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Interview: NEBELHORN
Titel: Gemäß ureigenen Grundsätzen

Wieland. Ein Mann. Eine Mission. Viking Metal. Unter dem wehenden Banner des Namens Nebelhorn. Stets gemacht mit literweise Herzblut.

Auch das aktuelle zweite Vollalbum „Fjordland Sagas“ ist massiv getränkt mit dem roten warmen Lebens-Dicksaft, was auf diesem neuen Großepiker-Diskus wieder so allerlei künstlerischen Passionen mannigfaltig-breitflächige Entfaltungs-Podien bietet.

Immer wieder einhergehend mit wunderprächtig rhythmisierten Rasanzen, brechen sich die heldenhaft angelegten Krieger-Kompositionen erneut machtvoll ihre Bahnen. Instrumentell lassen es die Beteiligten dabei ebenso hammerhart wie spielkulturell ergötzlich versiert zugehen.

Zur späten Ruhm gebenden Ehrung historischer wikingischer Kampfestaten und altnordischer Glorie lassen Axtschwinger Wieland und seine so übermächtig aufspielende Donnerhorde auf „Fjordland Sagas“ also gleichfalls streitlüstern wie siegestrunken sämtliche Notenskalen nachhaltig heftig erzittern.

Unsere beider Stimmbänder beben hingegen nicht minder, als Wieland und ich erneut heftig über Musik und das Leben an sich debattieren.

Wie er den Erfolg von Nebelhorn immer wieder persönlich so erlebt, das ist für den Musikus laut eigener Aussage wirklich schwer zu beschreiben:

„Ich bin jedenfalls überglücklich immer wieder zu hören – und auch zu lesen –, dass meine CDs sehr gern bei anderen Leuten im Abspielgerät kreiseln. Natürlich haben mich auch manche Reviews bislang schon vom Hocker gerissen (15/15 Punkte im Legacy zu „Gen Helwegs Grund“ beispielsweise) und mich damit zu wahren Freudentänzen und zum Feiern veranlasst. Am meisten freue ich mich über die ganzen privaten Emails und mein Homepage-Gästebuch, in dem ich solche Sachen immer wieder lese – denn für mich ist das der wahre Lohn: Also die Freude mitzuerleben, die die Leute mit meiner Musik haben“, lässt der Zielstrebige eingangs verlauten.

Was den Kerl nun genau zu solcherlei kernigem Klangtreiben animiert, da spielen für ihn noch immer sehr viele Faktoren eine Rolle, wie er mir bekennt:

„Die große Liebe zur Musik an sich sowie die ganzen heldenhaften Geschichten aus alten Zeiten – so farbenfroh, unterhaltsam und Mut gebend erzählt. Auch habe ich immer riesige Freude am Erdenken der Liederreime für meine Texte, seien sie nun aus alten Erzählungen entlehnt oder meine eigenen Geschichten. Es erfüllt mich dazu mit Inbrunst, dazu passende Melodien zu kreieren, die dem Text und seinen Emotionen gerecht werden – und eben nachfolgend diese Leidenschaft und Freude über das Vollbrachte mit den Hörern zu teilen.“

Einflüsse und Inspirationen bezieht der spielfreudige Wikingermusikant von vielen gemalten beziehungsweise gezeichneten Bildern, wie er verkündet:

„Aus Büchern, entweder meinen eigenen, oder denen meiner Frau – also einer Ansammlung faszinierender Fakten aus meinem überquellendem Geschichtsbücherregal. Geschichten eben, aus dem Leben anderer in der uralten Zeit, in die ich mich tief hineinversetze. Sagen beispielsweise aus der Edda, sowie eigenen wunderschönen Erlebnissen in der Natur in den verschiedenen Jahreszeiten. Ich liebe es beispielsweise, zu sehen, wie die Sonne durch grünes Blätterdach fällt oder im weißen frischen Schnee herumzustapfen. Auch von Filmen lasse ich mich gerne inspirieren, welche durch annähernd perfekte Momente beim Zusammenspiel von Musik und Geschichte bei mir eine Gänsehaut erzeugen – sei es nun auf tragischer, heldenhafter, aufopferungsvoller oder rein leidenschaftlicher Basis. Dazu verarbeite ich musikalisch einen Riesenfundus verschiedenster Musikstile, die ich seit dem Kleinkindalter in mich aufsauge. Doch auch sonstige Erfahrungen, wie zum Beispiel die Meinungen anderer Leute zu meinen vorhergegangenen Musikwerken und teilweise auch ihre spezifischen Wünsche tragen zur Entstehung neuer Nebelhorn-Stücke bei. Auch meine persönlichen Erfahrungen im Leben und gar die Tagesverfassung, mit der ich ein Lied beginne, spielen auch noch eine Rolle.“

Ich will nachfolgend ganz genau wissen, worum genau sich die Liedertexte auf dem aktuellen Album „Fjordland Sagas“ so drehen. Axt-, Helm- und Bartträger Wieland legte mir das Ganze nur zu gerne dar. Wir erfahren:

„Der Wogen Pfad“ – ist eine rein instrumentale Introduktion, bei welcher ich mir vorstellte, wie ein Mann, der gerade auf einem Knörr (Wikingisches Handelsschiff) sein Instrument hervorholt, und beim Rauschen der Wellen, die am Boot vorbeiplätschern, dieses Lied ersinnt. Die ersten Töne erklingen, er sinniert und so kommt immer mehr Struktur in das Lied – solange, bis er nachdenklich wieder damit aufhört und sich der anfallenden Arbeit widmet. Ein kurzer, aber besonders schöner Moment im Leben dieses Menschen.

„Beutefahrt“ – Alles begann mit zwei Sätzen in einem meiner Bücher: „Wer nun glaubt, ein Beutezug war ein episches Vergnügen für heldenhafte Abendteuerhäscherei, der könnte falscher nicht liegen. Tod war allzu oft der Preis, den die Nordmänner zu zahlen hatten, ganze Sippen verendeten bei einem Scheitern der Fahrt.“ Da packte es mich: Ich wollte keine Epik bei dieser Thematik, denn sie schien mir dabei unangebrachter denn je. Ich wollte so echt und emotional nachvollziehbar machen wie irgend möglich, dass dies ein hartes Pokern mit dem Leben vieler Nordmannen war. Wenn zu viele Krieger solche Waghalsaktionen, etwas anderes waren Beutefahrten nicht, nicht überlebten, ja, dann war eine Sippe möglicherweise schon tot ohne es wirklich zu wissen. So sind das Lied und sein Text zwar voller Hoffnung und Mutmache des Anführers, aber jeder seiner Kämpfer weiß trotzdem ganz genau, was auf dem Spiel steht.

„Verrat“ – eine selbst erfundene Geschichte, in der es um Leif, einen Freund des Jarls, der von seiner Reise aus Byzanz (ja, ich überlege an einer Vorgeschichte) heimkam, prompt nach seiner Ankunft von einem Boten des Jarls zu seinem Hof einberufen wird, um ihn zum bevorstehenden Allthing zu begleiten, doch alles kommt anders. Der Song ist dementsprechend „gegliedert“: In Vorgänge der Erzählung, schnelle Passagen voller Wut und Geschwindigkeit, sowie mystische Passagen voller Zweifel, Uneinigkeit und Angst.

„Der Zeiten Wende“ – die Edda-Geschichte vom Kampf zwischen „Gut“ und „Böse“ und dem daraus resultierenden Untergang der alten Welten, dem Fall des Weltenbaumes Yggdrasil. Rasend, kurzatmig, hektisch, düster-episch, aber auch mit dem Aspekt der Wiedererstehung durch die „Beseitigung“ der angestauten Untaten der Menschen, der Thursen und gar der Asen – ja, auch die waren nicht ohne. Eine hoffnungsvoll-beschauliche Melodie untermalt dies. Doch wollte ich das Ganze auch mit dem „Nicht aus Fehlern lernen“ der Menschheit in Verbindung bringen, wodurch auch diese unsere neue wunderbare Welt wieder in Asche zerfallen könnte, wenn nicht endlich mal kräftig über das Handeln von uns Menschen nachgedacht wird.

„Fenrirs Brut“ – ein Rudel ungewöhnlich großer Wölfe überfällt ein kleines Dorf im Schutze einer eiskalten Winternacht. Ein hektischer Kampf der Dorfbevölkerung gegen die Dunkelheit und den bis dahin unbekannten Feind beginnt. Ein reines Hochtempolied, das eine dramatisch-kalte, aggressiv und angespannte Atmosphäre zum Ausdruck bringen soll.

„Lokis Kopf“ – zu diesem Lied hat mich ein Hörbuch inspiriert, das wir bei einem guten Freund im Auto hörten. Ich wollte eine Art „Metal-Hörbuchgeschichte“ realisieren. Resultat: Eine beinahe Eins-zu-eins-Umsetzung der Eddageschichte, also „das Wettschmieden der Zwerge“ in eine sich reimende Textform mit fast allen noch so kleinen Ereignissen. Dementsprechend ist das Ganze auch sehr lang geworden. Das Geschichtsthema des Liedes ist musikalisch also eher listig, dynamisch, heiter verschlagen, oft im Wechsel zu den Lügen und Gedanken von Loki, die dann in das Zwergen-Thema münden – und das darauf immer wiederkehrende Spiel mit der Fliege (Loki). Gitarre, Schlagzeug und Gesang orientieren sich taktmäßig am Blasen von Brokk´s Blasebalg, wobei sich solange untereinander abgewechselt wird, bis das Unvermeidliche geschieht und Loki beim dritten Attentat auf Brokk sein Ziel erreicht hat. Ein Lied also, in dem der Text eine sehr hohe Priorität besitzt.

„Fjordland Sagas“ – ein absolut emotionaler Ausklang, während dessen Erstellung ich mir vorstellte, die Fjorde und die Berge vogelgleich zu beschweben und deren atemberaubende Schönheit niemals vergessen zu wollen – wie eben auch all die Geschichten, Erlebnisse und alle schönen Momente meines Lebens bis jetzt. Auch hat mich der Wunsch derjenigen Hörer dazu inspiriert, die sich mehr Gitarrensoli und -Leads wünschten – was ja auch noch ein bisschen in den anderen neuen Liedern enthalten ist. Einige 80er Metal-Videos sind daran aber wohl auch nicht ganz so unschuldig, in denen Gitarrenhelden in weißen Turnschuhen ihre Soli immens beherzt in ihre bunten Saitenexoten zauberten, während ihre Föhnmatten vom Wind nach hinten trieben – und dabei das bis dahin unbekannte Gesicht freilegten.“

Wie ich schon in meiner vorangegangenen Kritik zum neuen Nordmanns-Manifest „Fjordland Sagas“ niederschrieb, war meiner Einschätzung nach der geniale Albumvorgänger „Gen Helwegs Grund“ kompositorisch eindeutig abwechslungsreicher und melodisch vielfältiger beziehungsweise komplexer und dabei eingängiger angelegt.

Gerne hätte ich darüber beziehungsweise über den Grund dafür ausgiebig diskutiert, doch Wieland winkt da nur herzlich lachend ab: „Der Grund ist deine dir in die Wiege gelegte persönliche Meinung, würde ich mal sagen.“

Nun gut. So klingt ein stolzer Recke, der sich nicht so schnell beirren lässt. Da wir gerade dabei waren, erkundigte ich mich bei der Gelegenheit gleich auch noch über die Charaktereigenschaften, welche seine Mitmenschen ihm so nachsagen.

„Da habe ich schon eine ziemliche Palette durch. Was ich recht oft zu hören kriege, ist meist mit einem Lachen begleitet und lautet: „Du bist zu hart“. Das wohl zum einen, weil ich bei Unterhaltungen selten weder ernst noch sachlich bleiben kann beziehungsweise ich mich zu oft dazu hinreißen lasse, eine flachsige oder derbspaßige Bemerkung zum Thema fallen zu lassen, zum anderen manchmal so zerstreut in meiner Gedankenwelt rumhänge, das ich nur konfuses Zeug von mir gebe. Freilich, ich begegne jedem offen, wenn ich froh bin, voller Tatendrang, das sieht und merkt man mir stets an und ich gebe auch gern etwas davon ab. Ich mache aber auch kein Geheimnis daraus, wenn es mir mal nicht so gut geht, oder mir etwas nicht gefällt beziehungsweise etwas unklar oder im Argen ist. Darum, weil ich diese Sachen gerne stets schnell aus der Welt haben möchte.“

Ein echter Herzmensch also, wie es sich auch gehört. Im Anschluss daran möchte ich wissen, ob und wie er als leidenschaftlicher Viking Metal-Musiker eigentlich die heidnischen Grundsätze auslebt. Und Wieland folgt da ganz seinen ureigenen Grundsätzen, Bedürfnissen, Leidenschaften und Zielen: „Aber dies tue ich immer mit auf die jeweilige Situation angemessener Besonnenheit. Nämlich um dabei ehrenhaften Umgang mit dem Gegenüber zu erreichen, selbst, wenn er nicht meiner Meinung sein sollte. Da oftmals jeder ganz andere Vorstellungen über eine Sache hat, selbst wenn man eigentlich dasselbe Grundinteresse hegt, ist das von entscheidender Relevanz. Um dem Gegenüber die Möglichkeit zum Nachdenken zu geben. Und um ihn entscheiden zu lassen. Eben so, wie ich es mir selber von anderen wünschen würde.“

Es hat sich doch eine ganze Menge getan in den letzten Jahren in der deutschen Viking Metal-Landschaft, und leider geschah dies wie so oft nicht selten zum Negativen hin.

Ich hake somit nach, wie also ein an sich passioniert agierender Musiker und Mensch wie Wieland persönlich zur „Szene“ beziehungsweise ihren immer umfangreicher werdenden Verwässerungen steht. Er gibt dazu zu Protokoll:

„Kommt ganz darauf an, was du mit „Verwässerung“ genau meinst. Leute kommen und gehen in den einzelnen „Szenen“. Manche gehen früher, weil es nicht mehr „cool“ ist und der Kumpel ja auch nicht mehr mitmacht, oder manche gehen wegen neuen Partnern, auf die sie sich komplett fixieren. Einige gehen, weil es keine Kohle mehr bringt, ihnen einfach nichts mehr dazu einfällt, oder sie sich ganz einfach nicht mehr damit identifizieren können. Ich persönlich freue mich über die ganzen Leute, die mit mir meine Musik erleben, und bei denen ich merke, dass ich es mit netten Individuen zu tun habe. Das mag vielleicht nach „Rosa Brille“ klingen, aber was möchte ich denn sonst in dieser Szene? Will ich sie umkrempeln, ihr etwas aufzwingen? Oder, noch schlimmer, nach meinen Idealvorstellungen formen? Oder mit denen, mit denen ich gut auskomme, Freude und Begeisterung erleben beziehungsweise teilen? Man hat letztlich selbst die Wahl, finde ich.“

Was Musik an sich anbelangt, da hört dieser Bärtige sich privat schon so einige Gruppen an:

„Ich genieße gerne Klänge von den russischen Arkona, Eluveitie, Pantera, The Astral Symphony Orchestra, Kansas, Steppenwolf, ZZ Top – und noch vieles, vieles mehr.“

Eine bunte Mischung, so soll es sein. Im Weiteren erkundigt sich der Verfasser dieser Zeilen nach den Konsumvorlieben des Befragten, also, ob Wieland sich sein Nebelhorn auch hin und wieder mit Hochprozentigem füllt. Doch der ist eher Abstinenzler:

„Ich sage: Kinder spielen, um abzuschalten, um zu vergessen. Erwachsene saufen eben. Dann bin ich wohl nicht erwachsen, denn ich trinke sehr selten Alkohol; das mit dem „Ein Horn Met auf euch alle“ ist allerdings wahr. Ich war auch schon mal total „dicht“. Ich kann mich sogar noch genau dran erinnern, aber das gefiel mir gar nicht. Ich bin eben nur allzu gerne Herr meiner Sinne.“

Und das selbst in bittersten Zeiten, wie er mir anvertraut: „Ich glaube, dass jeder Mensch solcherlei schlimme Zeiten schon mal durchgemacht hat und sicher auch wieder erleben wird. Getröstet hat mich dabei immer zu wissen, dass, wenn man seinen Verstand einsetzt, hinterher alles wieder schöner ist. Beispielsweise, wenn einem jemand dabei hilft, in diesem Fall meine Frau, genau wie ich ihr helfe, wenn mal irgendetwas zu schwer wiegt. So hoffe ich auch in Zukunft auf ein schönes, gesundes und erfülltes Leben.“

Wir hoffen inständig mit ihm, dessen Weisheit hier durchklingt: „Der Sinn deines Lebens ist der Sinn, dem du deinem Leben selber gibst.“ Drei Bücher sollte er im Anschluss daran loben, und der langhaarige Wieland zögert nicht lange: „Per Anhalter durch die Galaxis“, „Das Hávamál“ sowie „Swords Of The Viking Age“.“

An der auf menschlicher Ebene unsäglich gewordenen Moderne hasst der von Historie begeisterte Mann grundsätzlich nichts, wie er klarstellt:

„Und wenn, dann kann ich gewisse Sachen „nicht leiden“, und eine Sache davon ist Hass. Zu hassen heißt nicht zu denken und dadurch noch mehr zu verderben – sich und andere Menschen. Es gibt so viele, die viele für das Leid verantwortlich machen, das ihnen einer zugefügt hat. Und dazu gehören auch Leute, die nicht dazulernen wollen, dass sie Leid verursacht haben, selbst wenn man es ihnen erklären möchte. Dieser Umstand brächte genau das mit sich, was also dem Hasser Genugtuung bringt und seinen Hass lindern könnte. Das ist aber in allen Epochen der Welt nicht anders gewesen. Die moderne Zeit brachte jedoch Errungenschaften zustande, die mich gar glücklich machen: Die Mbox beispielsweise und alle technischen Geräte, die einem Musik in einer solch großartigen Qualität in den Gehörgang schmeicheln. Ebenfalls liebe ich mein Mountainbike, nach Maß angefertigten Gehörschutz, und noch einiges mehr“, gibt mir abschließend ein wie so oft schelmisch lachender Wieland zum Besten.

Recht so, denn, wie die alten Chinesen schon sagten: „Das Leben meistert man lächelnd oder gar nicht.“

© Markus Eck, 03.01.2008

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