Interview: | SLECHTVALK |
Titel: | Temperamentvolle Schönheit |
In einer beinahe manisch modernen Zeit, in der Mülltonnen mit Schlössern versehen sind und in der man für vermeintlich unvergiftete „Bio“-Nahrungsmittel überteuerte Preise zu bezahlen hat – in einer befremdlichen Zeit also, in der man sich bald über nichts mehr wundert, erlangen einige Menschen immense Freude am Kreieren schwer kriegerischer Historien-Schwermetallmusik.
Das populäre Pagan Metal-Genre – es zog auch die Holländer Slechtvalk schnell in den Bann. Vor mutig heroischen Bekenntnissen und flammenden kämpferischen Leidenschaften nur so strotzender Bombastic Melodic Pagan Black Metal ist das absolute Pläsier des betont theatralisch aufspielenden Sechsertrupps. Vereinzelt scheint ihre atemberaubend dramatische Spielkunst gar als Monumentalfilm-Klangkulisse geeignet.
Ihr aktuelles drittes Album „At The Dawn Of War“ kracht ganz ordentlich, das jederzeit intensive Werk erfüllt nicht wenige Hörer-Sehnsüchte zugleich. Mittels eines aufwändig durchdachten Fantasiekonzeptes vermitteln die schöngeistigen Niederländer Weltenwanderer mit Inbrunst ihre selbst erdachte Mystikwelt. Daraus entführe ich Gitarrist und Schreihals Shamgar direkt vor mein Interview-Mikrofon.
„Im Moment fühlen wir uns allesamt sehr gut, denn wir sind sehr kreativ und arbeiten bereits mit Hochdruck an neuen Kompositionen. Wir hoffen, dass wir unser drittes Album gegen Ende 2007 aufnehmen können. Alle sind hier gerade mal wieder sehr motiviert, was sich hoffentlich auch bald in nicht wenigen erfolgreichen Konzerten manifestieren wird“, lässt der langhaarige Streiter eingangs wissen.
Rasch komme ich dann auf die Bedeutung des Gruppennamens zu sprechen.
Und der energische Saitenreißer erläutert hierzu:
„Slechtvalk ist das niederländische Wort für eine ganz spezielle Falkenart: Die schnellste und temperamentvollste, die auf der Welt überhaupt existiert. Aufgrund der Schönheit des Vogels und seiner Eigenschaften wählte ich den Namen für meine Band Slechtvalk.“
Nicht wenig geärgert hat mich als Verehrer ihrer aggressiven Sturm- und Drangklänge ehrlich gesagt das Gerücht beziehungsweise die Tatsache, dass einige der Bandmitglieder von Slechtvalk bekennende Christen sein sollen beziehungsweise sind.
Eigentlich ein Widerspruch in sich, möchte man meinen.
Dementsprechend aufgebracht, versuche ich den Anführer der wirsch agierenden Horde aus der Reserve zu locken.
Doch Shamgar bleibt dazu leider ziemlich besonnen: „Als Musikgruppe verbreiten wir keinerlei religiöse Botschaft. Unsere Texte sind frei davon. Wir berichten lediglich über persönliche Erlebnisse und Belange. Religionen sind in der Historie der Menschheit immer wieder von Regierungen missbraucht worden, um Menschen zu unterdrücken. Daher sollte jeder selbst frei entscheiden dürfen, an wen oder was er letztendlich glaubt. Wir verwenden daher keine existenten Mythen oder Legenden in unseren Lyriken, wir erschaffen da viel lieber unsere eigenen altertümlichen Ereignisse als Inspiration für die Liedertexte von Slechtvalk. Daher sehe ich keinen Widerspruch zwischen unseren Texten und unserem persönlichen Glauben.“
Nun, dies erklärt so einiges. Doch locker zu lassen ist diesbezüglich für mich überhaupt nicht drin. So rücke ich Shamgar hinsichtlich des Kontextes noch dichter auf den Pelz. Mit Erfolg, denn er wird jetzt deutlicher:
„Ich finde es sehr interessant, über alte Sagen, Überlieferungen und Legenden eine Sicht auf das Leben unserer Vorväter zu erlangen, auch darüber, wie sie Mutter Natur gegenüberstanden. Tradition allein ist für mich jedoch kein Grund, irgendeine Gottheit anzubeten – egal, ob christlicher, heidnischer oder etwa hinduistischer Herkunft. Ich bin sehr kritisch gegenüber solcherlei Thematiken und nehme eigentlich nie eine spezifische Meinung zu einer Sache an, nur weil jemand anderer sie erzählt beziehungsweise mir aufdrängen will. Ich betreibe stets meine eigenen Nachforschungen und akzeptiere nur das, was ich als richtig für mich erachte.“ Elegant aus der Affäre gezogen.
Wie fühlt sich solch ein tiefgründiger Denker dann eigentlich in einer unehrlichen Welt wie der gegenwärtigen, fragt man sich.
Shamgar erörtert seine persönliche Sicht der Dinge:
„Das große Problem mit vielen Menschen ist, dass sie eben nur noch an sich selbst denken. Der überwiegenden Mehrzahl der Leute ist es doch völlig egal, dass unter ihrem Profitstreben andere Lebewesen auf diesem Planeten sehr zu leiden haben.“
Doch auch im Tierreich ist solcherlei vermeintlich grausames Verhalten anzutreffen, wie der Niederländer seine Meinungsaussage anschließend expliziert.
„Männliche Löwen, die ein fremdes Rudel übernehmen, töten zuerst die Löwenkinder des vorherigen Anführers, um dessen Vermächtnis zu zerstören. Oder nehmen wir beispielsweise junge Adler: Diese töten ihre schwächeren Geschwister, wenn die Eltern nicht genug Futter heranschaffen können. Wenn ich die Natur der Erde samt den Grausamkeiten der Tiere gedanklich betrachte und mit denen der Menschheit vergleiche, komme ich immer wieder zu dem Schluss, dass die ganze Welt eigentlich nicht so ganz in Ordnung ist.“
Ansichtssache. Fest steht jedoch: Tiere handeln strikt nach genau dem angeborenen Instinkt, welcher ihnen seit Jahrtausenden den jeweiligen Fortbestand im perfektionierten System der Natur sichert. Und sie verschmutzen beziehungsweise schänden ihre Umgebung nicht rücksichtslos. Doch Anhänger der Christenlehre sehen dies eben natürlich grundlegend anders.
Der Autor ist der Auffassung: Bevor das Christentum mit Schwert und Feuer global ins Bewusstsein der Menschheit gepresst wurde, beteten die Völker ihre sie jeweilig umgebende Natur an. Seitdem die symbolische Machtfigur namens Jesus jedoch die ideelle Oberhand erzwungen hat, wird die Natur weitgehend sinn- und ziellos immer mehr zerstört.
Was nun die stilistische Selbstfindung von Slechtvalk anbelangt, so konzentrieren sich die Beteiligten laut Aussage des Gitarristen und Vokalisten nicht ausschließlich darauf, einem einzigen Stil zu frönen.
„Da verwenden wir doch lieber verschiedene Gestaltungselemente, um einen ganz individuellen und außergewöhnlichen Gesamtsound zu erzeugen – den Slechtvalk-Sound eben. In unseren Liedern finden sich Fragmente aus den Bereichen Death-, Doom-, Folk-, Viking- und Black Metal, doch wir lassen uns auch gerne von klassischer Musik beeinflussen. Alles dies kombinieren wir und erschaffen daraus etwas ganz Spezielles, was wir selbst gerne hören. Obwohl unsere Kreationen nicht wenig an die Sparten Black- und Viking Metal erinnern, so sehen wir sie viel vielfältiger. Nicht selten nennen wir unsere Musik selbst ganz simpel `Dark Metal`, weil diese Kategorisierung so weitläufig ist und beinahe alles Mögliche bedeuten kann.“
Und am kreativsten fühlt sich mein Gesprächspartner immer dann, wenn er glücklich ist oder sich in enthusiastischer Stimmung befindet.
„Immer dann fallen mir die wildesten Black Metal-Saitengriffe ein oder auch hin und wieder richtig gute Viking Metal-Riffs der alten Schule. Wenn ich mich eher weniger gut fühle, tendiere ich zu sehr traurig klingendem Gitarrenspiel.“
Persönlich hört dieser vielfach eigenwillige Musikant gerne Musik von Gruppen wie beispielsweise Dawn, Enslaved, alten Dimmu Borgir, Immortal, Dark Funeral und Amon Amarth an.
„Nicht wenigen Spielraum nimmt bei mir aber wie erwähnt auch die Klassik ein, nur zu gerne lasse ich mich hin und wieder von den alten Meistern und ihren genialen Werken verwöhnen. Auf diesem Sektor beeindruckt mich die ungeheure musikalische Tiefe, wovon eben auch eine ganze Menge in den Kompositionen von Slechtvalk steckt.“
© Markus Eck, 09.03.2007
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