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Interview: CENTURY
Titel: Die anmutige Schönheit der Melancholie

Die auf dem klangvollen 1999er Debüt „The Secret Inside“ schon für große Resonanz sorgenden Songs der Gothic-Wave-Band Century konnten schon viele Anhänger solcher Musik auf die Seite der gefühlvollen Band ziehen.

Besonders das sehr gut gelungene Ultravox-Cover des Welthits „Dancing With Tears In My Eyes“, der die globalen Charts Mitte der 80er Jahre lange Zeit dominierte, spiegelte schon die damalige und zukünftige Marschroute von Century eindrucksvoll wider.

Anfangs noch als der qualitative und softe Crematory-Ableger zur Kenntnis genommen, konnten die fünf Musiker um Crematory-Drummer Markus Jüllich jetzt mit diesem Querverweis endgültig aufräumen.

Jüllich rief Century einst 1995 aus dem Vorhaben heraus ins Leben, eigene Ideen, welche bei Crematory nicht entsprechend umzusetzen waren, nach seinen Vorstellungen individuell zu realisieren.

Er hat seinen Platz an der Schießbude nun dem nicht minder beschlagenen Kesselwart Andreas Neuderth überlassen und agiert fürderhin als zweiter Keyboarder mit Schwerpunkt Programming und Sampling.

Auch schreibt Jüllich weiterhin in ertragreicher Koalition mit Tastenkünstler Gernot Leinert sehr in die Tiefe gehende Songs, die enorm tanzbar scheinen.

Fast könnte man manchmal meinen, Depeche Mode hätten sich neuzeitlich dem melancholischen Gothic Rock verschrieben.

Was auf die eindringliche Lead-Stimme von Century-Vokalist Michael Rohr zurückzuführen ist, die der des Sängers der britischen Synthie Pop-Pioniere stellenweise zum Verwechseln ähnlich scheint.

Am zehnten November 2000 war es dann soweit, und das zweite Werk von Century sollte den Musikjournalisten vorgestellt werden. Zu erleben gab es nämlich das neue Album „Melancholia“.

Aus diesem Grund finden sich in Gerhard Magins namhaften Commusication Studio in Beindersheim an diesem Tag einige Schreiber der einschlägigen Fachpresse ein, um den aktuellen Ergüssen des sympathischen Quintetts ihr Gehör zu leihen.

Das Commusication Studio hat sich in der Vergangenheit einen ziemlich guten und respektierten Namen in der Szene gemacht. Produziert wurden hier bisher Gruppen wie beispielsweise Forte, Mystik, Bliss, Heavenwood, Mystic Circle, Totenmond, Agathodaimon und auch Theatre Of Tragedy, um nur einige von vielen zu nennen.

Zu hören gab es nach einem herzlichen Empfang zehn Stücke, die man erneut als atmosphärischen Gothic Wave Rock klassifizieren kann. Und eine wirklich enorme Steigerung kann ich Century gegenüber ihrem Erstwerk attestieren. Daß die Band einen dermaßen großen Sprung nach vorne machen würde, hatte ich nicht erwartet.

Und gleich vom ersten Song an, dem sehr gefühlsbetonten Gitarren-lastigen Rocker „Perfect Lie“, welcher mit seinem melodisch prägnanten Grundmuster und mit vielen verspielten Electro-Parts unweigerlich die Sinne penetriert, spüre ich intuitiv, das hier noch Großartiges folgen muß.

Ich habe mich in diesem Punkt nicht getäuscht. Vom Fleck weg bin ich auf der Seite der Band, die mich mit ihrer anregenden Musik auch im Nachfolgenden tief berühren kann.

Das zweite Stück auf „Melancholia“, „Fall For You“ betitelt, offenbart sofortig wirkendes Ohrwurm-Potential.

Mit zauberhaften Piano-Einsatz zum Anfang und am Schluß des Songs sowie stimmungsvollem Klargesang kann einen auch dieser Song wieder zum gedankenverlorenen Träumen anregen.

Die öfters einfallenden härteren Gitarrenlinien schaffen einen harmonischen Kontrast zum ansonsten vorherrschenden zarten Erscheinungsbild, ganz im Stil von Epigonen wie Camouflage oder Tears For Fears.

Song Nummer drei erhielt den Titel „I Regret“ und wird auch als Single ausgekoppelt, die dann Ende Januar 2001 in den Handel kommt.

Eine sehr kluge Entscheidung; kann dieser überaus hymnenhafte Blockbuster doch den Namen Century sehr eindrucksvoll, bleibend und auch mächtig repräsentieren.

Mehr nach Depeche Mode kann sich eigentlich nichts mehr anhören. Und doch distanziere ich mich nachhaltig vom Vorwurf des stumpfen Plagiats, denn das ganze kommt dermaßen eigenständig rüber, daß man der Band eigentlich gratulieren müßte für diese Leistung.

Ohne Zweifel sind hier großes Talent und viel Feingefühl sowie große Detailverliebtheit eingebracht worden. An diesem Lied kann ich mich so schnell nicht mehr satt hören. Eine perfekte Symbiose aus geglättetem Rock und anspruchsvollem Synthie Pop.

Der vierte Song hört auf den Namen „High And Low“. Und so klingt er auch: Erneut sehr atmosphärisch, kann er durch forcierte Crematory-Anleihen wieder die rauhere Note von Century manifestieren.

Vereinzelt sehr druck- und kraftvoll, schafft es darin einmal mehr die faszinierende Stimme von Michael Rohr, dem Titel einige Glanzlichter aufzustecken. Auch hierin sind wieder hervorragende melodische Keyboards mit höchstem Anspruch zu hören.

Fünfter Track wurde auf den Namen „Finally“ getauft. Ein sehr ruhiges und besinnliches Stück mit stark beruhigender Fußnote. Verträumt und sensibilisiert, zum in sich gehen.

Auch hierbei kommt der kristallklare und leicht klagende Gesang von Rohr wieder vollauf zum Tragen. Hingebungsvoll hat er sich dieser Komposition hörbar 100%ig verschrieben und scheint darin regelrecht zu vergehen.

Die anmutige Schönheit der Melancholie verläßt „Finally“ während der gesamten dreieinhalb Minuten Spieldauer nicht eine Sekunde.

An sechster Stelle steht ein abermals wunderschöner und zum Nachdenken verleitender Song namens „Me, Myself And I“, welcher sehnsüchtig suchend wieder einen großen Gefühlsreichtum seiner Urheber reflektieren kann.

Die Grundthematik des Stückes basiert auf gleichermaßen satten und kräftigen Gitarren und ergänzenden Keyboards.

Es beginnt mit verklärt ertönendem Piano und schlägt alsbald in einen schwelgenden und doch kräftigen und weitläufigen Rocksong um, dem mannigfaltige Samples und komplexe Loops effektvoll untergejubelt wurden.

Für Maincomposer und Crematory-Drummer Markus Jüllich ist es scheinbar ein Leichtes, verschiedenste innerste Gefühle von innen nach außen zu stülpen und zu ansprechenden emotional erfüllten Liedern zu verarbeiten. Diese gehen aufgrund ihrer flüssigen Melodieführung und Griffigkeit schnell ins Ohr und von dort unmittelbar in die Beine.

Siebenter Streich firmiert unter dem Titel „I Would Know“. Und einen mitreißenden Tanzbodenfüller haben die Beteiligten unter dieser Nummerierung plaziert. Diesem sehr träumerischen Track mit forciert rhythmischer Grundierung hat man vielerlei elektronische Spielereien beigefügt, die diesem sehr gut zu Gesicht stehen. Wunderschöne harmonische Tonfolgen geben sich hier wieder mal ein Stelldichein.

„Melancholic Light“ wurde der achte Beitrag auf der Platte genannt und so klingt er auch wie ein Lichtstrahl in großer Tristesse. Mit Akustikgitarre eindrucksvoll untermauert, kann auch diese Nummer mit spezifisch verarbeiteter Melodik aufwarten. Abermalig ein Höhepunkt von vielen allein schon durch Rohrs betörendes Organ.

Man hört deutlich: Auf „Melancholia“ ist es der Band gelungen, die schon sehr guten Ansätze ihres 1999er Debüts „The Secret Inside“ ein enormes Stück voranzutreiben und zum vorläufigen kreativen Höhepunkt zu bringen.

Verträumt rockiger und betont gefühlvoller moderner Sound, welcher durch dezent treibende Gitarren und vielerlei elektronische Sounds sehr auffallend mit zeitlosem New Wave-Charme liebäugelt.

Der vorletzte Repräsentant von Century auf diesem Album heißt „Nothing No More“ und weicht keinen Millimeter von der gefahrenen Route ab.

Erneut keinerlei störenden Ingredienzien oder unnötige verquaste Experimente. Die Band weiß genau, was sie tut und arbeitet mit untrüglichem intuitiven Gespür für gute Songs und Sounds.

„Nothing No More“ bündelt gekonnt alle Stärken der Gruppe. Musik für kleine Momente mit großen Gefühlen.

Zum Abschluß kommt „Melancholia“ mit dem paralysierenden und futuristisch anmutenden Song „Shine“.

Auch hierin erlebt man wieder eine gleitende Transformation von Gefühlen, die das Stück zu erzeugen imstande ist. Und abermalig ein perfekt inszeniertes Wechselspiel zwischen hart und zart.

Über allem thront wieder Vokalist Rohr, der mit seiner prägnanten Stimme zum Identifikationsträger dieses mein Herz im Sturm erobernden Ensembles avanciert ist.

Das harmonische Zusammenspiel von klagender Melancholie und zuversichtlicher Hoffnung entströmt fast jedem Song auf „Melancholia“, einer sehr eindringlichen musikalischen Angelegenheit.

Einmal gefangen von der penetrierenden Zeitlosigkeit der mit ungewöhnlicher Frische einher gehenden Hymnen, deren musikalisches Profil des Öfteren an die britischen Ikonen Depeche Mode erinnert, kann man sich ihnen so schnell nicht mehr entziehen. Eine solchermaßen berührende Veröffentlichung, erfüllt von innovativen Impulsen, klopft nicht alle Tage an die Tür. Man sollte ihr den Einlaß nicht verwehren.

Daher kann man „Melancholia“ ohne Abnutzungserscheinungen beliebig oft seine Aufmerksamkeit schenken, um mit jedem Durchlauf mehr detailverliebten Finessen auf die Spur zu kommen.

Und dazu trägt eben nicht zuletzt auch Vokalist und Dave Gahan-Soundalike Michael Rohr bei, dessen einen hohen Grad an Sensibilität offenbarendes Organ dem des Sängers der genannten englischen Originatoren verblüffend nahesteht.

So unterhalte ich mich im Folgenden noch ausgiebig mit Jüllich, dem außerdem sämtliches Programming bei Century obliegt, und Sänger Rohr über die Entstehung und anstehende Veröffentlichung des neuen Century-Tonträgers.

„Gefühle sind der Hauptstützpfeiler im Century-Sound. Darauf legen wir alle den größten Wert. Ich habe wieder viel Herzblut in die Kompositionen fließen lassen, was man auch deutlich hören kann. Und wir sind als künstlerische Einheit enorm gereift, was `Melancholia` auch in hohem Maße zugute kam. Anfangs begann Century mit mir und Keyboarder Gernot Leinert sowie Michael als Sänger. Mit diversen Gastmusikern hielten wir uns nachfolgend über Wasser. Nach und nach stießen dann Gitarrist Christian Kohlmannslehrer, Bassist Guido Holzmann und Drummer Andreas Neuderth dazu. Andreas vertrat mich anfangs noch auf einigen Tourneen, wurde dann aber festes Mitglied bei Century. Ich überließ ihm dann den Drumschemel und konzentrierte mich auf das Programming, da ich mit Crematory auch eigentlich immer alle Hände voll zu tun habe“, beginnt Markus das informative Gespräch.

Und dies erwies sich als goldrichtiger Schritt: „Andreas hat sich bestens eingelebt und ich kann mich mit voller Aufmerksamkeit dem Songwriting widmen, welches überwiegend am Computer stattfindet. Ich spiele ja nun schon seit einiger Zeit Keyboard, so dient mir dieses auch als optimales Instrument zum Komponieren. Und stellt neben dem genannten Aufgabengebieten Programming und Sampling meine zweite wirkende Position innerhalb der Band dar. So unterstütze ich Gernot mit Freude manchmal als tatkräftige Verstärkung an den Keys, da diese doch den Großteil der Atmosphäre in unseren Stücken ausmachen.“

Michael ergänzt seinen Kollegen: „Als Band waren wir zwischenmenschlich niemals harmonischer vereint als heute. Diese verschworene Gemeinsamkeit hört man aus sämtlichen Songs deutlich heraus. Ego-Trips finden wir albern. Bei uns wird aus der Idee des Einzelnen das Ergebnis von allen. Alle Beteiligten brachten ihr Innerstes zum Ausdruck und wir hätten es nicht besser machen können. Die besten Momente des Debüts sind noch einmal verfeinert worden. Aber wir wollen die Linie noch weiter ausbauen und das nächste Album soll noch besser werden! Markus komponiert den Löwenanteil der Songs in der groben Form, den wir alle dann zusammen gemeinsam ausarbeiten. Die Besetzung von Century konnte sich nicht besser zusammenfinden, da wir allesamt sehr gefühlvolle Menschen und Musiker sind, welche die Musik als Ventil für unsere Psychen zu nutzen verstehen. Jeder Song auf `Melancholia` enthält vollsten emotionalen Input aller beteiligten Musiker. Unser Ziel ist es gewesen, viele verschiedene humane Gefühle musikalisch erfahrbar zu machen.“

In der Tat, Textzeilen wie beispielsweise auszugsweise „We can fligh so high tonight, we can fall so deep inside“ reflektieren diese Aussage mit allem Nachdruck.

Der Titel der neuen CD ist hinsichtlich des musikalischen Inhaltes sehr aussagekräftig und wenn man über den verarbeiteten lyrischen Inhalt sinniert, auch bestens gewählt.

„Er kam mir inmitten des Komponierens in den Sinn. Ich verspürte tief in meinem Innern eine seltsam-positive Melancholie und auf einmal hatte ich diesen klangvollen und aussagekräftigen Begriff im Kopf. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr überzeugte mich die Vorstellung, ihn als Titel für unsere neue Scheibe zu verwenden. Es ist einfach die beste Umschreibung für unsere Musik“, gibt Markus preis.

Wenn man sich die Komplexität des aktuellen Century-Outputs so vor Ohren hält, ist es doch bestimmt nicht einfach gewesen, die vielen Samples und Loops in den Gesamtsound zu integrieren? Markus erzählt zu seiner favorisierten Domäne:

„Ganz so schwer, wie es für einen Laien erscheint, ist es eigentlich nicht. Ich habe an manchen Tagen einfach den Groove im Blut, und an solchen kommen mir auch die besten Ideen. Unverkrampft und locker probiere ich dies und das aus und habe so auch großen Spaß am Songwriting. Über die Jahre habe ich mir durch mein großes Interesse auch eine immer größere Ahnung von der mannigfaltigen Technik angeeignet, welche zur Verfügung steht. Und es geht stetig weiter. Meiner Meinung nach stellt das Komponieren unter Zuhilfenahme von Computertechnik die Zukunft des Songwritings dar, da die unermeßlichen Möglichkeiten damit vieles leichter machen. So kann die Kreativität sich um einiges leichter entfalten.“

Das Layout des aktuellen Album-Follow-Up´s ist vom Feinsten. Stimmungsvoll und verträumt wie die Musik von Century. Markus fährt hierzu fort:

„Das Layout stammt von Crematory-Keyboarderin Kathrin. Sie macht schon seit fünf Jahren die Layouts der Crematory-Releases. Und sie ist wirklich gut darin. Aber wir hatten mit Jens Rosendahl auch einen sehr guten Photographen. Wir hatten eine Photosession von einem Tag und er hat wirklich tolle Shots gemacht. Die besten haben wir dann gemeinsam ausgewählt.“

Als Repräsentative des aktuellen Albums wurde auch die Single „I Regret“ daraus ausgekoppelt, welche mit diesem Song die emotionale Dichte und Gesamtheit von „Melancholia“ hervorragend wiederzugeben vermag. Hierzu wieder Michael:

„Auf der Single ist der Titelsong in zeitlich differierenden Längen jeweilig als Radio- und Albumversion enthalten. Und mit `Save The Pain` und `The Secret Inside` als Bonus-Tracks haben wir noch zwei Stücke von unserer ersten CD mit draufgepackt, um den neuen Fans auch älteres Material näher zu bringen. Die Single wird zeitgleich mit dem Album veröffentlicht und wir hoffen natürlich auf massives Airplay von Seiten der Radiostationen.“

© Markus Eck, 19.01.2001

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