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Interview: EDENBRIDGE
Titel: Von Dualitäten fasziniert

Mit dem neuen und sechsten Studioalbum „MyEarthDream“ zeigen sich diese beständigen Österreicher von ihrer klanglich allermächtigsten Seite.

„MyEarthDream“ trumpft mit wahrlich gigantischen Orchestrierungen edel auf. Anmutiger Epic Symphonic Metal vom Allerfeinsten also mal wieder, international vollauf konkurrenzfähig und dazu noch unverbraucht und taufrisch erklingend.

Dass Frontfrau Sabine Edelsbacher auch die neuen Edenbridge-Hymnen wieder derart beherzt besingt, liegt ihrer Aussage nach daran, dass sie die Songs, die Lanvall schreibt, so tief berühren:

„Seine Kompositionen sind inspiriert von einer Energie, die für mich überirdisch ist. Das ist was ich spüre und was ich so anziehend finde. Andererseits fühle ich mich gerade zu Metal hingezogen, weil ich diese Kraft in der Musik ebenso faszinierend finde. Die Herausforderung für mich ist, diese beiden Seiten immer weiter zu entwickeln und zu verbinden. Das Sanfte mit dem Kraftvollen, das Erdige mit dem Himmlischen. Ich bin mir dieser Herausforderung bewusst, weil es von einem verlangt, dass man über sich selbst hinauswächst. Dass mir das einmal gelingen mag, das ist mein innerer Antrieb, der mich so beherzt singen lässt“, erläutert Sabine ihre aufrichtigen Intentionen.

Nach dem letzten Album „The Grand Design“ hat es bei den Österreichern insgesamt ziemliche Veränderungen gegeben. Sabine:

„Wir haben die Plattenfirma gewechselt, mit Napalm Records frischen Wind eingeatmet und waren wieder sehr zuversichtlich die Zukunft betreffend, was sich auch äußerst positiv auf das Songwriting für „MyEarthDream“ ausgewirkt hat. Die Zeit der letzten beiden Alben bei Massacre Records war nicht ganz so problemlos und wir hatten da schon sehr viel Energie investiert, um als Band am Ball zu bleiben und uns auch noch musikalisch weiter zu entwickeln. Je mehr Herausforderungen, desto mehr ist man natürlich gefordert, sich auch persönlich weiter zu entwickeln, was ja auch wünschenswert ist. Es war und ist uns immer noch sehr wichtig, Unstimmigkeiten auszudiskutieren, denn schließlich verbringt man viel Zeit miteinander und will sich nicht schlecht fühlen dabei. Klare Vereinbarungen haben bei uns immer klare Verhältnisse geschaffen und somit keine Unstimmigkeiten verursacht. Bei Lanvall und unserem Drummer Roland gab es Grundsatzdiskussionen, sodass sich die Wege leider trennten. Es hat mir persönlich sehr leid getan, dass das so gekommen ist; weil uns natürlich mit Roland eine gemeinsame lange Geschichte verbindet und ich mich mit ihm auch immer gut verstanden habe, trotzdem wir außer Edenbridge nicht wirklich gemeinsame Interessen hatten. Vielleicht ist das aber auch zuwenig, um als Band weiter zu kommen, denn es müssen natürlich schon alle an einem Strang ziehen. Roland geht es jedenfalls gut, und wir haben mit unserem neuen Drummer Max auch einen Glücksgriff gemacht. Was will man mehr?“

Und eben dieser neue Drummer heißt Max Pointner und kommt eigentlich aus einem ganz anderen musikalischen Eck, nämlich vom Death Metal, so die Sängerin. „Ihm gefällt die neue Soundrichtung von Edenbridge besonders gut. Er ist außerdem aus Lanvall’s und meiner Heimatstadt Linz, was wiederum der Kommunikation und Kooperation entgegen kommt. Unser zweiter Gitarrist, Dominik Sebastian stammt ebenso aus Linz und wird uns auf Tour begleiten. Wir sind zusammen mit unserem Bassisten Frank Bindig wieder ein richtig eingeschworenes Team, das Spaß hat zusammen zu sein; im Proberaum genauso wie auf und hinter der Bühne – und das ist schließlich der wichtigste Motor einer Band.“

Auf der neuen Edenbridge-Veröffentlichung kann man auch die leckeren Früchte der Zusammenarbeit mit dem Tschechischen Filmorchester genießen. Wir erfahren dazu:

„Jan Vacik, Besitzer des Dreamscape Studios in München, ist gebürtiger Tscheche und hat gute Kontakte zum dortigen Tschechischen Film Orchester, das sich aus Musikern der Prager Philharmonikern und des tschechischen Staatsopernorchesters zusammensetzt. Das Orchester spielte bereits einige Soundtracks für Hollywood Produktionen ein. Jan kümmerte sich um die ganze Organisation. Parallel dazu vermittelte er Lanvall den Kontakt zu dem bekannten Dirigenten Enrique Ugarte, der zurzeit gerade, wie er uns erzählte, mit Mike Oldfield zusammenarbeitet. Da Lanvall sämtliche Orchestrierungen selbst schrieb, wollte er, dass noch mal jemand seine Partitur durchsieht. Es ging auch darum die richtigen Spielweisen einzuzeichnen und natürlich die Dynamik festzulegen und das hat Enrique gemacht. Aufgenommen wurde das Orchester dann im Studio des tschechischen Fernsehens in Prag in knapp neun Stunden. Und es sind immerhin um die 40 Minuten Orchestermaterial.“

Zum ersten Mal setzten Edenbridge auch siebensaitige Gitarren ein, die nochmals um einen Halbton auf B herunter gestimmt sind.

„Das brachte natürlich einen ordentlichen Schub in den Gesamtsound. Dadurch, dass die B-Ton Arten melancholischer klingen, wirkt alles noch epischer und mächtiger. Die Realisierung des neuen Albums, von Lanvall’s Komposition, bis zum Endprodukt, hat mehr als eineinhalb Jahre gedauert.“

Bestimmt interessiert viele Fans die Bedeutung des Titels des aktuellen Werkes „MyEarthDream“. Warum das Wortspiel mit zusammengeschriebenen Wörtern, Sabine? „Wenn ich in der Vergangenheit meist von der scheinbar unerreichbaren Traumwelt, von Eden gesungen habe, so sind wir doch mit unserem neuen Album wesentlich erdiger geworden. Es war uns deshalb wichtig, dass dies auch im Albumtitel zum Ausdruck kommt. Mit „My Earth“ steht also die Erde im Mittelpunkt und „Dream“ steht für die Träume, die wir zum Glück immer noch haben, auch wenn wir mit beiden Beinen auf der Erde stehen. „MyEarthDream“ ist deswegen zusammengeschrieben, weil es, sozusagen als ein Wort ausgesprochen flüssiger klingt und mehr Power hat. Wir wollten den Titel also in ein Wort packen und die Aussage dabei nicht verfälschen. Zum Glück sind der Kunst keine Grenzen gesetzt.“

Wir sprechen dann noch über das Frontcover des neuen Albums.

Edenbridge wollten auch in diesem Punkt die Veränderung fortsetzen und haben erstmalig mit dem Amerikaner Anthony Clarkson zusammengearbeitet.

„Die Zusammenarbeit lief sehr gut, wenn auch etwas mühsam, wegen der Zeitverschiebung. Man spürt, dass Anthony mit der Thematik, um die es uns geht, vertraut ist. Das Cover zeigt die Erde, die sich für höhere Energien öffnet. Das erweiterte Bewusstsein, symbolisiert durch die Spirale, trifft so auf die Erde. Nach einigen Entwürfen sagten wir „toll, genau das ist es!“ Dieses Cover vermittelt Power, die im neuen Album steckt – thank you Anthony!“

Für Lanvall, der ja mit klassischer Musik aufgewachsen ist, und erst mit circa 15 Jahren mit Metal „infiziert“ wurde, war es immer schon das Größte, so Sabine, diese beiden Musikrichtungen zu verbinden:

„Da er ein großer Verehrer Anton Bruckners ist und immer wieder dessen Partituren studierte, war es ihm auch möglich, die Orchestrierungen für das neue Album selbst zu schreiben. Das war, so denke ich, sein größtes musikalisches Ziel seit langem. Er hat sich dann auch total gefreut, dass Enrique, als studierter klassischer Dirigent, kaum etwas nachbessern musste und selbst sehr begeistert war, was er da zu Hören bekam. Lanvall’s Traum hat sich am Tag der Aufnahmen mit dem Orchester erfüllt und gleichzeitig war es, wie er meinte, der schlimmste Tag seines Lebens, weil es purer Stress war. Schließlich kosten die Musiker ja auch jede Minute, die sie warten müssen, wenn es unvorhergesehene Probleme gibt. Dank penibler Vorbereitung ist zum Glück alles in der vorgesehenen Zeit abgelaufen und wie ich beobachten konnte, hatten die Musiker auch sehr viel Spaß dabei. Nach der „Aufwärmphase“ mit rein orchestralen Stücken, kamen die „Heavy-Teile“, die sie ja über Kopfhörer eingespielt bekamen, und ein verschmitztes Lächeln zog sich über so manche Gesichter. Für mich war es ebenfalls ein lange gehegter großer Wunsch, einmal mit einem richtigen Orchester zu singen. Auf der anderen Seite freute ich mich auf den tiefen Gitarrensound, der äußerst mächtig kommt und außerdem meiner Stimme mehr Raum einräumt, weil sich die Frequenzen nicht im Weg stehen. Zudem war es mein Ziel, meine Stimme nach unten hin auszuloten und ich erreichte damit ein Klangspektrum von zwei Oktaven. Das habe ich nicht bewusst angestrebt, aber ich fühle mich recht wohl in diesen Regionen zu singen.“

Karl Groom von Threshold hat das neue Edenbridge-Album im Thin Ice Studio in England gemischt und hat sich zusammen mit Lanvall sehr viel Mühe gegeben, die einzelnen Frequenzen herauszuarbeiten.

„Die beiden verstehen sich auch privat sehr gut und ich denke sie harmonieren einfach in der Zusammenarbeit. Gemastert wurde das Ganze dann von Mika Jussila in den Finnvox Studios in Finnland, der wiederum vom Mix sehr angetan war und dann dem Album noch den letzten wichtigen Schliff verliehen hat. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich zuvor schon einmal so zufrieden war mit dem Endresultat, obwohl ich eigentlich immer zufrieden war zum jeweiligen Zeitpunkt. Mit zeitlichem Abstand fallen einem dann Dinge auf, die man beim nächsten Mal verbessern möchte und es wird immer etwas geben, was man mit dazu gewonnener Erfahrung anders machen wird. Zum Glück ist das so, denn ansonsten wäre es nicht wirklich spannend.“

Für Lanvall war es die größte Inspiration zu wissen, dass durch den neuen Vertrag bei Napalm Records auch die Zusammenarbeit mit einem Orchester möglich wird.

„Das hat ihm scheinbar Flügel verliehen, denn er hat ziemlich Gas gegeben. Anton Bruckner ist wie erwähnt ein großer Einfluss, der selbst wahrscheinlich Filmmusik schreiben würde, wäre er noch unter uns. Ansonsten weiß ich, dass Lanvall versucht, sich möglichst nicht von Bands beeinflussen zu lassen, um Neues entwickeln zu können. Lieber geht er in die Natur, am liebsten Schifahren, um den Kopf freizubekommen“, so Sabine.

Ihre neuen Liedertexte sind philosophisch – spiritueller Natur, meist in Metaphern geschrieben, sodass sie nicht einschränkend wirken, sondern auch mal etwas offen lassen: „Ich bin diejenige in der Band, die sich mit Bewusstseinsarbeit und Meditation beschäftigt und obwohl ich diesbezüglich über meine Erfahrungen nicht viel spreche, finde ich meine inneren Prozesse sehr oft in Lanvall`s Texten wieder, sodass es mir vorkommt, als wären sie mir auf den Leib geschrieben. Er lässt sich für die Texte meist von Filmen oder von der Natur inspirieren. Außerdem ist es ein kreativer Prozess, der auch manchmal seinen eigenen Lauf nimmt und damit anders enden kann als zuerst vorgesehen.“

Da Sabine tatsächlich des Öfteren gewisse Anfragen bekommt, wie sie nachfolgend noch wissen lässt, ob Edenbridge eine christliche Musikgruppe seien, möchte die Sängerin dazu nun eindeutig klarstellen:

„Wir sehen uns selbst nicht als eine religiöse Band. Vielmehr haben wir den Anspruch an uns, erhebende Musik zu machen, die aber in keiner Weise an Konventionen oder Dogmen gebunden ist und schon gar nicht belehren will. Mir gefällt die Aussage dazu von Ludwig van Beethoven: Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie.“

In der Vergangenheit waren Edenbridge nicht nur in ganz Europa unterwegs, sondern auch in Korea, Russland und im letzten Jahr auf großer Asientournee durch China und Taiwan.

„Unsere letzte Europatournee im deutschsprachigen Raum ist jedoch schon einige Zeit her, weil wir auf der Tour mit Angra nur im Süden Europas unterwegs waren. Umso mehr kam uns die anstehende Tour mit Rage sehr gelegen, weil wir vom 27. März 2008, wo es in Kopenhagen losgeht, bis zum dritten Mai in Andernach in Deutschland ganze 31 Konzerte spielen werden. Deutschland ist ein wichtiger Boden für uns, sodass wir glücklich sind, dass wir dort 14 Konzerte auf dieser Tour spielen. Außerdem sind einige Festivalkonzerte geplant und das alles, wo das neue Album noch gar nicht veröffentlicht ist.“

Was die sonstigen Edenbridge-Ziele für das Jahr 2008 angeht, gibt sich die Sängerin recht gelassen.

„Ich würde mal sagen, wir lassen uns überraschen, was mit unserem neuen Album passiert. Wir sind schon riesig gespannt, weil die ersten Reaktionen mehr als phantastisch sind. Wir haben jedenfalls vor, mehr live zu spielen als in der Vergangenheit. Alles darüber hinaus liegt nicht in unserer Hand, aber wenn es so sein soll, dann darf das neue Album gerne auch mal so richtig einschlagen. Danke Dir für Deine interessanten Fragen, Markus. Ich hoffe ich war nicht zu ausführlich. Alles Liebe, Sabine.“

© Markus Eck, 28.02.2008

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