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Interview: CRYSTALLION
Titel: Bodenständige Realisten

Ihr aktuelles Debütalbum „A Dark Enchanted Crystal Night” ist ziemlich untypisch für eine deutsche Melodic Power Metal-Gruppe, und das in absolut positivem Sinne.

Denn die süddeutschen Stahlkocher mit der starken melodischen Schlagseite liefern tolle Songs der guten alten Schule dieser Stilistik, welche man von Neulingen wie diesen überhaupt nicht in solch hoher Güte erwartet hätte. Und sie kopieren auch vor allem nicht dermaßen dreist und gleichzeitig naiv wie so viele andere einheimische Vertreter ihrer musikalischen Gattung. „Noble Power Metal“ nennen Sänger Thomas Strübler und seine Band ihre feine Dramatikermusik, und das scheint auch absolut berechtigt.

„Ich würde mal sagen, wir wissen alle sehr genau was wir wollen und was nicht. Bis zu einem gewissen Grad sind wir natürlich bereit, Kompromisse einzugehen, das geht ja in einer Band auch nicht anders. Aber ganz allgemein würde ich uns als entschlossene, für unsere Ziele zu kämpfen bereite Menschen bezeichnen. Eine genauere Charakteranalyse meiner Kollegen spare ich mir an dieser Stelle, über mich könnte ich noch sagen, dass ich im wirklichen Leben das genaue Gegenteil von meinem „Bühnen-Ich“ bin, also eher introvertiert“, äußert sich Thomas hinsichtlich der ersten Interview-Frage.

Das aktuelle Crystallion-Album bietet meiner Ansicht nach endlich mal wieder richtig guten Melodic Power Metal aus deutschen Landen, nach all den Jahren nach dem Abgang der guten alten Helloween mit einem damalig superben Kiske am Mikro. Wie schätzen die Süddeutschen ihr aktuelles Material denn nun selbst ein? Der Sänger hierzu:

„Zuerst muss ich schnell loswerden, dass ich auch die letzte Scheibe von Helloween sehr gut fand und Andi Deris, zumindest auf der letzten Tour, live der Hammer war. Unser Material schätzen wir naturgemäß sehr hoch ein. Wir haben all unsere Energie in diese Produktion gesteckt und die Wochen im Studio waren harte Arbeit. Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden, wobei es natürlich immer Dinge gibt, die man im Nachhinein anders gemacht hätte. Aber da sich das Album im Großen und Ganzen sicher gut hören lassen kann, auch im Vergleich mit der Konkurrenz, sind wir sehr stolz auf unser Debüt.“

So war auch das Feedback der Leute auf den Konzerten uneingeschränkt positiv, wie von Thomas zu erfahren ist.

„Auch dort, wo uns die allermeisten nicht kannten, wurden wir abgefeiert, was uns natürlich sehr motiviert. Wir machen aber auch etwas dafür, sind auf der Bühne ständig in Bewegung, nützen den gesamten Platz aus, beziehen die Leute mit ein und geben jeden Abend alles. Das ist für ehrliche Musiker auch das einzig Wahre. Sollten die Begleitumstände auch mal nicht die besten sein – beispielsweise keine Verköstigung, wenig Publikum, keine Gage, mieser Sound etc., ist das trotzdem vergessen, sobald wir auf der Bühne stehen. Wir könnten es uns in unserer jetzigen Situation auch nicht leisten, Arroganz zu zeigen. Zu den kommenden Live-Aktivitäten: Am 23. und 24. Februar 2007 spielen wir zwei Schweiz-Gigs mit unseren Label-Kollegen Medusa´s Child, am 23. März sind wir dann mit Wizard in München zu sehen. Am 31. März spielen wir in Rosenheim mit unseren Freunden von Scavanger und am 8. April, Ostersonntag, sind wir zum zweiten Mal am Titans Of Power-Festival bei Mönchengladbach zu Gast. Darauf freuen wir uns besondern, weil das erste Mal wirklich toll war! Änderungen sind auf unserer Homepage www.crystallion.net nachzulesen.“

Die Reaktionen der Presse zum aktuellen Werk sind geteilt, wobei jedoch die positiven Kritiken – glücklicherweise – bei weitem überwiegen. So ist von dem Sänger hierzu zu erfahren: „Die Online-Magazine reagierten fast ausschließlich positiv, die gedruckten Magazine, besonders die großen, waren etwas zurückhaltender. Also, so richtige Verrisse waren aber nur ganz wenige dabei. Ohne zu empfindlich klingen zu wollen muss ich aber sagen, dass gerade die „schlechten“ Kritiken oft wirklich schlecht geschrieben waren. Über manche dieser Kritiken ärgert man sich daher, weil ein zum Rezensent eigentlich ungeeigneter Mensch unsere Chancen erheblich schmälert. Gegen konstruktive Kritik ist natürlich nichts einzuwenden, aber oft ist von konstruktiv halt leider nichts zu erkennen.“

Als die Band gegründet wurde, Thomas war damals noch nicht dabei, war die musikalische Richtung noch nicht endgültig festgelegt. „Crystallion klangen damals rockiger, auch die Lyrics gingen noch nicht in die heutige Richtung. Als ich in die Band kam, war das ganze schon ernsthafter und unser Stefan hatte auch schon begonnen, sein Faible für die Zeit der Kreuzzüge textlich auszuleben. Mittlerweile können wir behaupten, unsere finale Ausrichtung gefunden zu haben – eben melodischer Power Metal mit textlichem Schwerpunkt auf der Zeit der Kreuzzüge. Aber auch andere Themen sind zugelassen.“

Der Sänger persönlich hört seit seinem elften Lebensjahr sehr gerne Iron Maiden.

„Danach kamen so nach und nach Bands wie Manowar, Blind Guardian, Edguy, Rhapsody Of Fire oder Helloween dazu, aber Maiden sind für mich seit ich denken kann die Größten und werden es auch für immer bleiben. Stefan steht beispielsweise auf Domine, Dragonforce und so Einiges mehr, das ich nicht mal richtig kenne. Aber eben ähnliches Zeug wie ich es auch gerne höre. Genauso wie die anderen auch höre ich aber nicht nur Metal. Während unser Paddy auf Gothic und Dark Wave steht, frönt Manu auch der klassischen Musik. Wir sind also nicht so verbohrt, wie man glauben könnte, wenn man sich unser Album anhört.“ [lacht]

Crystallion werden ihr zweites Album voraussichtlich im Spätsommer beziehungsweise Frühherbst 2007 aufnehmen und noch heuer veröffentlichen, wie die Beteiligten hoffen:

„Musikalisch werden wir uns auf sehr ähnlichem Wege wie auf dem Debütalbum bewegen, textlich wird sich jedoch einiges ändern. Während auf der aktuellen CD „A Dark Enchanted Crystal Night“ die Kreuzritter nur teilweise eingeflossen sind, wird die nächste Scheibe ein Konzeptalbum über die Schlacht von Hattin werden, einer Schlacht am Ende des 12. Jahrhunderts, die den ersten Vorboten des Untergangs der Kreuzritter darstellte. Ein paar Songs davon stehen bereits und ich glaube, dass ich nicht zu viel verspreche, wenn ich sage, dass diejenigen, die unser Debüt mochten, auch vom neuen Material angetan sein werden.“

Thomas selbst hat sich noch nie Gedanken darüber gemacht, was ihn nun explizit dazu bringt, solcherlei Stilistik mit der Band zu kreieren. „Ich, für meinen Teil, mache diese Musik, weil ich seit meinem elften Lebensjahr damit lebe und sie liebe – wie das die anderen in unserer Gruppe definieren würden, weiß ich nicht. Es ist nicht so, dass ich ein bestimmtes Zeichen setzen will mit dieser Art von Metal – es ist einfach so, dass etwas anderes für mich nicht in Frage käme. Irgendwelchen Trends nachzulaufen ist jedenfalls nicht unser Ding.“

Ich bitte meinen Gesprächspartner, seine Einstellung zur deutschen Metal-Szene darzulegen. „Eigentlich habe ich die bisher gar nicht definiert. In der kommerziellen Oberliga ist natürlich einiges zu finden, da sind wir selbst natürlich Fans und gehen auf Gigs und sammeln Autogramme usw. Was nun die Underground-Szene betrifft, ist zumindest bei uns im Süden wenig bis gar nichts los. Konzerte finden nicht selten fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und die Auftrittsmöglichkeiten sind generell begrenzt. Der Zusammenhalt unter den Bands erscheint mir bisher jedoch gut – da wird versucht, sich gegenseitig Auftritte zu beschaffen, man verlinkt sich auf den Homepages usw. Von dieser Warte aus betrachtet gibt es also durchaus Lichtblicke. Obgleich es trotzdem sehr schwierig ist.“

Einige Mitglieder von Crystallion sind noch in anderen Bands tätig, wie Thomas im Weiteren erzählt.

„Alle bis auf mich arbeiten auch. Ich studiere zurzeit noch Politikwissenschaft in Salzburg. Was die anderen aber wirklich in ihrer Freizeit machen, weiß ich gar nicht. Dazu wohnen wir zu weit voneinander entfernt, und auf Tour, wo man das vielleicht mitkriegen würde, waren wir ja bisher noch nicht. Ich kann also wieder nur für mich sprechen: Ich versuche mich seit einiger Zeit durch verschiedene Sportarten fit zu halten wie beispielsweise Laufen, Mountainbike und Skifahren und bin auch viel am Lesen. Außerdem sind vier von uns auch schon vergeben, langweilig wird uns also nicht.“

Alkohol trinken die Jungs von Crystallion sehr gerne.

„Einige von uns etwas mehr, ich etwas weniger. Während der Proben gönnen sich die anderen schon mal ein, zwei Flaschen Bier und am Wochenende sowieso. Was deren Lieblingssorte Bier ist, weiß ich aber leider nicht. Ich selbst würde Stiegl-Bier aus Salzburg empfehlen. Da werden mir aber meine deutschen Kollegen wohl nicht zustimmen. [lacht] Vor Auftritten wird jedoch nichts getrunken; wir gehören nicht zu der Sorte Band, die abgefüllt auf die Bühne torkelt und die Fans verarscht.“

Ich erkundige mich noch nach aktuellen Zielen der Melodic Power Metal-Formation. Thomas hierzu:

„Wir sind jedenfalls nicht unrealistisch, erwarten uns also nicht, mit dem nächsten Album die „Hammerfall-Karriere“ zu starten und als Stars ohne Geldsorgen bis ans Ende unserer Tage zu leben. So etwas kann man auch nicht planen. Viel mehr arbeiten wir einfach hart und entschlossen am nächsten Album, hoffen, dass es noch besser ankommt als das erste und dass wir vielleicht mal auf irgendeiner Tour unterkommen können. Wir stecken uns realistische Ziele und arbeiten dann darauf hin. Markus, ich bedanke mich bei dir für das Gespräch! Was bleibt mir noch zu sagen? Kauft unser Album, kommt zu unseren Konzerten und unterstützt den Underground!“

© Markus Eck, 20.03.2007

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