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Interview: SEPTIC FLESH
Titel: Ästhetische Brutalität

Diese Griechen dürfen neben Rotting Christ, Varathron und Necromantia zu den dortigen Schwarzmetallpionieren gezählt werden. Und ganz sicherlich zu den linientreuesten Verfechtern ihrer Art noch dazu. Denn trotz des mit den Jahren einhergehenden großen Erfolges änderten sie ihren delikaten Bandnamen nie.

Im März 1990 gegründet, entwickelten Septic Flesh eine bis heute einzigartige und hochatmosphärische Stilart ihres Genres, welche auch das neue Album „Sumerian Daemons“ prägt. Auf diesem ist neben den noch einmal forcierten neoklassischen Einflüssen und operettenhaften Parts glücklicherweise auch erstmals wieder die ehemalige Sopranistin der Band, Natalie Rassoulis, zu vernehmen.

Ohne seine musikalischen Hartwurzeln jemals ganz gekappt zu haben, legt das tiefdüstere Athener Symphonieorchester der metallischen Unterwelt auch mit „Sumerian Daemons“ ein opulent theatralisches und monströs anmutendes Klangkonstrukt aus undurchdringlichen Gitarrenwänden, alptraumhafter Melodik und apokalyptischen realen Chören vor.

„Der neue Albumtitel soll den einstigen sumerischen Geist des Wissens in Erinnerung rufen. `Daemons` ist ein Wort, welches aus der uralten hellenischen Sprache stammt. Im heutigen Zeitalter steht es hauptsächlich für die hohe Überlegenheit des menschlichen Geistes und des damit erreichten Wissens. Ich kombinierte es mit der Geschichte der ältesten menschlichen Zivilisation, den Sumerern. Sie wiesen eine für damalige Zeiten atemberaubende Hochkultur auf. Die Gegenwart und die Zukunft sind auf dieser Vergangenheit aufgebaut. Die überlieferten Glaubensbezüge, Gedanken und das Wissen inspirierten die nachfolgenden Generationen und auch die weiteren menschlichen Populationen. Die Namen und die Schauplätze mögen sich geändert haben, doch die Geschichte der Menschheit erinnert in den meisten Fällen an die Antike“, berichtet Gitarrist Sotiris V., seines Zeichens auch Klarsänger und Lyriker des trotz aller Brutalität sehr ästhetisch vorgehenden Quartetts.

Er fügt an: „Für die neuen Songs haben wir uns sehr viel Zeit genommen. `Unbeliever` beispielsweise handelt vom Stigma des religiösen Glaubens, welcher als Virus das Potential des Wissens zerstört. Oder `Virtues Of The Beast`, in welchem wir den animalischen Geist und die Natur des dunklen Herren preisen. Der Track `Infernal Sun` enthüllt die Machtmaschinerie des goldenen „Einäugigen Königs“, der die Blinden beherrscht, während der Titelsong eine Einführung in die sumerischen Geheimnisse erzählt.“ Textlich also hervorragend ergänzend zur monumental arrangierten aktuellen Totenmusik der griechischen Okkultmeister, wie zu erwarten war.

Neben dem Bandnamen an sich änderten Septic Flesh auch ihre Band-internen Philosophien bislang niemals. Sotiris verkündet hierzu mit deutlich spürbarem Stolz in der Stimme:

„Sie sind im Grunde die selben geblieben und heutzutage noch stärker und tiefer in uns allen. Erfahrung ist der beste Lehrer und ein offener Geist der beste Jünger. Unser Credo ist es, alles dafür nötige zu tun und aus gutem Grunde sämtliche geistigen Fallen zu umgehen, welche zu einer `Glücklicher Sklave“-Mentalität führen können. Wir realisierten des Öfteren den Fakt, daß wir auch nicht alles wissen, so wie niemand alles weiß. Aber der unserige individuelle Geist basiert auf dem Befehl der Logik, was die einzige Möglichkeit darstellt um zu größtmöglichem Wissen zu gelangen.“

Philosophisch sind sie ja zweifelsohne, diese Griechen. Aber auch eben auf okkultem Terrain sehr beschlagen, wie zu erfahren ist.

„Wir möchten unser Auditorium auf den Pfad des Zwielichtes mitnehmen, welcher zum Abgrund zwischen den Welten des Lichts und der Dunkelheit führt. Um eine Stimmungslage zu erzeugen, als wenn die Sonne am Horizont verschwindet und den Vorhang für die Unendlichkeit der Sterne hochzieht.“

Anschließend mußte mir der singende Saitenmeister mir endlich die tiefere Bedeutung des septischen Bandnamens aufschlüsseln.

„Diese Worte erschaffen unserer Ansicht nach ein starkes und extremes Bild vor dem geistigen Auge, welches eng mit unserer Musik verbunden ist und ein bizarres gedankliches Vorstellungspuzzle hervorruft. Das Fleisch ist die Kleidung des Lebens, aber es beinhaltet auch das Element des Defektes, der Verderbnis. Wenn also etwas existiert, was in Ewigkeit endet, ist es nicht das Fleisch.“ Sicher nicht.

Laut nachfolgender Aussage von Sotiris sind Septic Flesh keine Vereinigung von Misanthropen.

„Nein, wir verabscheuen nur die menschliche Dummheit, aber die fließt in unsere Musik nicht ein. Wir fühlen uns von der verborgenen Seite der Realität, ihrem dunklen Spiegel beeinflußt. Es sind in unseren neuen Songs ebenso viele differierende Emotionen porträtiert, wie die menschliche Seele Dimensionen aufweist.“

Das Ganze zu solcherlei Größe auszuarbeiten, hat sicher wieder einige Zeit in Anspruch genommen, oder? Sotiris: „Wir überarbeiteten die aktuellen Stücke immer und immer wieder, solange bis wir ihre Vollendung verspürten. Glücklicherweise haben wir unser eigenes Heimstudio und entsprechendes Equipment, mit dem wir dort arbeiten können. So konnten wir eine Vielzahl an Ideen und Arrangements ausprobieren und das verwenden, was uns am besten gefiel.“

Das ist deutlich auf „Sumerian Daemons“ zu hören. Ausgefeiltere und aufwendigere Arrangements bekommt man selten zu hören. „So fuhren wir auch eine rauhe Vorproduktion der Kompositionen, um einen ersten Eindruck von den Songs zu erhalten. Der Rest war daraufhin dann vergleichbar einfach. Anschließend fuhren wir nach Schweden ins Fredman Studio zu Produzent Fredrik Nordström und wußten schon ganz genau, was wir wollten.“

© Markus Eck, 03.02.2003

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