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Interview: MYRIADS
Titel: Variantenreiche Entwicklungsmanifestation

Ihr zweites Album „Introspection“ sollte diese formidable Musikantenvereinigung jetzt ein ganzes Stück weiter nach vorne bringen, als es ihr gelungenes 1999er Erstwerk „In Spheres Without Time“ bereits ohnehin schon getan hat.

Der über den sphärischen Aufenthalt der Band erschöpfend Auskunft gebende Albumtitel des Debüts sollte noch zum Programm werden, denn Zeitdruck kennen die Trondheimer Perfektionisten nicht. Scheinbar eine kleine Ewigkeit hat es deshalb für die Fans der überaus experimentierfreudigen Tragikkapelle gedauert, einem neuen Album teilhaftig zu werden, doch nun kann man den kreativen Äußerungen von Myriads erneut in aller hingebungsvollen Andacht lauschen.

Mit „Introspection“ ist ihnen eine gleichermaßen ungewöhnliche wie reizvolle Veröffentlichung geglückt, deren vollständige Entdeckung und musikalische Entschlüsselung einiges an Zeit abverlangt. Doch diese nimmt man sich hier gerne.

Auf den 74 Minuten Gesamtspieldauer von „Introspection“ verteilten die fünf Norweger neun überaus gefühlvolle Seelenfängerlieder durchgehend schwelgender Natur und stellenweise unheimlicher Betörung.

Wer da nicht auf der Hut ist, der erliegt ihnen somit schon nach wenigen Takten und hat immense Mühe, sich aus ihrer Umklammerung zu lösen und den Weg in den grauen Alltag wiederzufinden.

Ich schaffte es dennoch und nutzte die somit entstandene Zeit, Bandboss Alexander Twiss auszuquetschen wie eine reife Zitrone.

Alexander, warum mussten wir so lange auf eine neue Veröffentlichung warten und was habt ihr denn in der Zwischenzeit so alles getrieben?

„In den Songs von Myriads herrscht ein hoher Reifegrad, wie man auch auf dem neuen Album vernehmen kann. Das schüttelt man sich natürlich nicht einfach aus dem Ärmel, sondern die Dinge müssen sich entwickeln. Manchmal dauert es länger, manchmal ergibt es sich auch früher als erwartet. Und oftmals haben wir es schon erlebt, dass eine neue und großartige Idee in einen Song einfloss, lange nachdem dieser bereits geschrieben war.“

Seit dem damaligen Start von Myriads sind nicht wenige neue Gothic- und Dark Metal-Bands auf der Bildfläche erschienen; wo sieht sich Sänger und Axeman Alexander mit seiner Band inmitten der Szene?

„Meiner Meinung nach haben wir mit `Introspection` erreicht, wovon sehr, sehr viele Bands des Genres träumen: Einen ganz eigenen und unverwechselbaren Stil zu kreieren. Natürlich ist unser Sound nun daraufhin sehr hart zu kategorisieren, aber damit müssen wir leben. Unsere eigenwillige Fusion aus Metal und klassischen Einflüssen, Folk Music-Parts sowie `industriellen` Elementen ist dafür zu unserem eigenen Trademark geworden. Ich persönlich bevorzuge eigenständige Bands, die versuchen, etwas Besonderes auf die Beine zu stellen. So versuchte ich schon seit jeher, einen Männerchor und ein Streichquartett in unsere Songs zu integrieren. Und auf `Introspection`, dem neuen Album hatte ich erstmals die Chance dazu. Da ich selbst in einem Männerchor singe, konnte ich auch alles bestens arrangieren.“

Der „neue” Sound der norwegischen Ausnahmegruppe überrascht doch mit einigen unerwarteten Änderungen ausufernder Tragweite.

Hat sich der Meister denn dabei auch von diversen Bands beeinflussen lassen?

„Die Szene schwemmte in den letzten Jahren dermaßen viele neue und hochinteressante Acts an Land, was aber auch leider eine Vielzahl an vergleichbar schlechten Bands mit sich brachte. Zu den guten zähle ich persönlich Opeth, My Dying Bride, Anathema und Dark Tranquillity. Auch entdeckte ich viele großartige Progressive Rock Bands aus den 1970ern, darunter Camel, Jethro Tull, Mike Oldfield, speziell seine ersten Alben, und Pink Floyd. Auch lasse ich mich gern von klassischer Musik in den Bann ziehen. Meine Favoriten daraus sind Karl Orff, Ludwig van Beethoven, Giuseppe Verdi und auch Sergei Rachmaninov.“

Da wollen wir doch auch gleich noch mal die metallische Loyalität von Alexander auf Festigkeit abklopfen. Hat der Mann denn Favoriten aus der Blütezeit des Heavy Metal, den 1980ern?

„Ja, Drummer Rudi M. Junger, Gitarrist J.P., Keyboarder Mikael Stokdal und ich hören sehr viel kultiges Zeug aus dieser Periode, was uns auch bei Myriads immer wieder sehr beeinflusst. Wir lieben alle die alten Metallica. Mikael hat einen ausgeprägten Black Metal-Background, während Rudi and J.P. schon während mehrerer Jahre in einigen Thrash Metal-Truppen agieren.“

Den „neuen“ Metallica ist es sicher auch ziemlich egal, wer von den alten Fans noch auf ihre Lieder abfährt. Apropos: Was sieht der Bandboss von Myriads denn, wenn er in die Zukunft des Gothic- und Dark Metal schaut? Alexander:

„Es wird in allen Metal-Sparten immer wichtiger, originelle Songs zu schreiben und diese innovativ zu spielen. An diejenigen Gruppen, welche diese Aufgabe mit Bravour meistern, wird man sich in der Zukunft noch erinnern. Die Namen so vieler anderer Bands dagegen werden mit der Zeit einfach verpuffen. Es gibt einfach so Vieles, was veröffentlicht wird. Wer soll da noch durchblicken?“

Das ruft die Frage auf den Plan, wie weit die musikalische Entwicklung bei seiner Band Myriads wohl noch gehen wird.

Die Antwort darauf gibt Alexander gerne:

„Auf `Introspection` haben wir die verschiedensten Typen von Songs platziert. `Portal To The Mind` beispielsweise ist ein sehr langer, epischer Track mit weitgefächerter musikalischer Bandbreite. Er ist stellenweise sehr heavy, und doch wieder ziemlich getragen. `Inside` dagegen enthält Piano-Parts, das erwähnte Streichsextett, den genannten Männerchor sowie Monas herrliche Stimme, während `Falling In The Equinox` ein komplettes Akustikstück darstellt. Mit `Falling In The Equinox` wollte ich mal etwas ganz anderes ausprobieren und von einem reinen Akustik-Track habe ich schon immer geträumt. Im Moment ist es mir unmöglich, die kreative Zukunft von Myriads vorherzusagen. Wir werden uns auf jeden Fall niemals selbst limitieren und versuchen, so innovativ wie nur möglich zu sein. Ohne aber unsere Wurzeln zu kappen, welche Black- und Death Metal-Gesang beinhalten.“

Der aktuelle Albumtitel „Introspection“ klingt sehr metaphysisch. Was hat er für den Chef der Band zu bedeuten? „Der Titel steht für das Hauptthema auf `Introspection` und behandelt diverse Geistes- und Seelenzustände. `Introspection` ist generell die schätzenswerte Fähigkeit, tief in sich hinein zu sehen. Wir behandeln die verschiedenen, damit gemachten Erfahrungen.“

Ganz schön fachbezogen bisher, diese ewige Fragerei. Deswegen will ich abschließend noch von Alexander wissen, ob das blonde Gift Pamela Anderson auch seine Traumfrau ist oder ob er eher naturgegebenen Frauenverlockungen anheim fällt. Wir erfahren:

„Mann, also so was hat mich wirklich noch niemals ein Journalist in Interviews gefragt; Respekt! Alles was ich allerdings dazu hier sagen möchte, ist, dass ich meine Traumfrau und Lebenspartnerin schon gefunden habe und sie diesen Sommer 2002 heiraten werde.“

© Markus Eck, 19.03.2002

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