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Interview: SALTATIO MORTIS
Titel: Die zusammen durch dick und dünn gehen

Sein 2013 war wirklich turbulent. Mit seinen treuen Spielleuten von Saltatio Mortis hat Frontfigur und Kämpferseele Alea ein Jahr hinter sich gebracht, in dem sie ganze drei Releases auf die Beine gestellt haben: Die Live-Veröffentlichung „Manufactum 3“, das neue Studioalbum „Das schwarze IXI“ und zu guter Letzt „Provocatio“, die erste mittelalterliche DVD und Blu-ray Disc.

„Es war ein Jahr mit unglaublichen Erfolgen und keinerlei Zeit, diese auch nur irgendwie zu feiern. Auch die Tour zu unserem aktuellen Rockalbum war der absolute Wahnsinn. Noch nie hatten wir so viele Gäste und so überwältigende Shows zu verzeichnen. Also alles in allem ein rasantes und begeisterndes 2013, ohne Zeit zum Luft holen“, resümiert der quirlige Kehlenakrobat, „wir hätten wirklich mehr Zeit zum Feiern gebraucht, denn Anlass gab es auch im privaten Rahmen genug.“

Und so haben sich seine Hoffnungen und Erwartungen 2013 nicht nur größtenteils erfüllt, sondern sogar übertroffen, wie er konstatiert.

Für letzteres sorgte vor allem auch sehr seine absolvierte Reise nach China im Frühjahr des Jahres, welche ihn in den Shaolintempel von Henan führte, wie das Energiebündel sich rückblickend freut.

Alea strahlt: „Es ging für mich in den Muttertempel in der Provinz, in welchem die berühmten Kampfkünste 600 n. Chr. entstanden sind. Da ich Mitglied im Berliner Shaolintempel und in der dortigen buddhistischen Gemeinschaft bin, fragte ich Abt und Großmeister Shi Yong Chuan, ob er mir nicht den Besuch in Henan vermitteln könnte. Das Organisieren von Flug-Tickets, Visum etc. hielt mich auf Trab, hat sich aber letztlich vollauf gelohnt, denn die zweieinhalb Wochen waren einfach nur großartig für mich! Ich reiste mit einigen anderen Berliner Kampfkunstschülern, was sehr gut war, denn ohne fließend gesprochenes Chinesisch kommt man dort in der Abgeschiedenheit überhaupt nicht weit.“ [lacht lauthals]

Wie dazu noch von dem aufgeweckten Sänger zu erfahren ist, verhält es sich dort allerdings nicht ganz so klischeehaft, wie man als Unkundiger zunächst vermuten mag.

„Die Showtruppe beispielsweise besteht aus richtigen Schlitzohren, die den ganzen Tag allerhand humorigen Unfug im Kopf haben! Von denen hat auch jeder ein Handy, und die sind da auch nicht weniger beschäftigt damit als wir hier. Da sie keine richtige Mönchsweihe erhielten, ist ihr Bezug zum Ganzen auch nicht so eng wie bei den richtigen Mönchen. Sie wohnen zwar in den Tempelanlagen, sie essen und schlafen dort, aber letztlich wirkten sie auch mich wie extra für die Shows eingestellte Akrobaten. Ihre artistischen Fähigkeiten sind allerdings wirklich unglaublich, da sie dreimal zwei Stunden am Tag trainieren. Und da machte ich doch nur zu gerne mit! Dennoch strahlten diese Kerle eine Ruhe und Kraft aus, die auch einem echten Mönch zur Ehre gereicht. Mir hat der Aufenthalt jedenfalls sehr viel mehr gegeben als nur die reinen Reiseeindrücke, beispielsweise die Erkenntnis: Das allergrößte Glück liegt im Kleinsten. Und: Die wirkliche Grenze des eigenen Könnens ist nur der eigene Kopf.“

Gleich drei Releases in einem Jahr, das ist der bisherige Saltatio Mortis Rekord. Wie bewältigt man das überhaupt, ohne „auszudörren“, Alea?

„Ich habe das Glück, nur im Schaffensprozess der Releases eingebunden zu sein. Die geschäftlichen Wege leiten Lasterbalk und Falk. Für sie war es sicherlich um einiges schwerer. Aber ich muss dazu sagen, dass ich letztes Jahr mehr Zeit in Berlin verbracht habe, als ich je wollte. Unsere Blu-ray hat sich als Zeitfresser und Nervenzerreißer gleichzeitig entpuppt, da sie während der Tour zum ,IXI‘ fertig gestellt wurde usw. Es war nicht leicht, aber diese Gruppe von Verrückten hat mal wieder das getan was sie am besten kann: Enger zusammenstehen wenn es hart wird!“

Man fragt mit innerem Schmunzeln: Konnte Meister Alea privat beziehungsweise als Ehemann überhaupt genug Zeit für eheliche Pflichten aufbringen? Dieser bleibt entspannt:

„Meine Frau war in der Endphase ihrer Examensprüfungen, also hatten wir beide keine Zeit und niemand musste dabei ein schlechtes Gewissen haben.“


„Das schwarze IXI“ enthält auf lyrischer Ebene auch eindeutig Gesellschaftskritisches. Mit am meisten hat den Knallrotbärtigen diesbezüglich wieder einmal die Diskussion über die Veränderung der Band genervt, wie er informiert:

„Darin enthalten waren auch die Versuche von irgendwelchen Weichhirnen, uns aufgrund des Songs ,Wachstum über alles‘ doch tatsächlich in die rechte Szene rücken zu wollen. So manche Kommentare im Internet konnten einen da wirklich ärgern, vor allem, wie sich das unreflektiert ausbreitete. Da hatten die Verleumder aber nicht mit unseren wunderbaren Fans gerechnet! Die räumten nämlich schnell, unermüdlich und effizient mit diesem Unsinn auf, worüber ich noch immer gleichermaßen begeistert und dankbar bin. Ich sehe das Ganze als Paradebeispiel an, was den Zusammenhalt zwischen einer Band und ihren Anhängern angeht.“


Das Gespräch geht nachfolgend gezielt dazu über, wer für den Vollblutbarden der definitiv allergrößte Unmensch des Jahres 2013 ist. Hier nur einen Namen zu nennen, hält der Bühnenheld allerdings für völlig falsch. „Den allermeisten Hass haben sich einige unserer Spitzenpolitiker verdient - die Herren und Damen, die uns kaltschnäuzig ins Gesicht lügen.“

Doch neben so einigen negativ gesinnten Zeitgenossen stieß Alea auch auf eine Persönlichkeit, die ihn 2013 so richtig begeistern konnte.

Glücklicherweise sterben die wahren, unerschrockenen und mutigen Idealisten nicht aus.

„Dr. Scherbel, ein Orthopäde aus dem kleinen Bruchsal bei Karlsruhe! Nachdem ich nach einem Dreivierteljahr bereits die Hoffnung aufgegeben hatte, je wieder richtig Kung Fu ausüben zu können, gab mir dieser Arzt den Glauben an die deutschen Mediziner wieder zurück. Er nahm sich Zeit für mich und meinen Fall, schaute mal genauer hin und schon war der Alea wieder innerhalb von drei Wochen fit. Ich kann ihm eigentlich gar nicht oft genug Danke sagen.“

Inhaltlich zurückgelangt auf den musikalischen Sektor, und dabei zu seiner allergrößten persönlichen Enttäuschung in 2013 befragt, nennt der Vielseitige blitzschnell und sichtlich entschlossen „Love Lust Faith + Dreams“, das vierte Album der US-amerikanischen Alternative Rock-Band 30 Seconds To Mars.

„Herrje, nach Linkin Park nun die zweite Band, bei der ich nicht mehr auf den nächsten Release fiebere. Ganz anders dagegen unsere Freunde von Versengold und das Sideprojekt Hotze Knasterbart. Die Jungs haben einen unglaublich guten Fronter und sind musikalisch absolut über jeden Zweifel erhaben. Es gibt sie zwar schon etwas länger, aber für mich sind sie der Newcomer der Folkszene schlechthin. Wir hatten das Glück, mit ihnen unsere ,IXI‘-Tour zu bestreiten und wir hoffen, dass sie bald zu den ganz Großen zählen, denn da gehören sie für uns jetzt schon dazu.“

Sein persönliches Highlight in Sachen selbst gespielte Gigs war das „IXI“-Tourkonzert in Kaiserslautern.

„Am achten November 2013 spielten wir das erste Mal seit acht Jahren wieder in meiner Heimatstadt. Es war unglaublich schön. Der absolute Höhepunkt daran war für mich die Tatsache, dass erstmals meine komplette Familie auf einem Konzert zu Gast war. Und mein für mich schönster Festivalauftritt in diesem Jahr war definitiv das Summerbreeze 2013. Ich bin ein absoluter Breeze-Fan und dort um 0:00 Uhr nachts unser Releasekonzert zum ,Schwarzen IXI‘ geben zu können, war einfach nur himmlisch.“

Ein spezieller Film, der Alea sehr begeistert hat, war „The Grandmaster“: „Eine chinesische Produktion über das Leben eines Kung Fu-Meisters und seiner Herzdame. Ansonsten wartete ich gespannt auf den zweiten Teil des ,Hobbits‘.“

Was seine ihm wichtigsten Pläne für das frische neue Jahr angeht, in musikalischer, persönlicher und gesundheitlicher Hinsicht, so möchte er hauptsächlich gesund bleiben, wie er offenbart.

„Ansonsten bin ich sehr gespannt auf den zweiten Teil unserer ,IXI‘-Tour im März 2014. Die Termine findet man auf unserer Homepage. Und ich möchte mit den Jungs ein neues Saltatio Mortis-Album schreiben. Im Weiteren hoffe ich, wieder zum Shaolin-Tempel nach China fliegen zu können. Tja, und alles weitere soll das Geschick leiten.“

© Markus Eck, 05.01.2014

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