein gigantisches Spektakel auf der Bühne zu inszenieren. Wenn man das Doppelalbum ,Alive II‘ aufklappt, sieht man eine Rock‘n‘Roll-Bühne, wie sie aussehen muss! Ehrlich gesagt, war für mich die Musik bei Kiss manchmal nur zweitrangig. Die Show und die Kostüme allerdings erste Sahne. Von den Kiss-Gitarren bin ich auch nie ganz weg gekommen: Bei mir zuhause hängt die original Gene Simmons-Axt und auf der Bühne spiele ich nach wie vor die Paul Stanley-Gitarren. Als ich allerdings noch nicht Gitarre spielen konnte, bin ich als Kind circa zwei Jahre lang nur als Gene Simmons geschminkt, mit einer Pappgitarre umgehängt, herumgelaufen.“

Foreigner „IV“ (1981):
„Dieses Album, besser gesagt der Song ,Jukebox Hero‘ ist dafür verantwortlich, dass ich heute Gitarre spiele. Ich habe Foreigner damals im Rockpalast gesehen und eben nach dem Lied ,Jukebox Hero‘, in dem es um einen kleinen Jungen geht, der anfängt Gitarre zu spielen, um Rockstar beziehungsweise ,Jukebox Hero‘ zu werden, habe ich beschlossen auch dieser Junge zu sein und Rockstar zu werden. Also macht bitte Foreigner dafür verantwortlich, wenn euch meine Musik nervt!“

Queensrÿche „Operation Mindcrime“ (1988):
„Auch dieses Album musste ich mir mehrmals kaufen, weil ich es zu oft gehört habe; die Rillen waren durchgenudelt. Diesem Album habe ich meine Liebe zu Konzeptalben zu verdanken. Was Queensrÿche mit diesem Werk geschaffen haben, ist wirklich ganz, ganz großes Kino beziehungsweise Kunst! Eine so dichte Atmosphäre wie bei diesem Album findet man heute nur ganz selten. Toller Sänger, sensationeller Drummer, sehr gute Saitenmänner und eine perfekte Produktion haben damals Maßstäbe gesetzt. Leider konnten Queensrÿche aus meiner Sicht nie wieder etwas Vergleichbares erschaffen. Da auch meine Mitstreiter bei Krypteria eine ähnliche Leidenschaft für diesen Klassiker empfinden, reden wir eigentlich bei jedem neuen Album auch darüber, ob man nicht mal wieder über ein Konzeptalbum nachdenken sollte.“

© Markus Eck, 11.03.2011

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