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Interview: THE CREST
Titel: Denkanstöße

1996 als Melodic Doom Metal-Outfit gegründet, veränderten sich Stil und kreative Direktive dieser Osloer Musikanten nachfolgend simultan mit diversen Namensänderungen.

Nach und nach kristallisierte sich der charakteristisch poppige Gothic Rock-Sound von The Crest heraus. An das 2001er Debütalbum „Letters From Fire“ schließt das stets nachdenklich wirkende Norwegerquintett nun mit dem gelungenen Follow-Up „Vain City Chronicles“ an. Mit einer selten soliden Gitarrenbasis setzt die Band markante Kontraste. Das hörbar große Talent von Sängerin Nell ermöglicht zudem beeindruckend einfühlsame Vokallinien, welche sie mit einiger Ausdrucksstärke inmitten der neuen Songs mittels kräftiger Muster skizziert.

Nell sieht also nicht nur toll aus, auch ihr Vortrag weist ein betörendes Stimmcharisma auf. Diese entrückt singende Schwärmerin, die vor nicht allzu langer Zeit bei Theatre Of Tragedy als Ablösung von Liv Kristine einstieg, hatte mir einiges zu erzählen.

„Da unser Debütalbum bereits in vielen verschiedenen Ländern vertrieben wurde, konnten wir uns einen guten Bekanntheitsgrad erarbeiten, den wir durch diverse Touren noch ausbauten. 5.000 verkaufte Einheiten von `Letters From Fire` bestätigten die guten Erfahrungen mit den Fans, die wir auf unseren Konzerten gemacht hatten. Obwohl uns das positive Feedback enorm ermunterte, mit The Crest beständig weiterzumachen, mussten wir uns dennoch alle Zeit der Welt mit dem aktuellen Studioalbum lassen. Denn unser Gitarrist Kristian hatte ja für das Debütalbum bekanntlich sämtliche Songs und auch die Texte dazu geschrieben. Wenn ihn erst einmal die Muse küsst, ist er besessen von dem, was er tut und ruht nicht eher, bis alles nach seinem Gusto vollendet ist. Irgendwann kam er durch diese ganzen Alleingänge an einem Punkt an, an dem dann er künstlerisch einfach nicht mehr weiterkam und sich total ausgebrannt fühlte. Diese negative Stimmung färbte total auf uns andere ab und wir verloren jedweden Enthusiasmus für The Crest. Die Band brach in Folge dessen auseinander. Das ist der Grund für unsere längere Veröffentlichungspause seit 2001. Glücklicherweise hat Kristian sich irgendwann wieder gefangen und begann an neuen Stücken zu arbeiten. Es hatte sich in der Zwischenzeit so einiges an Frust, Schmerz und Ärger in ihm aufgestaut. Deswegen sind die Gitarren-Parts wohl diesmal so dermaßen dynamisch geworden. Anfang 2004 rauften wir uns dann wieder als Band zusammen. Das Ergebnis liegt nun in Form des aktuellen Albums `Vain City Chronicles` vor.“

Wie Nell anschließend mit angenehm sanfter Stimme weiter ausführt, wollte die also Band für diese neue Scheibe primär rockiger werden. „Betont bodenständige und erdige Rock-Songs sollten es sein, mit sehr melancholischen Melodien, wie uns Kristian kurz nach dem Entschluss zum Neustart per Email mitteilte. Er sendete uns auf diesem Wege gleich seine Kreationen vorab erstmal mittels zahlreicher MP3-Dateien, die wir jeder für sich zuhause mit entsprechender Aufnahmetechnik ergänzten und zurücksendeten. Durch diese entspannte und sehr private Arbeitsweise konnten wir sehr relaxt an die Sache herangehen. Ich merkte schnell, wie produktiv dies gerade in meinem Fall war. Nach ungefähr einem halben Jahr trafen wir uns dann und fingen an, die brandneuen Stücke miteinander zu proben. Nach und nach stellte sich die alte Magie zwischen uns wieder ein, der Neustart von The Crest war damit also in Gänze besiegelt.“

Wir gingen zu den lyrischen Inhalten der neuen Kompositionen über. Nell expliziert hierzu:

„Die Welt beziehungsweise ihre Bewohner vergifteten sich jeden Tag mehr und mehr selbst. Der Materialismus und die Eitelkeit wachsen stetig an, denn sie werden von den vielen lästigen Medien mittels penetranter Werbe-Dauerberieselung ja immer mehr angeschürt. Nicht wenige Menschen genießen heutzutage mehr Wohlstand als jemals zuvor und bilden sich darauf auch noch ordentlich was ein. So richtig rundum glücklich ist damit jedoch auch niemand. Statt sich daher verstärkt auf sich selbst zu konzentrieren, flüchtet die globale Menschheit umso mehr in ein nur scheinbares Glück, ausschließlich bestehend aus dem was man besitzt. Ein perfider Teufelskreis mit fataler Wirkung, der vor allem in den Millionenmetropolen dieser Erde machtvoll zu rotieren scheint. Daher haben wir das neue Album passend dazu `Vain City Chronicles` getauft.“

Eine sarkastische Porträtierung moderner Zombies, möchte man meinen. Nell stimmt hier unumwunden zu:

„Kristian's Texte reflektieren zwar diverse reale Missstände unserer modernen Gesellschaft, er packt diese Thematiken aber immer so an, dass die Texte eher im übertragenen Sinne zu verstehen sind. Eindeutigkeit ist absolut nicht seine Sache. Er und auch wir möchten, dass jeder Hörer seine individuelle Interpretation daraus ziehen kann. Wir möchten schließlich konstruktive Denkanstöße mit den Songtexten geben.“

Und dass das sehr gut funktioniert, kann Nell abschließend aus eigener Erfahrung mitteilen. „Wir spielten bereits eine ganze Menge Konzerte, bei welchen wir einige unserer Songs sehr oft zum Besten gaben. Etwaige Routine stellte sich zumindest bei mir jedoch nicht im Geringsten ein. Je nach meiner mentalen Tagesform interpretierte ich die Texte der The Crest-Songs für mich selbst immer wieder ganz anders. Und ob ich nun glücklich oder unglücklich dabei war – jedes Mal lösten die gesungenen Zeilen differierende Empfindungen in mir aus. Davon bin ich total fasziniert, was man mir auf der Bühne auch vollauf anmerkt. Ich freue mich daher schon jetzt riesig auf unsere in Kürze anstehenden Konzerte.“

© Markus Eck, 29.06.2005

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