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Interview: CORVUS CORAX
Titel: Interkulturelle Kooperation

Das kann man wohl ganz getrost die 1:1-Umsetzung einer uralten Redensart nennen: Mit ihrem letzten Studioalbum „Sverker“ wagten Corvus Corax und gewannen! Apropos uralt: Alte und neue Anhänger nahmen die Zuwendung der Berliner Könige der Spielleute zu historischen nordischen Thematiken mit weit ausgebreiteten Armen nämlich voller (Hör)Freude auf.

Doch der fest verschworene ostdeutsche Männerbund zeigt neben dem Side-Projekt Berlinski Beat noch mehr Freude an der Vielfalt, wie mittels der neuen DVD-Veröffentlichung „Corvus Corax meet Wadokyo“ aufgezeigt wird. „Wadokyo“? Richtig gelesen, denn seit letztem Jahr widmen sich Frontmann Castus & Co. auch noch der alttraditionellen Kunst des Taiko-Trommelns!

Zusammen mit der Düsseldorfer Taiko-Akademie arbeiten die Mannen daran, ihre Musik mit derartigen Perkussionsklängen zu verschmelzen.

Letzteres wurde sogar schon zweimal festlich mit den Taiko-Könnern Wadokyo auf der Bühne zelebriert.

„Diese aufgrund zweier Datenschichten im speziellen DVD 9-Format erhältliche Veröffentlichung konnten wir inhaltlich wirklich außergewöhnlich umfangreich gestalten. Primär drauf gepackt haben wir zwei gelungene 2012er Live-Mitschnitte vom „Sverker Live“-Programm, die uns mit Wadokyo zeigen. Einmal 70 Minuten auf dem schwäbischen SummerBreeze Festival und einmal 90 Minuten auf dem niederländischen Castlefest. Ein halbstündiger Mitschnitt vom letztjährigen Corvus Corax Fan-Treffen ist daneben ebenfalls mitzuerleben, wobei auch die Fans ausreichend zu Wort kommen, was einen guten Einblick in ein solches Treffen ermöglicht. Die ganze Party wurde sozusagen gefilmt, bei der wir munter zum belebten Kreistanz aufgespielt haben. Sehr sehenswert erachte ich auch das aufgezeichnete Spielmanns-Ritterturnier“, wie ein wie gewohnt äußerst gut gelaunter Castus mit herzlichem Lachen zu Protokoll gibt. 



Und der ebenso puste- wie auch kehlenstarke Spielmann strahlt im Weiteren regelrecht: „Besagtes Fan-Treffen war wirklich sehr lustig. Ich denke, dieser Beitrag auf unserer neuen DVD wird ganz sicherlich viele unserer Hörer dazu animieren, das nächste Mal einfach mitzumachen.“ 


Was das für viele überraschende Zustandekommen der doch ungewöhnlichen Kooperation mit Wadokyo angeht, so lässt der lockenköpfige Vokalist im Weiteren verlauten:

„Nach der Veröffentlichung von ,Sverker‘ bemerkten wir das wirklich riesengroße Interesse der Leute an solchen Klängen. Relativ schnell war es dann kollektiv beschlossene Sache, dies auch mit einem speziellen Live-Mitschnitt dokumentieren zu wollen. Mit den sieben aus Düsseldorf stammenden Taiko-Trommlern von Wadokyo sind wir zeitgleich lediglich durch einen Zufall zusammengekommen.“



Castus konkretisiert diesen Werdegang: „Auf unserem 2006er Album ,Venus Vina Musica‘ haben wir nämlich ein ,Bibit Aleum‘ betiteltes Stück, welches sich dem stilistischen Schaffen von Wadokyo auf gewisse Weise ähnlich anhört. Und für das damalige Live-Set des ein Jahr später herausgekommenen Albums ,Cantus Buranus‘ holten wir uns drei Taiko-Trommler auf die Bühne. Die eigentliche Kooperation mit Wadokyo kam letztlich über unsere Managerin zustande, welche das auf einen Versuch ankommen lassen wollte.“


Und nachdem der Vorschlag erstmal im Raum stand, so der wuchtige Barde, überschlugen sich die nächsten Ereignisse förmlich, denn sämtliche Musiker verstanden sich vom Fleck weg erfreulich prächtig.

„Denn uns verbinden nicht nur ähnliche Interessen, sondern auch ganz ähnliche Ideen! Wadokyo haben ihr Rhythmushandwerk in Japan allesamt stilecht erlernt und sind mit ihrem Live-Programm ganz genauso wie wir viel international unterwegs. Diese Gruppe bekennt sich sogar auch kulturell und musikalisch ebenso offen, wie wir es tun. Und sie sehen ihre kreativen Grenzen alles andere als eng gesteckt. Als wir mit ihnen anfingen über ein gemeinsames Musizieren zu kommunizieren, ließen sie uns zu unserer Freude wissen, dass beispielsweise die Kelten ihrer Ansicht nach ganz ähnliche Trommeln hatten wie Wadokyo selbst. Schnell waren wir uns ebenfalls darin einig, uns allesamt als musikalische Kulturbotschafter zu begreifen. Der Wunsch reifte daher fix, zusammen etwas aufziehen zu wollen. Überbegrifflich in dem Sinne, dass ,Kelten nach Japan kommen und Sake trinken, während Japaner nach Irland reisen, um anständig Ale zu kosten‘. Uns gefällt die Vorstellung enorm.“

Wie Meister Castus noch weiter erläutert, haben er und seine Spielmannskumpane augenblicklich Gefallen gefunden am mächtigen Klang der Taikos, die teils auch unter der Bezeichnung Kodo-Trommeln geführt werden.

„Die sind richtig fett mit robuster Büffelhaut bespannt, was diesen typischen japanischen beziehungsweise chinesischen Klang mit sich bringt. Herrlich!“

Weiter nordisch, so kann man den künftigen kreativen Kurs der ostdeutschen Formation also durchaus umschreiben.

Für ihr 2011er Album „Sverker“ bewegten diese Berliner Mittelalter Spielleute ihren thematischen Fokus erstmals konkret in den historischen Norden Europas. Letzteres wurde von Anhängern und Musikmedien glänzend reflektiert.

Exzellente Verkaufserfolge und ausgedehnte Tourneen mit prall gefüllten Häusern schlossen sich der Veröffentlichung an.

Und Corvus Corax haben sowieso großen Gefallen gefunden an dem Neuen in ihrer Gruppe, wie es scheint, denn die Beteiligten haben ihr aktuelles Live-Programm laut Frontmann Castus Rabensang nur zu gerne dementsprechend ausgelegt.

„So einige Arbeit steckten wir in die Vorbereitungen für unsere Bühnenauftritte, die wir im vergangenen Dezember sowie im Februar und März gespielt haben. Unser Hauptaugenmerk für die optische Repräsentation setzten wir dabei wie erwähnt auf die alte Musik der Wikinger und Kelten. Wir haben uns ja extra für die Touren zu ,Sverker‘ spezielle Kostüme anfertigen lassen, die uns ans Herz gewachsen sind und die wir natürlich bestmöglich verwenden wollen. Allerdings gaben wir unseren Anhängern auch die Möglichkeit, online zu voten, welche Kompositionen von ,Inter Deum Et Diabolum Semper Musica Est‘, also von unserer damaligen Platte, zum 20-jährigen Band-Jubiliäum auf der entsprechenden Konzertreise gespielt werden sollen. Eine sehr spannende Sache, wie ich finde, die uns sehr interessante Einblicke in die überwiegenden Song-Vorlieben unserer Hörer gewährt.“

Gegenwärtig ist der Mann auch noch immer am Recherchieren für die kommende Corvus Corax-CD, wie zu erfahren ist.

„Ich möchte jedoch im Moment noch nichts dazu verraten. Aber soviel sei mal vorab dazu gesagt: Es wird darauf wieder um Germanen, Kelten und Wikinger gehen. Um ihr Leben, ihre Taten, ihre Schicksale, ihre Lieder. ,Sverker‘ erhielt nämlich dermaßen viel positives Feedback, dass wir uns sehr gerne dafür entschieden, inhaltlich künftig erstmal so weiterzumachen. Ich reiste im Zuge dessen wieder für einige Tage nach Island zu Andis Halla, einer dortigen guten Freundin, die mir neben allerlei Wissenswertem zu ihrer Heimat auch wieder sehr viele Ausspracheregeln dieser Sprache beigebracht hat. Andis fungierte bereits zu unserer großen Erbauung als Gastsängerin mit goldener Stimme auf ,Sverker‘, wofür wir sehr dankbar sind. Mehr noch, es entstand sogar eine überaus angenehme Freundschaft mit ihr daraus, die wir ebenfalls allesamt sehr schätzen“, gibt Lockenkopf Castus noch gut gelaunt preis.

Spielmann von der Pike auf
Sie zählen nicht nur zu den verdienten Mitbegründern eines ganzen Genres, sondern sie repräsentieren diese Art von Musik auch so inniglich und so anhaltend wie nur sehr wenige Acts. So lasse ich Corvus Corax-Frontfigur und singende Stimmungskanone Castus Rabensang hierzu im Weiteren das wahre Wort ergreifen.

Castus, welcher Song fasst das Mittelalter für dich am allerbesten zusammen?



„,Sverker‘, denn darin geht es einzig um historische Könige, Krieger und wackere Streiter. Und letztlich auch um Krieg, und darum, dass er einfach nicht gut ist für die Menschen.“

Und welches ist für dich das beste Mittelalter-Album überhaupt?



„Unser aktuelles Werk ,Sverker‘ und das im Jahr 2000 erschienene ,Mille Anni Passi Sunt‘. Bei ,Sverker‘ ist einfach so dermaßen viel mittelalterliche Geschichte mit drin, inklusive keltischer und Wikingerkultur. ,Sverker‘ behandelt dazu die Durchmischung des heidnischen mit dem christlichen Glauben. Ebenso mittelalterliche Fabelwesen wie beispielsweise die Havfrue, heute besser als ,Kleine Meerjungfrau‘ bekannt. ,Mille Anni Passi Sunt‘ bedeutet übersetzt ,Tausend Jahre sind vergangen‘. Und wir beschäftigen uns darauf mit der Musik, die vor 1.000 Jahren gespielt wurde. Zudem konnten wir dafür den Dracula-Erben Ottomar Rodolphe Vlad Dracula Prinz Kretzulesco als Gastsänger gewinnen, der mittlerweile leider verstorben ist.“

Welche Band öffnete dir die Tür zur Mittelaltermusik?

„Gar keine! Wir als ,Urväter‘ sind da sozusagen selbst hinein getreten beziehungsweise haben uns den Weg geebnet. Als wir damals zum Ende der 1980er nach dem Ausprobieren diverser Musikrichtungen bei uns mit einem Eselskarren durch die Lande zogen, um auch das mittelalterliche Spielmannsdasein mal so nah wie möglich nachzuleben, hat uns das so sehr gepackt, dass es uns bis heute nicht mehr losgelassen hat. Zudem hatten wir auf der Straße unsere ersten nennenswerten Erfolge.“


Was bedeutet dir der Mittelaltermarkt an sich?

„Für mich ist das in erster Linie ein Ort umfassender und vielfältiger Begegnung, an dem es sich gut korrespondieren lässt. Ich freue mich immer wieder, hierbei neben den Mittelalterleuten auch die verschiedensten Szenen wie Gothics und Metaller anzutreffen, neben dem Normalbürger. Alle feiern schön zusammen ein großes Fest, immer wieder auch zu unserer Musik.“

Was nervt dich an der Mittelalter-Szene?

„Vor allem die ganze Kommerzialisierung. Viel zu viel wird unter dem Deckmantel des Mittelalters verkauft, denke ich. Und das nicht nur auf musikalischer Ebene, sondern mittlerweile gibt es sogar einen speziellen Kartoffelauflauf, obwohl die Kartoffel zu damaliger Zeit noch gar nicht aufgetaucht ist. Ich persönlich glaube auch nicht, dass die Wikinger die Kartoffel mitgebracht haben. Ebenfalls nervt es mich sehr, dass so einige Szene-Leute, die sich leidenschaftlich für das Ganze einsetzen und auch ihre Lager aufschlagen, noch immer oftmals abschätzend belächelt werden. Ich wünsche mir auf diesem Sektor also auch noch so einiges mehr an Akzeptanz.“


Wie siehst du das Thema „Elektronische Musik und Mittelalter“?

„Es ist auf jeden Fall mit gewissem Talent zu verbinden. Wer sich mit uns tiefer auseinandersetzt, der weiß von unserer Veröffentlichung ,In Electronica‘ aus dem Jahr 2001, auf welcher wir ebenfalls elektronische Elemente und Mittelalter-Klang verbunden haben. Es wurden meiner Bitte entsprechend dann auch noch ganz spezielle Remixe dieser Lieder von Szene-DJs gemacht, was ich bis heute für eine gelungene Sache halte. Ich kenne auch eine Menge DJs, welche diese Art von Musik auch spielen. Es gehört aber wie gesagt ein gewisses Talent dazu, um das hörenswert hinzubekommen. Ich sage: Aber das muss knallen! Und ich persönliche finde gewisse Bands wie beispielsweise Omnia und Faun total ok.“



Wie erachtest du das Aufkommen von Mittelalter Rock für die Szene?

„Ganz grundsätzlich sehe ich das eigentlich schon als eine Bereicherung an. Aber auch wieder als einen weiteren Weg der großen Plattenfirmen, um auch in der Mittelalter-Szene Geld abzuschöpfen. Und viele Beteiligte schwimmen in diesem Strom einfach nur noch mit. Im Endeffekt entscheidet aber immer noch das Publikum. Cultus Ferox beispielsweise sagen mir diesbezüglich zu.“



Welcher ist für dich der schönste mittelalterliche Ort in Deutschland?

„Definitiv meine Geburtsstadt Wernigerode. Ob Architekturen oder die wunderbare Natur in der Umgebung, ich liebe einfach alles davon von ganzem Herzen.“



Wenn du im Mittelalter geboren worden wärest, was wärest du dann dort am liebsten gewesen?

„Ein Spielmann, ganz klar. Obwohl ich dann damals garantiert nicht alt geworden wäre bei meiner frechen Schnauze.“ [lacht]



Welches stellt für dich das größte Missverständnis über die Mittelalter-Musikszene dar?


„Ich gebe doch hier nicht unsere größten Geheimnisse preis!“



Mit welchem Spruch bekommst du jedes Burgfräulein rum?


„Edles Fräulein, lasst mich für ein schönes Liedchen anstimmen, dann werdet ihr mich bis ans Ende meiner Tage verehren!“ 


© Markus Eck, 14.04.2013

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