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Special: Napalm Records Jubiläum - Jahre 1-10 (1992 - 2002)
Titel: Sprung aus dem Untergrund - von den ersten Anfängen bis zur verlässlichen Größe

Vor über einem Vierteljahrhundert hatte der enthusiastische Metal-Aktivist Markus ‚Max’ Riedler die grundstabile und hochgradig motivierte Vision, auch selbst mit einer eigenen Plattenfirma im globalen Musikgeschehen mitzumischen.

Der Rest ist als exemplarisches Musterbeispiel für Begeisterung, Weitsicht, Linientreue und Beständigkeit bekannt. Halbe Sachen oder gar Kurzfristiges können eben andere machen - doch für den hochgewachsenen Überzeugungsmenschen Max kam nie etwas anderes in Frage als mit Napalm Records nach ganz oben zu gehen!

1992 wurde Napalm Records im bergigen Eisenerz gegründet. Dort, im Norden der malerischen Steiermark, entwickelte sich das jährlich anhaltend größer werdende Vorzeige-Unternehmen bis heute zu einer der führenden und stilistisch variantenreichsten Institutionen in Sachen Metal-Veröffentlichungen weltweit. Doch lassen wir den tief erfahrenen, standfesten Firmenleiter und Familienvater am besten gleich selbst zu Wort kommen.

Wie hat sich dein persönlicher Musikgeschmack ab dem Kindesalter entwickelt? Was konnte dein erstes Interesse an Musik überhaupt erwecken? Und - was war deine erste Berührung mit ‚harter‘ Musik? Was genau ging dir da durch den Kopf?

Max: Ich denke, mich hat mein Cousin damals zur harten Musik gebracht, im Alter von 13, 14 Jahren kam ich damit erstmalig in Berührung. Er hatte Alben von Slayer, W.A.S.P., Megadeth, Helloween, Sepultura und Metallica. Später kamen die Death Metal-Bands und ein paar Jahre später hielten die Black Metal-Acts Einzug in mein geschmackliches Universum.

Wie ging es weiter, bis du schließlich auch an Black Metal so einen großen Gefallen gefunden hast, dass du dich dieser Spielrichtung so hingegeben hast?

Max: Ich geriet immer tiefer in diese Stile hinein, es wurde immer interessanter und spannender. Death- und Black Metal waren schließlich mein Startschuss für das Musikbusiness überhaupt.

1992 ging es dann so richtig los in Eisenerz … das waren noch Zeiten!

Was genau hast du dir damals am allerliebsten und mit größter Begeisterung angehört?

Wie kamst du zu ‚deinen‘ Bands? Internet war ja noch nicht verfügbar, es musste daher alles über unvergessenes Demo-Tape-Trading, mittels einschlägigen Fan-Zines, etc. in Erfahrung gebracht werden.

Max: Ja, das waren Zeiten … kein Internet, dafür gab es Fax und Telefon, sowie eine elektronische Schreibmaschine und tatsächlich jede Menge Fanzines. Meine Kästen waren voll mit Demo-Tapes, Singles und Importen aus allen möglichen Ländern. Flyer wurden kopiert und die Demos verkauft, so hat man auch mitgeholfen die Szene in Österreich aufzubauen. Beim Arbeiten hörte ich meist Black und Death.

Und wie empfandest du das spezielle Zeitgefühl in Sachen Aufkommen und Popularität insbesondere von Black Metal? Ein Stil, der ja zu der Zeit in solcherlei extremer und drastischer Form noch völlig neu und rasch Bahn brechend war …

Max: Der Mythos Black Metal wurde rasch zum Trend. Viele fragten sich, was steckt dahinter? Hier wurde ein Image verkauft und für viele wurde das zum Lifestyle. Für uns war es aus wirtschaftlicher Sicht sehr dienlich - immerhin hatten wir mit Abigor und Summoning die Vorreiter dieser Musikrichtung unter Vertrag.

Wie fand die eigentliche Labelgründung von Napalm Records statt? In der elterlichen Wohnung? Und wie wurde damals primär kommuniziert?

Gerade viele der jüngeren Metaller und Fans können sich das wohl nur eher schwer vorstellen, als das Allermeiste noch per Telefon und Fax lief.

Max: Es wurden Bestellungen per Fax versendet oder man hat mit den Partnern telefoniert - aber telefonieren war da noch ziemlich teuer. [lacht] Die Wohnung von meinem Großvater wurde kurzerhand zum Label-Büro umfunktioniert. Und die Nachbarn waren immer ganz verwundert, welche seltsame Gestalten sich bei mir die Türklinke in die Hand reichten, von den Parties ganz zu schweigen. Immerhin musste der Metal doch auch entsprechend zelebriert werden!

‚Napalm' ist gemeinhin als schreckliche Waffe aus dem Vietnamkrieg zu trauriger Berühmtheit geworden.

Hattest du deswegen anfangs in eher konservativ-gesellschaftlichen beziehungsweise in geschäftlichen Bereichen Probleme mit so einem Firmennamen?

Max: Metal lebt ja von übertriebenen Phantasien, von Pathos und Mystifizierung. Die schweren Klänge der Gitarren sind martialisch und treibend. Für mich war der Labelname nie eine Verherrlichung der Waffe, sondern ein Name, der für Feuer und Durchschlagskraft steht - etwas, das alles platt macht. Und so bringe ich es in Verbindung mit der Musik. Natürlich gab es immer wieder dumme Fragen, ob wir denn Napalm-Bomben verkaufen würden.

Damals herrschte in der extremeren Szene auch noch eine massive Popularität für Old School Death Metal vor, der auch bei Napalm veröffentlicht wurde. Die Band Wombbath beispielsweise werden so einige diesbezüglich noch in Erinnerung haben. Wie liefen die Label-Erfolge für derlei Formationen?

Max: Mit Death Metal durften wir keine großen Erfolge feiern. Aber Disastrous Murmur waren unser Veröffentlichungs-Startschuss und die haben uns gleich mal zu einem großen Vertrieb in Deutschland verholfen.

Karl Kern, ein echtes Original, ist mir und ganz bestimmt noch so einigen anderen Partnerfirmen, Mailorderbestellern etc. noch lebhaft als deine rechte Hand in Erinnerung. Er war wohl einer der ersten, die dir tatkräftig halfen und nachfolgend bei Napalm Records in Lohn und Arbeit kamen?

Max: Karl Kern ist noch immer für Napalm tätig, unser am längsten beschäftigter Mitarbeiter. Und dafür gebührt ihm auch jede Menge Respekt und Anerkennung!

Wie ging die Einstellung von zusätzlichen Mitarbeitern in die junge Plattenfirma vonstatten? Gab es Hürden? Was hast du dabei als besonders angenehm in Erinnerung?

Max: Die Firma ist rasch gewachsen und die Struktur mußte mitziehen. Da war es natürlich nicht immer so einfach, die richtigen Leute für ein effizientes Team zu finden. Teils war es wirklich ein Kommen und Gehen. Aber jetzt haben wir einen guten Mitarbeiterstamm sowie eine feste Personalstruktur, die jedes große Bandthema bearbeiten kann - und so etwas macht richtig Spass.

Welche anderen Labels hatten dich mit dazu inspiriert dazu, Napalm Records zu gründen?

Max: Es gab schon einige Labels, die echt starke und inspirierende Bands hatten, wie Osmose, Steamhammer, Earache usw.

Hattest du von Beginn an eine völlig klare Vision, wie das Ganze als Plattenfirma letztlich einmal zu werden hatte?

Max: Ich durfte einiges bei anderen Firmen sehen und lernen. Und so war mir schon klar, was die Aufgabe einer Plattenfirma ist beziehungsweise in welche Richtung es gehen soll.

Den Anfang machten Abigor und Summoning, beides auch heute noch interessant zu rezipierende, völlig eigenständige Acts mit ihren alten wie neueren Veröffentlichungen - was möchtest du den Lesern aus dieser Zeitspanne Interessantes und Wissenswertes berichten?

Max: Beides großartige Bands, die eigentlich in der österreichischen Szene noch viel mehr Anerkennung verdient hätten. Aber dafür war eben die Ausrichtung einfach zu extrem. Abigor mit „Verwüstung/Invoke The Dark Age“ und Summoning mit „Minas Morgul“ waren ihrer Zeit jeweils voraus und wir alle hatten sehr viel Freude damit. Im damaligen Virgin Megastore in Wien in der Mariahilfer Straße wurden davon tausende Einheiten verkauft, so etwas wird es nie mehr geben!

Wie hast du die Monate des Anfangs in Erinnerung, die Finanzierungen der Pressungen etc. und vor allem auch die Kommunikation mit den damalig vorherrschenden Magazinen, Fanzines etc. - gestaltete es sich schwierig, als Newcomer einen ‚Fuß in die Tür‘ zu bekommen ohne größere Werbe-Budgetierung etc.?

Schließlich waren neu gegründete, kleinere Labels damals ja eher noch etwas völlig Neues neben den ganzen großen Major Companies.

Max: Es hat in der Tat doch einige Zeit gedauert bis wir wirklich ernst genommen wurden. Um teure Anzeigen zu finanzieren gab es Sammelwerbungen mit anderen Labels. Es ging immer irgendwie - und wenn ich mal die Telefonrechnung nicht bezahlen konnte, dann durfte ich mit meinen Großvater eine Ratenzahlung vereinbaren. Es hat wirklich lange gedauert bis das Ganze finanziell auf einem halbwegs stabilen, finanziellen Konstrukt stand. Einen Kredit wollte ich ganz bewusst auch keinen aufnehmen.

Weiter ging es dann zunächst mit Nåstrond und Ildjarn, und einigen weiteren Skandinaviern wie Siebenbürgen etc. - wie gestaltete sich die (Zusammen)Arbeit mit Bands außerhalb des deutschsprachigen Raumes?

Ich habe beispielsweise heute noch das gedruckte, per regulärer Briefpost von Siebenbürgen gesendete Antwortschreiben für ein Interview im damaligen Napalm-Mailorderkatalog, was heutzutage regelrecht antiquiert anmutet.

Max: Eigentlich klappte es sehr gut. Natürlich gab es auch hierbei nicht immer vollen Bezug zur Realität. Ich möchte aber keine Namen nennen. Tristania und Siebenbürgen waren jedenfalls der Startschuss für Gothic Metal.

Gab es auch Bands, die dermaßen abgefahren, extrem und unberechenbar waren, dass die Zusammenarbeit mit Napalm Records auch schnell wieder gelöst war? Ich erinnere mich noch an Svartharid und diese unglaubliche, schockierende Story von einer Party in deren Heimat damals…

Max: Natürlich gab es diejenigen auch, die mit falschen Vorstellungen und Tatsachen ihre Band gegründet hatten. Von besagter Party weiß ich allerdings gar nichts. Ich habe schon mit so vielen Künstlern gearbeitet, da darf man auch das ein oder andere vergessen.

Auch war es in vergangenen Zeiten nicht unüblich, dass man als ‚true’ Black Metal-Truppe einem Label mit einer toten Ratte im Postpäckchen kündigte, wie einst in einem Underground-Zine zu lesen war…

Max: Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, jemals so ein Päckchen erhalten zu haben. [lacht]

Relativ rasch nachfolgend wurde der stilistische Bereich bei Napalm Records erweitert, auch in Richtung Darkwave etc. Dargaard, Die verbannten Kinder Evas, The Soil Bleeds Black usw.

Sublabel-Companies wie Black Rose Productions und Draenor Productions wurden von dir gegründet. Kamen damit nicht automatisch Vorwürfe wie ‚Ausverkauf‘, ‚Verrat an den Idealen des Black Metal‘ etc. auf dich zu?

Max: Vorwürfe waren mir schon immer egal. Kritisiert wurde ja alles. Hätte ich mich an den Kritikern orientiert, dann hätte es die Firma keine fünf Jahre gegeben. Ich weiß noch genau, wie ich von vielen tollen Musikern für meine erste CD-Produktion belächelt wurde - so etwas diente für mich als zusätzlicher Ansporn. Jetzt klopfen mir diese Leute auf die Schulter. [lacht]

Beachtlich mutig und geschmacklich äußerst weitsichtig war es von dir auch, ab 1997 auch eine gehoben-theatralische, betont kunstsinnige Formation wie Angizia ins Label-Programm zu nehmen. Auf ihren drei Napalm-Alben „Die Kemenaten scharlachroter Lichter“, „Das Tagebuch der Hanna Anikin“ und „Das Schachbrett des Trommelbuben Zacharias“ haben diese Wiener Symphonic Gothic Doom Metal-Avantgardisten wirklich einzigartige Musik zelebriert. Wie lief es für eine so durchwegs ungewöhnliche, so gar nicht massentaugliche Band wie Angizia bei Napalm Records?

Max: Es war einfach abgefahrene Kunst. Ein paar ihrer Strophen waren einfach sowas von geil, ich war begeistert! Leider haben sich ihre Veröffentlichungen nie wirklich verkauft. Mir aber haben Angizia viel Freude bereitet.

Wo gibt es eigentlich eine einfach zu überschauende und zu sortierende Liste aller bisherigen Napalm-Releases? Also einen speziellen Almanach für Archivare mit Interesse für die allerersten Releases, für Sammler, für Enthusiasten etc.?

Auf Metal-Archives beispielsweise kann man nicht nach Label-Codes wie zum Beispiel NR 001 aufsteigend sortieren. Und auf Discogs wird man auch nicht wie gewünscht fündig.

Max: Natürlich bei uns! [lacht] NPR 001 steht bei leidenschaftlichen Kollektoren schon hoch im Kurs und ist ein beliebtes Sammlerstück und ein Stück Geschichte.

© Markus Eck, 20.06.2018

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