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Interview: NAGLFAR
Titel: Bestialische Schönheit

Die unerträglichen Qualen des Wartens auf ein neues Album werden nun durch ihr aktuelles Grandios-Opus vollständig gelindert.

Naglfar legen mit „Sheol“ das erwartete Meisterwerk vor, eine alles mit Eis überziehende Sternstunde an kompositorischen wie auch instrumentellen Geniestreichen.

Der ebenso bestialisch schöne wie pfeilschnell umgesetzte und hyperpräzise gespielte Melodic Black Metal des schwedischen Idolquintetts verzückt aufgrund seiner betörend bösen Brillanz Melodic Death- und Black Metal-Anhänger gleichermaßen.

Dies sicherte der künstlerisch hoch thronenden Eliteband schon gleich mit der Veröffentlichung ihres 1995er Debütalbums „Vittra“ die unangefochtene Position von rangvordersten Erstligisten der gesamten Branche.

Und an dieser Stellung hat sich bis heute nicht das Geringste geändert. Ebenso wenig hat sich an der persönlichen Einstellung von Bassist und Nebenvokalist Kristoffer ,Wrath‘ Olivius geändert, welcher seit 1992 dabei ist.

„Die lange Veröffentlichungsverzögerung des neuen Albums geschah bestimmt nicht freiwillig. Wir hatten wirklich immense Probleme mit diversen Drummern. Und zudem mit Rehearsal-Plätzen. So wechselten wir unseren Proberaum mehr als zehnmal; was das für einen Aufwand bedeutet, kann sich sicher jeder vorstellen.“

Dann zieht er die Augenbrauen noch höher: „Wir wohnen hier in der Universitätsstadt Umeå, und es gibt immer wieder Probleme mit den Räumlichkeiten. Denn der überwiegende Teil der Bevölkerung hier ist wirklich erzkonservativ. Unsere Musik stellt für die die Hölle dar“, nimmt Viersaitenbiest Kristoffer eingangs Stellung zur Wartezeit auf „Sheol“.

Der im Gespräch jederzeit sehr ruhig und bedachtsam erscheinende Schwede, welcher auch noch bei den aus seiner Gegend stammenden Schwarzmetall-Dämonen Setherial kreischt, berichtet weiterhin zur Entstehungsgeschichte der neun neuen Stücke, welche allesamt infernalische Killer-Kompositionen geworden sind:

„Der erste Track, welchen wir direkt im Anschluß an die Aufnahmen unseres zweiten Album `Diabolical` schrieben, war `Of Gorgons Spawned Through Witchcraft`. Dieser Song fand auch seinen Platz auf unserer 2001er EP `Ex Inferis`.“

Das restliche Material für die neue Scheibe entstand nach und nach. „Wir waren noch nie eine Band, die ständig nach einer neuen Veröffentlichung drängt. Wir nehmen uns die Zeit, die wir brauchen, bis ein Song unserer Meinung nach absolut perfekt ist. Auch wenn unzählige Fans uns über die Jahre nicht minder viele Anfragen und Bittgesuche nach einem neuen Album zukommen ließen.“

Naglfar sind vollauf besessene Perfektionisten, das stellt Kristoffer nachfolgend ganz eindeutig klar. Der sich auf der Homepage seiner Melodic Black Metal-Formation als Menschenschädel- und Gebeinsammler ausgebende 27-jährige offenbart:

„Als wir den überwiegenden Großteil des Songwritings zu `Sheol` im Kasten hatten, konnten wir aus vielen Liedern die besten auswählen. Nur diejenigen, welche uns gut genug erschienen, wurden verwendet. Ein Song von Naglfar hat von seiner ersten bis zu seiner letzten Sekunde perfekt zu sein. Vorher geben wir keine Ruhe.“

Solcherlei hoch angelegtes Qualitätsstreben läßt sich aber laut Aussage des wieselflinken Bassisten nur mit absoluter Band-Demokratie erreichen.

„Bei uns darf bezüglich des Songwritings und der Ausarbeitung jeder Einzelne mitreden, schließlich soll jedes Instrument das Maximum an Spiellaune wiedergeben. Das ist gerade bei unserem in jeder Hinsicht doch sehr extremen Sound von immenser Wichtigkeit.“

Trotzdem legen Naglfar keinen Wert darauf, ihre Musik kategorisiert zu sehen: „Wir möchten uns selbst keinerlei Stempel aufdrücken, wir sehen uns daher simpel gesagt als Metal-Band – und nichts anderes.“

Anfangs noch von älteren traditionellen Schwermetall-Truppen beeinflußt, gesellten sich über die Jahre Bands wie Dissection, Unanimated und alte Tiamat zu den Inspiratoren für ureigenen Naglfar-Sound, wie mein Gesprächspartner resümiert.

„Die traditionellen Metal-Einflüße sind noch sehr gut auf unserem Debütalbum `Vittra` zu hören. Diese wollten wir trotz einer steten Weiterentwicklung in Sachen Härte und Schnelligkeit auch weiterhin beibehalten, was auch gut geglückt ist. Denn obwohl wir mit der Zeit härter, brutaler und auch bösartiger geworden sind, nehmen flüssige, eingängige Melodien und durchgehend nachvollziehbares Songwriting einen großen Stellenwert bei Naglfar ein.“

Vor nicht allzu langer Zeit heuerte zudem Rhythmusgitarrist Marcus Norman als festes Besatzungsmitglied an Bord der kurs- und zielsicheren Nagelfähre an.

Man kennt Norman bereits von Bewitched, Dissection und Ancient Wisdom unter seinem dortigen Pseudonym Vargher.

„Wir arbeiteten schon früher mit ihm zusammen, Marcus spielte für unser zweites Album `Diabolical` das Klavierstück `A Departure In Solitude`. Für `Sheol` brachte er neben seiner Rhythmusgitarrenarbeit auch die ganzen Keyboard-Passagen ein. Keyboards sollen bei uns aber nach wie vor nur als hintergründig atmosphärische Untermalung dienen, live werden wir sie sowieso niemals verwenden.“

Ebenso interessant wie mystisch ist Kristoffers Erklärung des geheimnisvoll wirkenden Bandnamens:

„Der Name Naglfar stammt aus der uralten nordischen Mythologie. Er steht für ein mächtiges und unaufhaltsames Gefährt, welches aus menschlichen Fingernägeln gebaut ist. Seine riesigen Segel sind aus Menschenhaut. Es wird vom ultimativen Bösen gesteuert und wenn es sich der überlieferten Legende nach einst in Bewegung setzt, ist das Ende der Welt gekommen.“ Man kennt die finsteren Fährmänner bereits: „Sheol“ ist ihre teuflische Bordmusik.

© Markus Eck, 25.02.2003

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