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Interview: EDENBRIDGE
Titel: Zielsicher im Parallelkurs

Mit ihrem neuen Album „The Bonding“ zeigen sich die beständigen Österreicher Symphonic Melodic Metal-Visionäre mühelos dazu in der Lage, monumentalen Stimmungen pulsierendes Eigenleben zu ermöglichen. Obwohl die Formation aus Linz bereits seit der Jahrtausendwende am Start ist, erklingt das neue Material mit impulsiver Frische. Ein Besetzungswechsel an der Bass-Klampfe brachte vorab frisches Blut in die Gruppe, Wolfgang Rothbauer kam für den ausgeschiedenen Simon Holzknecht dazu.

Die Pause nach dem hochwertigen 2010er Albumvorgänger „Solitaire“ hat sich die Band um Sängerin Sabine Edelsbacher ohnehin nicht freiwillig gegönnt, wie Gitarrist und Hauptsongschreiber Lanvall eröffnet.

„Das lag an privaten Veränderungen der meisten Bandmitglieder. Beispielsweise Wohnortwechsel und vor allem der Freitod meines Vaters im Mai 2011 sowie weitere Todesfälle in unserem Umfeld haben uns alles abverlangt. So konnten wir erst im Herbst 2012 mit den Aufnahmen zum neuen Album beginnen“, legt der Saitenvirtuose dar.


Lanvall legt hinsichtlich Resümee zum Kompositionsprozess des aktuellen Album-Drehers noch nach:

„Ich entwickelte dieses Mal fast alle Songs parallel zueinander und vollendete sie dann schrittweise, nämlich immer dann wenn die zündende Idee da war und den Song vorantrieb. Gerade einen 15-Minüter wie den Titeltrack schreibt man ja nicht in einem durch. Die ersten neun Minuten bis zum exotischen Mittelteil waren der erste große Prozess. Dann kamen der Mittelteil und der Endteil; wieder zwei Teile in einem erheblichem zeitlichen Abstand.“ 



Und was die Recordings von „The Bonding“ betrifft, so haben Edenbridge den neuen Langspieler laut Aussage des Griffbrett-Könners im eigenen Farpoint Station Studio produziert; bis auf die Drums und das Orchester, welches in externen Studios aufgenommen wurde.

„Es ist natürlich schon ein großer Vorteil, wenn man dabei nicht ständig auf die Uhr schauen muss. So wurde dann beispielsweise schon mal bis drei Uhr in der Früh Gesang aufgenommen, wenn Sabine gerade ihre beste Phase hatte. Für den Mix bin ich dann wieder nach England zu Karl Groom ins Thin Ice Studio geflogen. Der Mixprozess war dieses Mal so hart wie noch nie, um den perfekten Ausgleich der zahllosen Spuren zu finden und alles sowohl heavy, als auch klar transparent zu machen. Gerade bei einem Song wie dem 15-minütigen Titeltrack kamen sicher so um die 200 Spuren zum Einsatz. Dadurch, dass wir jetzt bereits zum vierten Mal mit Karl Groom von Threshold in England gemischt haben, verstehen wir uns mittlerweile fast blind. Und dadurch konnten wir genau dieses Resultat erzielen. Wir ließen den Mix dann mal 14 Tage ruhen und ich kontrollierte zu Hause noch alles auf allen möglichen Anlagen und Speakern um die finalen Abstimmungen zu finden.“

Lanvall sieht seine Band schon lange abseits dessen, was im allgemeinen als Melodic- oder Symphonic Metal bezeichnet wird. Da Edenbridge, wie er mit Entschlossenheit in der Stimme diesbezüglich feststellt, immer schon mit anderen musikalischen Stilmitteln gearbeitet haben, sei es auf dem instrumentalen Sektor oder auch im Kompositorischen.

„Welche Relevanz unser Schaffen im weltweiten Vergleich hat, kümmert mich eigentlich nicht wirklich, da Musik ja keinem Ranking unterliegt, wenn man mal von den Verkaufscharts absieht. Sabines Stimme ist sowieso einzigartig. Was mich allerdings extrem nervt, ist, wenn gewisse Bands als Symphonic Metal vermarktet werden, wenn sie gerade mal in der Lage sind das Wort Streichersample unfallfrei zu buchstabieren. Dieser synthetische Kleisterbrei hat nun wirklich gar nichts mit dem Wort ,Symphonic‘ zu tun.“


Der Gitarrist lässt im Weiteren verlauten, dass „The Bonding“ für ihn persönlich das bislang tiefgründigste und auch mit Abstand beste Edenbridge-Album ist.

„Wir sind natürlich unserem Stil treu geblieben, der sich aber von Album zu Album verfeinert. Die Orchesterparts sind ein gutes Beispiel wie kompakt mittlerweile alles arrangiert ist. Wenn das Orchester einsetzt, steht es auch meistens im Vordergrund und wirkt dadurch noch wesentlich effektiver. Dadurch, dass es auch noch viele andere wichtige Elemente in unserem Sound gibt, darf man die Songs aber nicht damit überfrachten. So muss man dann eben auch beim Mix arbeiten, um die ganzen Details im Klangbild und frequenztechnisch unterzubringen.“

Dazu noch gezielt auf eventuell vorhandene Unterschiede der neuen Edenbridge-Veröffentlichung zum Album-Vorgänger in rein musikalischer Hinsicht angesprochen, entgegnet Lanvall in positiver Stimmung:

„Ich denke doch. Zuallererst hatten wir mit der Klangvereinigung Wien wieder ein echtes Orchester am Start, das natürlich einen großen Unterschied ausmacht. Ich verbrachte einige Zeit damit, die Partituren für das Orchester zu schreiben und immer wieder zu verfeinern. Den Druck und die Wärme wird man glücklicherweise mit Samples nie hinbekommen. Generell denke ich, dass dieses Album all das perfekt bündelt, was Edenbridge ausmacht.“ 


Sängerin Sabine ergänzt ihren langjährigen Bandkollegen:

„Ich habe mich gefreut wieder einmal ein Duett mit einem so tollen Sänger wie Erik singen zu dürfen. Ich liebe grundsätzlich Duette, wenn die Stimmen gut harmonieren und sich in ein Ganzes fügen, wie es bei ,The Bonding‘ meiner Meinung nach sehr stimmig gelungen ist.“


Und das Songwriting-Vermögen von Maincomposer Lanvall weiß sie generell immens zu schätzen, wie die Dame ebenfalls verlauten lässt.

„Das ist sein Part, den er perfekt beherrscht und wobei er sich auch von Album zu Album weiter entwickelt. Er hört beispielsweise meine Stimme innerlich wenn er einen Song schreibt. Ich vermittle ihm zum Teil wie ich meine Stimme grundsätzlich gerne einsetzen würde und er setzt das zu meiner Freude auch immer wieder perfekt um, sodass ich mit jedem Mal neu gefordert bin unterschiedliche Nuancen zum Ausdruck zu bringen. Auch Max wirkt mit seinem groovigem Drum-Stil inspirierend, sodass die Kompositionen in gewisser Weise auch ein gelungenes Wechselspiel sind und alle von uns Freude daran haben, sich auch am Instrument weiter zu entwickeln.“

Lanvall versucht zu vermeiden, beim Komponieren von irgendjemandem beeinflusst zu werden, wie er eröffnet. Was ihm aber, wie er anfügt, natürlich nicht immer möglich ist, wenn auch oft auf unbewusster Ebene.

„Meine großen Lieben in der Musik sind auch die letzten Jahre relativ gleich geblieben. Anton Bruckner in der Romantik, dessen Orchestrations-Prinzipien auch oft die meinen sind. Bei ihm fühle ich schlichtweg jede Note. Dream Theater ist nach wie vor meine Lieblingsband im Rock- und Metal-Bereich. Marillion und Threshold dabei natürlich nicht zu vergessen. Das letzte Mike Oldfield Album ,Music Of The Spheres‘ finde ich überragend, für mich das beste Album, das er je gemacht hat. Devin Townsend habe ich mit seinem letzten Album ,Epicloud‘ so richtig schätzen gelernt und mir daraufhin viele Alben seines Kataloges zugelegt. Ich bin da wie man sieht sehr breitgefächert. Wichtig ist für mich, dass die Musik Tiefe hat und Emotionen transportiert, dann ist es egal aus welchem Bereich sie kommt.“


Sabine bringt zu der Thematik noch ein, dass sie seit geraumer Zeit süchtig ist nach der Musik von Armand Amar. „,Le Premier Cry - The First Cry‘ ist ein Fixstern in meinem CD Player – einfach unglaublich schön.“

Das Interview-Gespräch widmet sich anschließend tiefer der erwähnten Zusammenarbeit mit dem Orchester. Lanvall:

„Spannend wird es immer dann wenn du den Musikern die Partitur vorlegst und den Sound hörst, der dann entsteht. Es war ein immenser organisatorischer und finanzieller Aufwand, der wunderbarerweise von einigen Sponsoren und unseren Fans mitgetragen wurde, was einfach fantastisch war. Ein Riesenfan von uns legte mit einem Drittel der Finanzierung das Startkapital vor, weil er uns unbedingt wieder mit echtem Orchester, wie auf der ,MyEarthDream‘ hören wollte und dann bekam alles eine Eigendynamik.

Einen Monat vor Aufnahmebeginn fiel das bereits gebuchte Studio völlig überraschend aus, so der Gitarrist, daher musste er sich auf die Suche nach einem neuen umsehen. Er erinnert sich zurück:

„Und davon gibt es ja nicht sehr viele, ich meine, worin man ein mehr als 50-köpfiges Orchester gemeinsam aufnehmen kann. Gottseidank habe ich nach einer Woche des Recherchierens und Telefonierens ein tolles Studio in Wien gefunden, nämlich das Home Music Studio von Georg Luksch. Er war gleich Feuer und Flamme für das Projekt.“


Und dort wurden die Orchester-Parts für „The Bonding“ dann schließlich passagenweise eingespielt, wie in Erfahrung zu bringen ist.

„Der ursprüngliche Plan war, alles am Stück aufzunehmen. Den wir dann aber abändern mussten, weil Georgs Studio, von der Monitoring Situation her, nur für rund 40 Musiker ausgelegt ist. Unser Orchester bestand aber ja aus über 50 und so entschieden wir, dass wir die Streicher separat aufnehmen, dann die Holzbläser und Blechbläser gemeinsam und am Schluss die Percussion. Das war auch eine sehr gute Idee, da wir beim Mix mit einer besseren räumlichen Trennung arbeiten konnten. Normalerweise lässt man ein Orchester so lange spielen wie möglich. Und das taten wir auch. Dadurch, dass es aber oft keine übermäßig langen durchgehenden Parts sind, werden sie dann dementsprechend passagenweise eingespielt, wenn dann wieder längere Pausen vorkommen. Man muss auf jeden Fall einen genau ausgearbeiteten Plan haben, welche Parts man zu welcher Zeit einspielt. Die Hornpassagen beispielsweise waren alles andere als leicht, weil ich viele davon ziemlich hoch angesetzt habe. Was auf der einen Seite toll klingt, aber andererseits extrem belastend für die Puste der Musiker ist. Zudem sind unsere Songs meist in Tonarten wie Es-Moll oder Des-Moll angesiedelt, die viele Vorzeichen haben und so die Musiker erstmal die vorgezeichneten B´s oder Kreuze verinnerlichen mussten. Ich war erstaunt wie schwierigste Läufe in den Violinen bei ,The Invisible Force‘ oder ,Mystic River‘ ziemlich schnell im Kasten waren.“

Leider wird diese Welt, zumindest auf massenmedial-manipulativer Ebene, immer noch grausamer, brutaler und auch unmoralischer. Der weitere Gesprächsverlauf behandelt die Frage, ob es den Beteiligten als Musiker einer hochgradig ästhetisch ausgerichteten Band wie Edenbridge somit auch immer schwerer fällt, sich für die Songs einzig auf das Gute, das Reine, das Schöne und das Edle auf diesem Planeten beziehungsweise im Menschen konzentrieren zu können?


Sabine fragt sich manchmal, wie sie dazu offenbart, ob die Welt wirklich grausamer und brutaler wird, oder ob diese Negativität heute einfach nur sichtbarer geworden ist, eben durch die Medien und die Vernetzung.

„Es lässt sich nichts mehr unterdrücken, verheimlichen und auf nachfolgende Generationen verschieben. Wir erleben heute als Kollektiv, was wir in unserem Bewusstsein nicht zu wandeln vermögen. Jeder Einzelne hat für sich die Macht und die Verantwortung etwas zu verändern, anstatt auf ,die da oben‘ zu schimpfen. Wir können nur bei uns selbst beginnen. Ich bin der Auffassung, dass das viel mehr bewirkt als wir uns selbst eingestehen wollen. Worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, das wächst. Deshalb ist es eben so wichtig sich nicht mit der Massenhypnose Angst zu verbinden, sondern immer wieder auch mit dem Schönen und dem Edlen.“

Es geht angeregt über zu den neuen Songtexten. Wie Lanvall darlegt, hat der Tod seines Vaters natürlich einen besonderen Einfluss darauf genommen.

„Somit handeln die vier Songs ,Star-Crossed Dreamer‘, ,Shadows Of My Memory‘, ,Into A Sea Of Souls‘ und ,Death Is Not The End‘ direkt von diesem Ereignis. Das Album war für mich also auch eine wichtige Therapie, um das Geschehene zu verarbeiten. Im Titelsong ,The Bonding‘ geht es um ein Zwiegespräch zwischen der einen, universellen Energie, aus der wir kommen und wieder zurückkehren (verkörpert durch Sabine) und dem Zweifler (Erik), der nur das versteht, was er sieht, oder was er angreifen kann. Der Titel ,The Bonding‘ stand schon zuvor fest. Ich wußte einfach, dass es der Titelsong für das Album sein würde. Zum damaligen Zeitpunkt existierten noch nicht mal Titel für die einzelnen Stücke.“

Was weitere Einflüsse und Inspirationen für die Lyriken der neuen Kompositionen angeht, so gibt Lanvall noch preis: „Maßgeblich die Realität, aber auch die niemals enden wollende Inspiration der Natur, wie in ,Far Out Of Reach‘ oder auch ,Mystic River‘.“

Sabines Stimme klingt aktuell auf „The Bonding“ tatsächlich reifer, in gewisser Weise gar „erwachsener“; wenn dem Autoren auch die vorherige „unschuldigere“ Grunddirektive sehr gut zusagte. Die Vokalistin stellt sich sehr gerne der Frage, wie diese Weiterentwicklung sich vollzog.

„Ehrlich gesagt, ich bin meiner inneren Stimme gefolgt, habe weder gesungen noch meditiert wie in der Vergangenheit. Ich nahm mir eine ziemlich lange Gesangspause, da ich nicht wirklich in der Lage war zu singen. Lanvall und ich waren in einem so intensiven Veränderungsprozess; wir waren unter anderem gerade dabei den Wohnort zu wechseln, als das mit seinem Vater passierte. Dieses Drama und widrige Begleitumstände obendrein haben uns alles abverlangt. Und vor allem Lanvall erlebte die schlimmste Zeit seines Lebens. Wochen und Monate danach, als wir dabei waren dieses Trauma aufzuarbeiten, sind auch noch laufend Menschen verstorben, die ich gut kannte. Während ich einerseits so grenzwertig unterwegs war, bekam ich auf der anderen Seite vermehrt Zugang zu einer mir innenliegenden Kraft, die ich mit dem Bewusstsein der Verbundenheit beschreiben möchte. Offenbar war diese Erfahrung notwendig, um ,The Bonding‘ auch authentisch transportieren zu können. Im Mai letzten Jahres ist meine Großmutter an meinem Geburtstag verstorben. Ich habe sie bis zuletzt begleiten können, was mir sehr wichtig war. Sie hatte großen Anteil an meiner stimmlichen Entwicklung als Kind. Es war mir emotional bis kurz vor den Aufnahmen kaum möglich zu singen, und so habe ich mich fast überwunden und erst langsam habe ich meine innere Veränderung auch stimmlich umsetzen können. Den Song ,Death Is Not The End‘ habe ich für meine Großmutter und für Lanvalls Mutter gesungen und widme ihn in der CD allen trauernden Menschen auf dieser Erde.“

Auch noch zu seiner ganz persönlichen Sicht der speziellen Stärken und Vorzüge befragt, die Edenbridge mittlerweile auf der Bühne so bieten können, ist von Musikus Lanvall noch zu erfahren:

„Primär: Unsere Musik in ihrer Vielschichtigkeit auch dem Publikum spürbar machen zu können. Wir wollen die Menschen mitreissen, aber auch emotional berühren. Das Wechselspiel der Gefühle bedingt einen guten Sound und eine mystische Atmosphäre durch die Lichtshow. Mit den ansässigen Monitormischern für den Bühnensound hatte ich in der Vergangenheit so meine Probleme und habe mich deshalb in der Band für ein eigenes Monitorsystem stark gemacht. Seither sind wir auch mit wenig Soundcheck von Beginn an auf der sicheren Seite. Und mit der Gewissheit erfüllt, dass sich der Sound auf meinem Ohr während des Konzertes nicht mehr bis zur Unkenntlichkeit verschlechtern kann, konnte ich meine Bühnenpräsenz verstärken.“

So hofft der Hauptkomponist der Linzer Formation in erster Linie, wie er verlauten lässt, dass das neue Album die Edenbridge-Fans begeistern wird und die Band darüber hinaus mit dem neuen Label SPV einen Schritt nach vorne gehen kann.

„Was soviel heißt, dass wir mit ,The Bonding‘ hoffentlich auch viele neue Fans dazu gewinnen werden. Eines, was ich mir erhofft habe, ist allerdings schon eingetreten, nämlich dass ,The Bonding‘ so klingt wie ich es mir ursprünglich erträumt habe und dieses sogar noch weit übertrifft.“ 



Sabine hängt dem abschließend an: „Ich erhoffe mir, dass die Energie von ,The Bonding‘ auf die Menschen überspringt und sie sich beim Hören der Musik an ihre eigene innere Verbundenheit erinnern. Das ist mir tatsächlich wichtiger als der Verkaufserfolg.“

© Markus Eck, 07.06.2013

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