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Interview: RAGNARÖEK
Titel: Axt statt Feder

Eine nicht ganz ernst gemeinte Warnung für zarte Gemüter: Wenn dieser irrwitzig begeistert aufspielende Musikantenhaufen erstmal so richtig loslegt, dann gibt es kein Zurück!

Und wahrlich, die unbändige norddeutsche Mittelalter Metal-Zusammenkunft teilt aus wie selten. Da blähen sich Sackpfeifen bis zum Platzen, erdonnern Stromgitarren wie krachende Sommergewitter, schreien Fideln vor Wollust hoch auf und getrommelt wird bei Ragnaröek nach Art von Hammer und Amboss! Inklusive exzessiver Stimmbanddehnungen. Und vielem mehr.

Die oberhumorige Formation selbst tituliert ihre mitreißend fetzigen Klangentladungen ganz frech als Rag’n’Roll.

Und, ja, ins Rollen kommen hier nicht nur blitzschnell alle Flaschenverschlüsse, sondern auch sämtliche Hörersinne.

Ihr 2009er Debütalbum mit dem programmatischen Titel „Rache“ brachte der emotional so ungezügelten Lebensfreudetruppe einen gehörigen Popularitätsschub ein.

Ich hingegen schiebe meinen Fragenkatalog direkt vor den neuen Ragnaröek-Leadgitarristen Sigar den Schinder.

Seinen letzten Vollrausch hatte der sympathische Lange laut eigener Aussage „auf der Bühne“. Und gleich auch noch nach seiner Lieblingsbiersorte beziehungsweise seinem bevorzugten Met befragt, entgegnet er mit einem breiten Grinsen in aller sportlichen Kürze: „Alles was dreht.“ (…)

Nun denn, von einem aufgesetzten Image halten die Beteiligten ohnehin nichts, bei Ragnaröek soll es ehrlich zugehen. Als sein ganz persönliches Lieblingstier nennt der Saitendehner den Werwolf. „Kraftvoll, zerstörerisch und dem Monde zugewandt.“

Mit dem vorliegenden aktuellen Album-Endresultat ist mein Gegenüber im Reinen. „Ich denke wir können mit dem Album zufrieden sein. Wir waren sehr gespannt und dann hocherfreut über die Feedbacks. So gab es beispielsweise vom Rock Hard Magazin 7,5 von 10, vom Orkus Magazin sogar 8 von 10 Punkten. Natürlich gibt es immer Dinge, die einem im Nachhinein auffallen, und ich persönlich war ja auch nicht maßgeblich daran beteiligt, da ich erst kurz danach in die Band kam. Grundsätzlich beschäftigen wir uns eher mit Neuem, denn das birgt mehr Potenzial für die Bandentwicklung.

So bekommen diese frenetischen Musikanten mittlerweile auch weltweit Dank- und Respektbekundungen, wie Sigar wissen lässt.

„Gerade aus den Staaten, Japan und Europa. Wichtig für uns ist, dass diese immer von uns persönlich und schnellstmöglich beantwortet werden.“

Ich gehe anschließend zu den Liedertexten der Gruppe über beziehungsweise, woher das Interesse der Horde an den dargebotenen Themen stammt. Sigar expliziert:

„Erstmal um Lebenskampf, Feiern bis zum Umfallen und natürlich Sex! [lacht] Also eben volle Breitseite das Leben an sich. Jeder Mensch braucht Bilder, um die Härten und Freuden die einem das Leben bereitet zu verarbeiten. So haben wir manchen Text eher mit der Axt in den Fels geschlagen als mit der zarten Feder auf Pergament gekritzelt. Unser bevorzugten Lyriker sind: C. E. Wagner, Walter Moers, Ken Follet und Wolfgang Hohlbein. Einen Cheflyriker gibt es bei uns in dem Sinne nicht, allerdings werden die meisten Texte von unserem Sänger verfasst oder bearbeitet.“

An der mittelalterlichen Mythologie mit all ihren Mysterien und Legenden fasziniert die Band die Bedeutung der Kraft des Einzelnen.

„Der Schmied beispielsweise war nicht maschinell zu ersetzen. Und Musik gab es nicht vom Silberling sondern nur von den Spielleuten“, so der Griffbrett-Maniker.

„Inspiriert werden wir daneben auch von allerlei alten Sagen und der Edda sowie beispielsweise dem Nibelungenlied. Fantasy-Geschichten wie 'Kane', 'Drachenlanze', 'Herr der Ringe' usw. waren Inspiration für dieses Albumwerk.“

Trotzdem stehen die Mitglieder der Gruppe voll und ganz in diesem Leben, so der Gitarrist mit aufrechter Stimme. „Und wir können es auch mit vollen Zügen genießen. Wir mögen das Echte. Die Welt der Mythen und Sagen wird von uns als Bereicherung, nicht als Ersatz gesehen.“

Wir sprechen im Weiteren über vergangene und kommende Live Aktivitäten. „Es ist ein ständiges auf und ab. Von Wacken bis zum kleinsten Club wird alles mitgenommen. Entscheidend ist, dass wir nach jedem Konzert mit dem Publikum einer Meinung sind. Ruhm wird einem nicht geschenkt, man muss ihn sich verdienen“, konstatiert der Gitarrenmann zurecht.

Die von ihm bei Ragnaröek kreierte Musik stellt für Sigar einen guten Hintergrund dar, wie er zu berichten weiß, um seine raue Seele daran zu reiben.

„Ich entfliehe nicht der heutigen Welt, sondern schaffe mir eine eigene hinzu.“

Und gar selbst ein eigenes erstes Album zu erstellen, das war für diese Norddeutschen laut seiner Aussage ein großes Abenteuer.

„Wir sahen uns bis dato als reinen Live-Act an. Den Spirit vom Schmied und seinen Feueramazonen, gepaart mit einer ordentlichen Portion Rag'n'Roll galt es mit einzubinden. Das Album ist der musikalische Abschluss der Songs, so werden sie gespielt, und so lassen wir sie auf die Leute los.“

Die Teamarbeit in der Band an sich ist letztlich aber viel entscheidender für die Entstehung der Kompositionen geworden, wie Sigar ergänzend informiert.

„Das Grundkonzept ist geblieben, allerdings steckt nun in jedem Song mehr von allen Musikern. So lauschet aufmerksam, was demnächst dann Neues präsentieret wird“, weist er die entsprechende Hörerschaft dazu an.

Und der Kerl ergänzt voller Überzeugung, selbst sehr gerne noch immer Branchenhelden wie In Extremo, Subway To Sally oder Schelmish zu hören.

Ragnaröek sind durch viel Arbeit und schöne Erlebnisse fest zusammen gewachsen, sodass sie in allen Höhen und Tiefen als Freunde zusammen stehen können.

„Wir wohnen dicht genug aneinander, um schnell zusammen zu kommen, und weit genug auseinander, um uns nicht gegenseitig auf den Sack zu gehen.“

Geprobt wird regelmäßig, wie in Erfahrung zu bringen ist. „Was 2010 anbelangt, freue ich mich am allermeisten auf die bestätigten Konzerte, das neue Album, den Videodreh, die vielen neuen Leute die ich kennen lernen werde und natürlich auf Uschi“, entfährt es ihm zum Abschluss des Interviews.

Doch zu „Uschi“ selbst hält er sich geheimnisvoll bedeckt. Ein echtes Schlitzohr eben, dieser herzlich-pfiffige Saitenschinder.

© Markus Eck, 14.11.2009

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