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Interview: DORN
Titel: Von Euphorie durchjagt

„`Spiegel der Unendlichkeit` ist die Rückkehr zu den Wurzeln der Band“, verkündet mir Sänger, Gitarrist und Komponist Roberto Liebig.

Dieses mittlerweile fünfte Studioalbum legt aktuell Zeugnis von den gegenwärtigen kreativen Geschicken der deutschen Melodic Dark Metal-Gruppe ab, welche der beflissene Potsdamer Musikus anfänglich zunächst als reines Soloprojekt am Laufen hatte. Bereits der – nicht nur stilistisch – sehr eigenwillige Albumvorgänger „Suriel“ zeugte von außergewöhnlichen künstlerischen Ambitionen.

Das ganz Besondere wollten die beteiligten Musiker auch in Form des neuen Schwermetalldiskus unter die Hörer schleudern. Dramatikergroßmeister Liebig und Tieftöner Micha parierten meine Interviewfragen ebenso geschickt wie ihre gegenseitig von sich aus zugeschossenen hochdynamischen Taktsalven. Gemeinsam blickten wir also mit gebannten Blicken in den „Spiegel der Unendlichkeit“.

„`Suriel` war sozusagen auch der Anfang von Dorn als komplette Band, bei dem man sicherlich auch viel ausprobieren musste“, konstatiert Roberto.

„Ich denke, dass wir viel aus `Suriel` gelernt haben und heute besser denn je wissen, in welche Richtung wir uns bewegen wollen. Bei jedem Song, den ich schreibe, bin ich hin und her gerissen von der Musik nach Gefühl und von der ehernen Musiktheorie, die so manche Regel vorgibt, an die man sich halten sollte. Aber meistens klingen diese Regeln scheiße und nicht nach meinem Geschmack, also vergesse ich sie regelmäßig“, bekennt Roberto in aller Offenheit, sehr zum Leidwesen von Produzent Claus Prellinger: „Der erinnert mich immer wieder kopfschüttelnd, tadelnd und mit einer Jammerpredigt daran, was ein Ohr nur auf einmal hören kann. Zum Glück hat ein gesunder Mensch ja zwei“ [lacht] Am Anfang steht bei mir immer die Idee, die Vorstellung, die Vision von einem Klang beziehungsweise von einem Thema.“

Alles Weitere ergibt sich dann durch Gefühl und viel Erfahrung, sagt er ergänzend. „Ich habe ja aus den `Fehlern` der Vergangenheit gelernt. Addiert man nun noch ein wenig Ignoranz gegenüber der aktuellen Musikszene und was jeweils gerade `in` ist, dann kann ich mich erst richtig austoben und niemand hält mich auf.“

Wenn der gute Roberto beispielsweise ein bestimmtes kompositorisches Thema fertig erstellt hat, welches ihm selbst immens gut gefällt, dann hört er es sich laut eigener Aussage immer wieder an.

Er springt dabei, wie er scherzhaft wissen lässt, nicht selten wie Rumpelstilzchen im Proberaum umher. Und er erschrickt zuweilen, so der Mann, wenn ihn ein Nachbarmusiker mit offenem Mund und großen Augen fassungslos dabei beobachtet hat, da er wie so oft die Proberaumtür mal wieder nicht abgeschlossen hat.

Dann wird es wieder ernst. Der ausgesprochene Leidenschaftsmensch expliziert nachfolgend zur musikalischen Anmut des brandneuen Dorn-Albums:

„Das wohl Auffälligste beim neuen Silberling ist die Mischung aus Komplexität und aufwändigen Arrangements mit der immer nachvollziehbaren Struktur und Eingängigkeit. Die Keyboards sind einen gehörigen Touch orchestraler und heroischer als früher gespielt worden, auf eine weibliche Stimme wird aktuell wieder verzichtet. Die neue Musik als Ganzes ist schnell, melodiös und betont rhythmisch – aber trotzdem nicht zu verzwickt und nicht zu fanatisch verspielt.“

Ich haue den selbsternannten Einzelgänger und Zivilisationsflüchtling auf seine Einstellung zur modernen Gesellschaft an.

„Eine nette Frage. Seit Jahren habe ich keinen Fernseher mehr, lese keine Zeitung, höre kein Radio und nutze das Internet nur noch zum Zocken und für Emails. Am elften September 2001 habe ich beispielsweise eine SMS von meiner Freundin bekommen, ohne die ich das damalige Ereignis irgendwann nebenher auf der Arbeit erfahren hätte. Ich kann also über die von dir angesprochenen gleichgeschalteten Systemmedien nichts Genaueres erzählen. Aber der Grund meines großen Desinteresses ist der, den du aufgezeigt hast. Ich kann dem nichts abgewinnen, es bringt mir nichts. Alles verschwendete Zeit, die ich lieber woanders investiere. Außerdem bin ich so ein Denkergemüt und leider philosophisch veranlagt, dass mich das alles zermürben würde.“

Zermürbende Grübeleien über den sensationsgeilen Pöbel auf der ganzen Welt, so spricht Roberto es völlig unumwunden aus, bringen ihn nämlich direkt ins geistige Verderben.

„Wenn ich im Bus lesen möchte und neben mir eine Horde klugscheißender Studenten Gedanken, welche die ach so schreckliche Welt verbessern werden, lautstark äußern, bekomme ich Magenkrämpfe und schlechte Laune. Ich habe genug vom Alltagsgeschäft `Gesellschaft`, es zu beobachten oder zu kritisieren beziehungsweise darüber nachzudenken. Lieber suche ich mir Gleichgesinnte, die nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen und lebe in meiner eigenen Welt, in der ich auch was bewirken kann und nicht ständig gegen Mauern renne und aus Luftschlössern falle. Nennen wir es Resignation, Gleichgültigkeit. Ich lasse mich nicht mehr stressen, denn wie ich so oft in meinen Texten darlege, wird die Masse der Menschen auch künftig der Dummheit anheim gefallen sein, und ein Weltverbesserer will und werde ich nicht sein. Ich lebe nach der Prämisse: `Nach mir die Sintflut!` Ich habe mir meine eigene Welt aufgebaut, bin ein Einzelgänger geworden und äußerst zufrieden damit. Ich liebe das Abtauchen in andere Dimensionen, so oft es denn die `normale` Welt zulässt. Das kann ich am besten beim Komponieren, Zocken, Lesen und im Bett.“ Gut so. Denn es gilt: Lieber ein eckiges Etwas als ein rundes Nichts.

Jetzt schaltet sich Bassist Micha ein: „Ja, Markus, ich gebe dir in diesem Punkt absolut recht. Die massenmediale gezielte Volksverblödung steigt von Tag zu Tag und wir sind sicher noch nicht auf dem Gipfel angekommen. Selbst angeblich „seriöse“ Tageszeitungen berichten voreingenommen beispielsweise über die Situation im nahen Osten und betreiben dadurch schamlos und wissentlich Propaganda und subjektive, einseitige Berichterstattung. Im Fernsehen ist es nicht anders – da löst beispielsweise die reißerische Reportage über die bösen Killer-Egoshooter-PC-Spiele einen Bericht über die Vorteile von Videoüberwachung öffentlicher Plätze ab, dem wiederum eine Studie über die potentiell gefährlichen Nachbarn vorausging, die in eine Moschee zum Beten gehen. Was eigentlich die Christen so viel besser macht als die Moslems, das hat mir im Fernsehen noch niemand versucht zu erklären. Was mich jedoch wirklich betroffen macht ist, dass wir in einem System von Angebot und Nachfrage leben, man also davon ausgehen muss, dass die Masse der Leute genau das bekommt, was sie will. Würden sich noch 10 % für das aktuelle Mediengeschehen begeistern oder es für bare Münze nehmen, statt 90 %, würde sich auch etwas ändern, aber solange das, was angeboten wird, auf breite Akzeptanz stößt, muss man sich wohl dem Recht der Mehrheit beugen. Insofern kann man noch nicht mal die Macher kritisieren sondern die Konsumenten sind es, die sich förmlich danach sehnen, wie eine dumme Schafherde behandelt zu werden und von der Last des Selbstdenkens befreit zu werden. Am einfachsten ist es doch, wenn man sich sagen lässt, was richtig oder falsch ist. Man könnte natürlich, so wie du es tust, auch vermuten, dass die Medien bewusst versuchen, ihr Volk zu manipulieren, es in eine bestimmte Richtung des Denkens zu bewegen, gemeinsame Feindbilder aufzubauen. Das mag auch zutreffen, aber dazu denke ich erstens, dass das nur einen geringen Prozentsatz der Berichte und Medien ausmacht und dass zweitens der Versuch noch nicht strafbar ist. Jeder versucht doch sein Umfeld zu manipulieren. Was strafbar sein sollte, ist Dummheit und die Faulheit – dagegen etwas zu tun auf der einen Seite und die gleichen Menschen auf der anderen Seite, die schreien wie schlecht es ihnen geht ohne je versucht zu haben zu begreifen, woran das liegen könnte.“

Ich frequentiere Roberto im Anschluss mit der Frage nach seinen innersten Gefühlen, die er erlebt, wenn er an seine neuen Lieder denkt – und ob er dabei auch an all die Leute denkt, die sie hören werden beziehungsweise was diese dabei wohl empfinden. Die Antwort klingt überzeugend:

„Ich liebe sie. Seit langem fühle ich mich wieder sehr verbunden zu meinen Liedern, was kurzzeitig eben nicht mehr der Fall war. Noch immer habe ich sie nicht satt, was schon was bedeutet als Musiker, der seine Lieder immer und immer wieder spielt. Zwar drängt es mich schon nach Neuem, aber die Songs verursachen immer noch Gänsehaut. Mit dem neuen Album habe ich eine kleine Welt erschaffen, die ich in meinem Kopf mit Bildern zur Musik assoziiere. Sie entstanden schon vor langer Zeit, beim Komponieren und vor allen Dingen beim Schreiben der Texte. Trotz des Stolzes auf die Kompositionen bleibt die Ungewissheit, wie es denn wirklich ankommt. Nicht jeder wird unseren Geschmack teilen. Es bleibt nur abzuwarten wie viele einen anderen Geschmack haben und wie viele auf unserer Welle reiten werden. Allerdings schreiben wir Songs in erster Linie für uns und erst dann versuchen wir einige Aspekte der massentauglichen Musik mit einzubauen, wenn sie denn reinpassen“, gibt mein Gegenüber lachend zu Protokoll.

Viersaitenspieler Micha verspürt laut eigener Aussage Gefühle wie Freude, Zufriedenheit und Stolz, die ihm dazu als erstes einfallen.

„Kurz darauf kommen mir dann wieder Zweifel, ob alles wirklich so geworden ist, wie es werden konnte, ob es nirgends mehr etwas gibt, das man noch hätte besser machen können. Diese beiden Gegensätze wechseln sich oft ab. Ich bin aber trotz allem hoch zufrieden, mit dem, was wir als Band erreicht haben, mit dem, was das neue Album alles enthält. An die Hörer der Musik denke ich dabei erstmal gar nicht. Irgendwann kommt zwar schon der Gedanke, ob das, was ich beziehungsweise wir da erschaffen haben, auch anderen gefallen könnte – aber bis es soweit ist steht erstmal im Vordergrund, dass es uns gefällt. Das ist nach wie vor das Hauptkriterium unserer Musik. Wenn ich weiter darüber nachdenke, kommt mir schon der Gedanke, dass die „Fans der ersten Stunde“ das neue Material wohlwollender aufnehmen werden als die Menschen, die uns erst durch „Suriel“ kennen gelernt haben, weil die Musik doch wieder etwas rauer geworden ist. Und die Menschen, die jetzt zum ersten Mal mit unserer Musik in Kontakt kommen, werden hoffentlich denken, dass es schon etwas anderes ist, was sie da in den Händen halten, dass es nicht klingt wie die nächste Viking-Band oder die nächste Melo-Death-Combo, die wie In Flames klingen soll. Wir hoffen, dass sich der Hörer auf unsere Musik einlassen wird, dass er sie mehr als einmal hört und dass ihm dabei auffällt, dass man auch beim zweiten und dritten Hören Dinge feststellen kann, die vorher nicht aufgefallen sind oder die einfach nicht erwartet wurden. Na ja, das hoffen wir wenigstens.“

Seine Phantasie ist es, welche Roberto im Weiteren als seinen größten inneren Antrieb nennt, um diese Art von Musik zu machen. Er expliziert diesen Kontext auffallend impulsiv:

„Sie ist es, die mich ständig nährt und sie ist es auch, die meine Gedankenwelt mit Stürmen heimsucht. Die Musik drückt vollends meine inneren Wünsche aus, Gefühle, die ich gern erlebe. Ich habe Bilder vor Augen, wenn ich die Passagen schreibe oder spiele, schließe die Augen und bin völlig weggetreten. Bei sehr heroischen Themen bin ich dermaßen aufgekratzt und fühle wie mich die Euphorie durchjagt. Ist dieser Punkt erreicht, kommen sofort die nächsten Einfälle und ich öffne die Augen und gehe weiter an die Arbeit. Die Motivation ist auf dem Höchstpunkt. Nicht selten stehe ich eine ganze Nacht im Proberaum und fahre im Morgengrauen nach Hause. Jetzt könnte man vielleicht auch verstehen, warum ich die von Claus gewünschte Musiktheorie irgendwie ständig vergesse. Ich fühle eben nur die Musik.“

So hat das Musikmachen über die Jahre einen anderen Menschen aus ihm gemacht, wie er konstatiert. Einen Roberto mithin, der ohne so dermaßen emsig zu Musizieren in der heutigen intellektuellen Verfassung nicht existieren würde.

„Aber ich kann das natürlich nicht so differenzieren zu einem Menschen, der ohne „Musikmachen“ durch die Welt schreitet. Seit 13 Jahren mache ich Musik. Mir hat mal eine Freundin erzählt, dass sie sich oft ausgeschlossen mir gegenüber fühle, dass ich sie nicht an meinem Leben teilhaben lasse. Das trifft es wohl, wenn man sagt: Anderer Mensch. Die Musik führt mich weg von „normaler“ und sturer Denkweise. Total unbewusst schwebt man irgendwo anders herum, als seine Mitmenschen, träumt vor sich hin, sieht Dinge komplett anders und werkelt im Kopf an irgendwelchen Melodien und an Bildern dazu. Und das kann mir in jeder Lebenssituation passieren. Ich empfinde das aber nicht als negativ, sondern es erfüllt mich. Auch bringt das Musizieren völligen Ausgleich vom „Gesellschaftsstress“. Es ist eben meine Welt, und dorthin kann weder meine Freundin noch ein anderer Mensch mitkommen. Anderen Musikern, aber auch manchen Hörern, dürfte dieses Gefühl bekannt sein, nur ist es bei jedem Menschen eben anders, das bilde ich mir zumindest so ein.“

Wir setzen uns schließlich mit musikalischen Veränderungen im Hause Dorn auseinander und in welche Richtung sich die musikalischen Ziele beziehungsweise Interessen seit der damaligen Gründung der Band überhaupt entwickelt haben. Und Roberto erläutert hierzu:

„Auf jeden Fall möchte ich keinen Viking-, Pagan-, Heathen,- usw.- Metal machen, möchte zuallererst eigenständig sein. Aber trotzdem hat sich eine Menge verändert. Als Zusammenfassung könnte man sagen, dass es mit dem neuen Album bei Dorn wieder „back to the roots“ geht. Die Songs sind insgesamt schneller geworden. Die weibliche Stimme, die es noch bei „Suriel“ gab, wird es nicht mehr zu hören geben und die Synthesizer-Linien wurden im Vergleich zum Vorgängeralbum noch ein ganzes Stück erhabener, voller und auch ausgefeilter gestaltet. Der Hörer wird bei jedem Durchlauf neue Nuancen entdecken, die er vielleicht bis dahin überhört hatte. Fazit: In dieses neue Album flossen meine ganze Erfahrung, die hilfreichen Tipps von Micha und Drummer Sebastian, die super Ideen zur Verbesserung von Prototypen hatten, und Dorn´s gesamte Musikvergangenheit ein.“

War „Suriel“ daher also noch der Auftakt, so ist „Spiegel der Unendlichkeit“ der Hauptakt, so der Sänger: „Flott, rhythmisch, atmosphärisch, eingängig. Noch verspüre ich keinen Drang zum Ändern unseres Stils. Die Musik gefällt mir. Jedoch möchte ich auch hier und dort kleine Neuheiten mit einbringen, was man auf dem Album sicherlich auch entdecken wird. Album für Album das Gleiche abzuliefern liegt mir genauso fern, wie ein kompletter Stilwandel. Da ich Dorn damals als Nebenprojekt zur Verwirklichung meiner eigenen Vorstellungen gründete, bleibt dieser Punkt auch heute noch von Bedeutung. Also wird Dorn auch in Zukunft immer ein Sonderling in den eintausend Sparten bleiben, den man nicht so ohne weiteres klassifizieren kann.“

So einige Einflüsse und Inspirationen waren für das neue Werk „Spiegel der Unendlichkeit“ wieder von Relevanz.

Viele Soundtracks von Filmen beziehungsweise -Trailern, aber auch Stücke aus diversen PC-Spielen haben Beiträge bei seiner Ideenfindung geleistet, resümiert Roberto:

„Zumindest denke ich das, denn ich höre selten andere Bands und ich schreibe nicht bewusst nach einer bekannten Melodie, sondern aus meiner Phantasie. Gegen unbewusste Einflüsse wird man allerdings nie etwas ausrichten können. Sollte ich jedoch so was bemerken, verwerfe ich das Stück, blase Trübsal und ärgere mich, dass mir so was nicht eingefallen ist.“

Der Maestro macht sich wenig Gedanken im Vorfeld darüber, worüber er Songtexte schreiben möchte, wie er bekundet. Meistens sitzt er dann vor einem leeren Blatt und starrt eine halbe Stunde darauf herum. Doch:

„Irgendwann fliegt der Stift dann förmlich über das Papier. Viele sagten mir, dass man ohne Erklärung schwer einen Sinn in meinen Texten erkennt. Das ist natürlich nur bedingt beabsichtigt, doch ich wehre mich vehement gegen Texte, die mir zu einfach erscheinen. Ich liebe es, Wörter zu erfinden, die es nicht gibt und ihnen meinen eigenen Sinn einzuhauchen und lasse Freiraum für jeden Leser, sein eigenes Bild zu erschaffen.“

Die neuen Texte von „Spiegel der Unendlichkeit“ drehen sich im weitesten Sinne um den Krieg, wie in Erfahrung zu bringen ist.

„Aber um einen Krieg in den Köpfen der Menschen. Schlachten in Gedanken. Und Glaubenskriege, nicht nur religiöse. In jeder Hinsicht. Und natürlich die daraus resultierenden Handlungen. Ich habe versucht, Krieg treibende Gedanken in Bilder zu stecken, welche durch die Wörter beschrieben werden und Kriegstreiber zu verkörpern. Und letztendlich sind diese Gedankenkriege ein ewiger Zyklus, der sich immer wiederholt. Somit kam der Titel des Albums zustande. Es ist reine Philosophie! Also reine Ansichtssache und alles sehr offen, was die Verkörperungen angeht und die Interpretation der Leser.“

„Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen“ ist ein programmatisches Motto der neuen Scheibe, sowie „Der ewige Kampf zwischen zwei sehr starken Mächten, ungeachtet ihrer zahlreichen Namen und Arten sowie Wirkungen und Erscheinungsformen“.

Wobei Dorn aber schon ganz bewusst auf eine Kategorisierung im Sinne von „Gut“ oder „Böse“ verzichten.

„Dieses Motto ist mehr als passend. Wir interpretieren es so, dass für die Lebenden der Krieg nie enden wird. Erst mit dem Tod erleben sie den Frieden. „Spiegel der Unendlichkeit“ – was geschieht, wenn ich zwei Spiegel gegenüber stelle? Ich bin der Ansicht, dass Fanatismus, Dummheit sowie Intelligenz und Hinterlist große Rollen spielen, solange die Menschheit existiert. Deshalb sehen wir die lyrische Thematik als zeitlos an. Was den ewigen Kampf der Mächte betrifft, so kann man sich alles darunter vorstellen: Ob sich Neid und Arroganz gegenüber stehen oder Hass und Liebe, etc. Überall kämpfen Menschen in ihren Köpfen und schneller als man es erahnen würde, erliegt der Verstand den Einflüsterungen der Gefühle und sie lenken das Tun. Ich kann und will keinem Krieg treibenden Gedanken eine Wertung von gut oder böse zukommen lassen. Woher soll ich dieses Wissen nehmen? Wer wertet etwas als böse oder gut? Deshalb lasse ich es und beschreibe nur in meiner Phantasie den Weg der Unendlichkeit, den Weg der Gegensätzlichkeit. Ich will ausdrücken, dass es mächtige Kräfte gibt, die man Gefühle nennt. Allerdings habe ich den Mächten textlich nicht nur Synonyme, sondern auch Haupteigenschaften geschenkt. Während der Winter und dessen Anhänger für Lüge, Gift, Neid, Hass und Heuchlerei stehen, verkörpert das Feuer die Reinheit, Vernichtung, Verheerung, Chaos, Rache und den Tod. Dadurch wird man den Zyklus erkennen können, der unweigerlich voranschreitet. Und deshalb ist eine Kategorisierung nicht möglich. Was war zuerst da? Das Huhn oder das Ei?“

Die Synonyme Winter und Feuer verdeutlichen also die Gegensätzlichkeit, womit Roberto seinem lyrischen Weg beziehungsweise den bisherigen Plattentiteln treu bleibt.

„Weil ich eine Grüblernatur bin. Leider. Ich kann mich nicht auf eine feste Gedankenansicht festlegen. Bin ich kurz davor, denke ich an die andere Seite und das Grübeln geht von vorn los. Und es liegt daran, dass ich nichts für richtig oder falsch erklären kann. Oder gar als gut oder böse, normal oder unnormal. Entscheidet man sich für einen Weg, hat man nie den anderen kennen gelernt. Woher weiß man, ob man den „richtigen“ Weg wählte? Mir macht es tierischen Spaß, für viele Menschen selbstverständliche Sachen im Leben anders zu betrachten und Fäden weiter zu spinnen. Bildlich zu verpacken, ohne einen Pinsel und Farbe zu benutzen, neue Sinnwörter zu erfinden und daraus eine Geschichte zu schreiben. Der „Spiegel der Unendlichkeit“ ist nichts weiter als ein Konstrukt der menschlichen Gedankengänge und der daraus resultierenden Handlungen, welche ich in die Bilder Winter und Feuer gepackt habe. Sie können in ganz kleinem Maße gegeneinander kämpfen, aber auch in einem riesigen Ausmaß. Für die Gegensätzlichkeit ist das Ausmaß jedoch irrelevant.“

Als der philosophisch veranlagte Dornenmann beim 2006er Eisenwahn-Festival mit seiner Band auf der dortigen Bühne zu erleben war, konnte er die Besucher überaus angenehm mit seiner intensiven Präsenz überraschen.

„Nein, ich übe keine Mimik. Die Bühne ist etwas Aufregendes, es ist der Höhepunkt, ein Sturm der Gefühle. Und das headbangende Publikum ist der beste Lohn, den man nach nächtelanger Katakombenarbeit bekommen kann. Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen und die eigenen Lieder so verstärkt zu genießen! Ich genieße auch den Mittelpunkt, das Rampenlicht; das gestehe ich gern! Was die Mimik angeht, so kann ich dir versichern, dass ich auf der Bühne die Lieder noch mehr „lebe“ als im Proberaum. Kein Herunterrattern des Geübten, nein vielmehr Identifikation mit dem Eigenen, das Herauslassen der wahren Gefühle. Es nervt mich tierisch, dass ich ständig am Mikro rumhängen muss und keine freien Hände habe, sonst könnte ich noch viel emotionaler agieren. Natürlich habe ich auch hier Bilder im Kopf, die aber niemand sieht. So entstehen bestimmte Mimiken, die ich während der Show zum Besten gebe; auch, weil mich das Mikro an einen Ort bannt. Ich will dem Publikum dadurch natürlich mehr Stimmung und Atmosphäre zum Konzert und zu den Liedern verschaffen. Apathisch vor den Fans herum zu stehen und die eigenen Lieder runterzubeten ist nicht mein Ding.“

Das Hochgefühl stellt sich bei ihm immer ein, so Roberto im Anschluss.

Ganz egal, ob nun vor zehn oder vor 1.000 Leuten. Dieser Punkt spielt für den vielfältigen Musikanten dabei überhaupt keine Rolle, wie er zugibt.

„Nur steigert sich natürlich die Euphorie bei 1.000 Leuten deutlicher und schneller als bei zehn. Über kommende Live Aktivitäten informiert natürlich regelmäßig unsere Website www.d-o-r-n.de und unser Newsletter. Keiner von uns möchte die Bühne missen, also liegt es klar auf der Hand: Wir wollen auf jeden Fall weiterhin in Clubs, auf Festivals oder anderen Veranstaltungen spielen. Wir sind schon am Planen und Organisieren und es wird sicher noch das eine oder andere Konzert von uns in diesem Jahr geben. Die ersten beiden Festivals sind für dieses Jahr schon mal klar, das ist das Dark Eastern in Berlin in das Rekwi-Festival in Hof. Als fieser Black Metaller müsste ich wohl meine gewünschte Zukunft als schwarz definieren! [lacht] Natürlich schrauben wir daran etwas herum, sodass wir so viel wie möglich öffentlich zu sehen und zu hören sind. Und natürlich ist das nächste Album geplant, was mich wieder in den Proberaum verbannt. Davon abgesehen hoffen wir noch immer, dass wir irgendwann wieder einen Keyboarder aus Fleisch und Blut in unseren Reihen haben, genau wie uns nach wie vor eine Gitarre mit angehängtem Gitarristen fehlt. Ich will den Platz hier auch noch nutzen, um unserer Forum-Community großen Dank auszusprechen, die sich viel Mühe gemacht hat, uns in vielen Sachen zu unterstützen. Wir freuen uns, dass ihr uns seit so vielen Jahren begleitet und möchten euch auch nicht mehr missen. Außerdem fällt und steht eine Band mit ihren ganzen Helfershelfern, die oft vergessen werden. Ohne sie wäre vieles nicht möglich: Dickes Lob also an euch alle! Und schon oft stellte ich mit Genugtuung und Erleichterung fest, dass Musik verbindet, ohne dass gleich das giftige Konkurrenzdenken das Miteinander verdirbt! Gruß und Erfolg an alle Bands, mit denen wir so viel Spaß hatten!“

© Markus Eck, 31.01.2007

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