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Interview: ANCIENT RITES
Titel: Historisch fundierte Epen

Ancient Rites sind eine der dienstältesten Metalbands der neueren Generation. Seit 1989 im unheiligen Zeichen schwarz schillernden High Speed Black Metals tätig, verwandelte sich das grimmige akustische Antlitz der belgischen Berserker mit der nachfolgenden Zeit immer mehr in die heutige Richtung. Diese besitzt als einziges Überbleibsel aus der Vergangenheit noch eine stellenweise gesangliche Kreischphrasierung, ansonsten wandeln Ancient Rites gegenwärtig mehr denn je auf geglätteten als auf rauhen und verwilderten Pfaden.

So legten die musikalisch bisher ausnahmslos überzeugenden Häretiker neben den anfänglich noch geschminkten Gesichtern auch mit der Zeit die entfesselte Raserei ab, welche sowohl das 1995er Debüt „The Diabolic Serenades“ als auch den ein Jahr später nachfolgenden höllischen Fulltimer „Blasfemia Eternal“ dominierte. „Fatherland“, das dritte Album erschien 1998. Dieses zeigte dann erstmals deutlich die nur natürliche Entwicklung der geschichtlich außerordentlich beschlagenen Band unter der Ägide von Sänger und Bassist Gunther Theys auf, der als Bandgründer neben Drummer Walter van Cortenberg den einzigen Überlebenden aus der Anfangsbesetzung darstellt.

Starteten Ancient Rites anfänglich noch als enthusiastisches Trio, sollten Gunther und Walter bis zur aktuellen Fünferbesetzung zeitweise die einzigen Protagonisten sein, welche die „Uralten Riten“ vertonten. Doch die beiden hielten durch und glaubten mit eisernem Willen an das sehr interessante Konzept, welches durch Gunthers immenses Interesse an historischen Begebenheiten auch auf dem neuen Album „Dim Carcosa“ erneut zum Tragen kommt.

Und der Sänger und Tieftöner löscht seinen Wissensdurst nicht nur mit Büchern.

„Lesen ist der eine Teil meiner Interessen, aber auf Dauer unbefriedigend für mich. Deswegen unternehme ich so oft als möglich auch Reisen in kulturell und mystisch bedeutsame Gebiete der Erde. So reiste ich vor nicht allzu langer Zeit nach Asien, um dort einige geschichtlich bedeutsame und auch sagenumwobene Stellen der Landkarte aufzusuchen. Auch in die Wüste Sahara führte mich mein Weg letztes Jahr. Dort unternahm ich sogar einige Touren auf Kamelen, welche dort die ältesten Beförderungsmittel darstellen. Dies war eine herrliche und überwältigende Erfahrung für mich; ich hatte zuvor eine Unmenge über diese Wüste gelesen. So fühlte ich mich auch während einiger Höhlenerkundungen um Jahrtausende zurückversetzt“, berichtet mir der 35-jährige Frontmann mit hier einmal sanfter Stimme, der im mittelalterlich traditionsbewußten Städtchen Diest zu Hause ist.

Gunther besitzt eine gigantische Kollektion an Büchern, die er über die Jahre zusammen getragen hat. „Ich interessiere mich schon von frühester Kindheit an für alles, was längst vergangen ist oder einen gewissen Mystizismus enthält. Und es dauerte natürlich nicht lange, bis ich eine Unmenge an Literatur über solche Thematiken beisammen hatte. Mit der Zeit entstand eine heute mittlerweile riesige Privatbibliothek. Die konzeptionellen Inhalte sämtlicher Ancient Rites-Songs erarbeitete ich mir mit Hilfe meiner Bücher“, gibt der Hobby-Bibliothekar preis.

Und damit leitet der Frontmann zum nächsten Thema über, den Stücken des aktuellen Albums: „Diese sind mehr als jemals zuvor unter epischen Gesichtspunkten entstanden und widmen sich den verschiedensten historischen Bereichen. Der Track `North Sea` ist beispielsweise einer meiner persönlichen Faves. Diese Hymne an ein wirklich mächtiges Gewässer reflektiert einige Jahrhunderte der Seefahrt vieler angeschlossener Länder. Jeder kennt die nordische See, egal, ob er deutscher, holländischer oder eben auch belgischer Abstammung ist. Aber auch `Lindisfarne (Anno 793)` oder auch `Götterdämmerung` sind wie der Rest auf dem Album allesamt richtig eingängige Kompositionen, deren lyrischer Inhalt reizvoll authentisch ist.“

Im Lied „Götterdämmerung (Twilight Of The Gods)“ erweist sich Bücherwurm Gunther gar der deutschen Sprache mächtig. „Ich bin grundsätzlich an allen Sprachen und Kulturen interessiert; aber besonders an der deutschen, weil diese sehr ausdrucksstark ist. So habe ich einen Teil des Textes dieses Songs in deutsch geschrieben“, und Gunther singt ihn auch fast akzentfrei, was „daher kommt, das ich schon des öfteren in Deutschland verweilte und irgendwie auch besonderes Talent für diese wundervolle Sprache mitgebracht habe.“

Scheint also nicht viel übrig geblieben zu sein von der satanischen Attitüde der religionsfeindlichen Anfänge von Ancient Rites, oder?

„Ich habe schon auf diese Frage gewartet, und du wärst wirklich der erste gewesen, der sie nicht gestellt hätte“, lacht Gunther, „aber ich beantworte sie immer wieder gerne. Nein, ich bin meiner Einstellung schon seit vielen Jahren treu. Auch Walter teilt sie. In einem gewissen Sinn sind wir schon Satanisten. Jedoch streng und auch lediglich nach dem Grundsatz: Sei dein eigener Gott. Das ist der Grundbegriff des klassischen Satanismus. Und die Religionen haben nicht nur in der Vergangenheit viele Kriege und unsagbares Leid über die Menschen gebracht; ob nun gläubig oder nicht. Kirchen anzünden hat aber mit satanischem Glauben überhaupt nichts zu tun. Das Thema wurde in den letzten Jahren bis zum Erbrechen unter die Fans gebracht. Daher entschieden wir uns, die historische Komponente noch stärker als zuvor hervortreten zu lassen. `Dim Carcosa` ist somit ein verdammt vielfältiges Album geworden,“ dessen Grundthematik Gunther als einen sagenumwobenen und mystischen Ort beschrieb, der sich vor langer Zeit irgendwo in Frankreich befunden haben soll und der in vielen Büchern immer wieder auftaucht.

Das Frontcover von „Dim Carcosa“ gewährt einen kleinen Blick auf diese Stadt. Hochinteressanter Gesprächsstoff wäre also noch für viele Tage vorhanden. Doch die Zeit drängt, denn Ancient Rites wollen an diesem Nachmittag noch nach Holland aufbrechen, um dort einen Testgig zu absolvieren, welcher das neue Songmaterial beinhalten soll.

© Markus Eck, 15.04.2001

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