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Interview: ELIS
Titel: Träumerische Anmut

Mit den aus der Schweiz und Liechtenstein stammenden Gothic Metal-Hoffnungsträgern Elis haben sich Napalm Records ein neues viel versprechendes Musikpferdchen in ihren Stall gestellt.

Die aus den verbliebenen Überresten der ehemaligen Mitglieder von Erben der Schöpfung entstandene neue Band hat die Arbeiten am Debütalbum „God’s Silence, Devil’s Temptation” gerade abgeschlossen. Veröffentlichungstermin ist voraussichtlich Juli oder August 2003. Gekonnt aufgenommen und souverän produziert wurde in den schwäbischen Mastersound-Studios in Fellbach, deren Inhaber bekannter Weise Atrocity-Fronter Alex Krull ist.

Alex schneiderte hier schon seiner eigenen Band Atrocity, aber auch unterschiedlichsten Acts wie u.a. Theatre Of Tragedy, Forte und Catamenia wertvolle Klanggewänder. So reiste ich also am Freitag, den 23. Mai mit diversen Bummelzügen Richtung Stuttgart, um einen Studioreport zu erstellen. Nach circa dreistündiger Zugfahrt in Fellbach angekommen, stehe ich leider erst mal genau eine Stunde ziemlich verdutzt am dortigen Bahnhof herum, wofür ein defizitäres Informationsverhalten seitens der verantwortlichen Organisation die Schuld auf sich nehmen muss.

So geht es statt wie geplant um 18:00 Uhr knappe eineinhalb Stunden später endlich los mit der Hörprobe, zu welcher noch einige andere Schreiberkollegen geladen waren.

Herzlich willkommen geheißen und mit diversen Knabbereien sowie Getränken versorgt, nahmen die Anwesenden dann mitsamt den Elis-Gruppenmitgliedern eine erforderlich würdige Haltung ein, um den neuen Stücken von Elis akustisch teilhaftig zu werden.

Den stilvollen Anfang machte der recht machtvoll erklingende Opener „Such A Long Time“ und schnell machte sich das Bewußtsein in mir breit, hinreißenden und würdevollen Gothic Metal serviert zu bekommen. Dieses Lied zeigt schon gleich die musikalische Direktive des ebenfalls im Mastersound anwesenden Quintetts in Gänze auf:

Ein geschmackvoller und sehr ästhetisch gestalteter Mix aus klassisch wirkenden, aber auch dezentmodern akzentuierten Gestaltungselementen, welchen die wirklich einnehmend bezaubernde Sopranstimme von Sabine Dünser mit aller weiblichen Anmut zu veredeln weiß.

Kein Wunder, denkt man sich, daß die frühere Musik der Band im damaligen Orkus-Magazin erst zum Newcomer des Monats, später von den Lesern gar zum Newcomer des Jahres gewählt wurde. „Such A Long Time“ vereint feminine Lieblichkeit mit feiner Melodik, dargeboten durch getragen schwelgerische Saiteninstrumentierung und begleitet von perlenden Keyboardkaskaden.

Anschließend gaben die Lautsprecher den zweiten Song „Where You Belong“ frei, den nächsten großen Kompositionserfolg von Elis. Erneut gefiel mir hier die gekonnte Verwendung von wie erwähnt klassischen Parts und neuzeitlichen Elementen. Schier grenzenlos schmeichlerische Melodieführung, die man nicht mehr aus dem Kopf bekommt, nimmt hier in diesem Track ebenso für sich ein wie die erneut großartige Vokalleistung der attraktiven Stimmdame Sabine. Erwähnt werden muß auch die druckvoll gestaltete Instrumentalsektion, welche erfreulich wohlklingende Kontraste setzen kann.

Weiter ging es mit dem Seelenverhexer „Sie erfaßt mein Herz“: Eingeleitet durch sanfte Tastenkreation, fällt schon alsbald Sabine mit gar herrlichem Gesang ein, gefolgt von drückender Gitarrenarbeit. Ein adäquat gesetztes Break führt die Ohren dann wieder in ruhigere Gefilde zurück, um erneut von härterer Saitenkunst beherrscht zu werden. Der auf mich regelrecht betörend wirkende Damengesang fesselt hier enorm.

„Do You Believe?“ schlägt dann erstmals überraschend schnellere Töne an, welche zudem von spürbar beherztem Beast-Growl durchzogen werden; wunderbarer Klangreigen erbaut auch hier die Sinne. Der nachfolgende und sehr träumerisch veranlagte „Engel der Nacht“ schleicht sich mit allen aufgezählten musikalischen Stärken der Band in meine akustischen Wahrnehmungsorgane, um sich dort breit zu machen.

Und „God’s Silence“ hingegen zieht anfänglich gar bombastische Seiten auf, ein hingebungsvoll und ergeben gespielt wirkendes Stück mit sehr interessant inszenierten Vokallinien.

Die verbleibenden Kompositionen „Devil’s Temptation”, „Come To Me“, „My Only Love“, „Child“ sowie „Abendlied“ verdeutlichen die schöpferischen Ambitionen von Elis in Vollkommenheit: Künstlerisch enorm wertvollen Gotik-Edelstahl zu kreieren, welcher die Kriterien kompositorische Zeitlosigkeit, träumerische Anmut und unverbraucht wirkende Kreativität in sich geschlossen vereint.

Die aus der Schweiz und Liechtenstein stammende Formation begann einst unter dem Bandnamen Erben der Schöpfung Musik zu machen, deren 2001er Album „Twilight“ es unter Genrefreunden stimmungsvoller Darkwave-Sounds auch zu einiger Popularität brachte. Doch Anmutssängerin Sabine Dünser, die beiden Gitarristen Pete Streit und Jürgen Broger sowie Bassist Tom Saxer und Schlagzeuger Franky Koller haben sich auch aktuell sehr viel Mühe mit ihren Kompositionen für Elis gegeben.

„Die Stimmung in der Band ist derzeit sehr gut, da das Warten nun endlich ein Ende hat. Lange Zeit war alles sehr ungewiss. Nun haben wir mit Napalm Records jedoch ein neues Plattenlabel, es wurde mit Warner Chappel ein Verlagsvertrag unterzeichnet, der Veröffentlichungstermin für unser Album ‚God’s Silence, Devil’s Temptation’ steht fest und auch bezüglich Konzerten ist in nächster Zeit einiges los. Mehr Infos dazu findet ihr auf unserer Homepage www.elis.li - das Einzige, auf das wir nun noch warten müssen, sind die Reaktionen der Hörer“, entgegnet mir Goldkehle Sabine hoffnungsfroh.

Die Umbenennung in Elis brachte bekanntlich simultan auch eine schwermetallastige Modifikation des nach wie vor sehr stimmigen und verträumt erscheinenden Songmaterials mit sich. Dringlich interessiert war ich am damaligen Grund der Loslösung von Erben der Schöpfung samt dem im Weiteren vollzogenen Neustart mit Elis. Sabine stillt meine Neugier: „Erben der Schöpfung starteten im Jahr 2000 als Trio, wuchsen dann kontinuierlich und waren schlussendlich ein Sextett. Nachdem der Keyboarder auf eigenen Wunsch die Band verließ und aus rechtlichen Gründen den Bandnamen mitnahm, benannten wir, die verbleibenden fünf Bandmitglieder, uns neu in Elis: Angelehnt an den Titel unseres ersten Minialbums.“

Der Bandname basiert auf einem Gedicht von Georg Trakl mit dem Titel „An den Knaben Elis“. Demnach handelt es sich bei dem Namen um einen männlichen Vornamen. „Außerdem gibt oder gab es in Griechenland eine Region, die den Namen Elis trägt. Lange habe ich auch vermutet, dass es sich bei Elis um eine Gestalt aus der griechischen Mythologie handelt, konnte aber nirgends Informationen finden die dies bestätigt hätten“, wie die Sängerin mich in diesem Kontext informiert.

Nun veröffentlichten Elis also ihr dunkel strahlendes Album „God’s Silence, Devil’s Temptation“: Ein restlos einnehmendes und immens tiefsinniges Gothic Metal-Ausnahmewerk von schier verzehrender klanglicher Notenschönheit. Und wer das Erben der Schöpfung-Album „Twilight“ kennt und sich nun „God’s Silence, Devil’s Temptation“ anhört, wird feststellen, dass sich musikalisch etwas geändert hat. Und meine Gesprächspartnerin stellt dazu fest:

„Die elektronischen und klassischen Parts rückten ein bisschen in den Hintergrund, sind aber immer noch ein wichtiger Bestandteil. Viel gearbeitet wurde an den Gitarrenparts, die nun anspruchsvoller, lebendiger und abwechslungsreicher rüberkommen. Vermehrt wurden auch Clean- und Akustik-Gitarren-Sounds verwendet und auch auf den Einsatz von Gitarrensoli wurde mehr Wert gelegt. Grund dafür war, dass wir nach dem Ausscheiden unseres Keyboarders, der bis dahin hauptsächlich für das Songwriting verantwortlich war, die Möglichkeit hatten, selber Songs zu schreiben. Diese Möglichkeit haben auf dem neuen Album auch fast alle Bandmitglieder genutzt. Die meisten Songs stammen aber aus der Feder der beiden Gitarristen, was die stärkere Gewichtung der Gitarrenparts erklärt. Vom Gesang her konnte ich durch stetige Probenarbeit meinen Stimmumfang vergrößern, weshalb auf den neuen Songs sowohl hohe als auch tiefe Gesangsparts zu hören sind. Außerdem finde ich die Stimme an sich facettenreicher und weniger steril als auf ‚Twilight’. Es war für uns wichtig, den Anspruch der Kompositionen zu steigern.“

Gerne hätte die Band noch mehr Zeit gehabt um noch weiter an ihren aktuellen Songs herumzufeilen, Elis sind aber trotzdem sehr zufrieden mit dem Ergebnis, bekennt Sabine. Ihre Stimme ist gleichfalls anmutig als auch einnehmend, ein echter Glücksfall für Elis. Sie freut sich mit mir:

„Vielen Dank für das Kompliment. Stimme ist ja immer sehr stark Geschmacksache, umso mehr freut es mich, wenn sie jemandem gefällt. Normalerweise erhalte ich die Songs dann von den Jungs, wenn außer dem Gesang alles aufgenommen ist. Dann setze ich mich hin und probiere Texte, Melodien, mehrere Stimmen. Wenn ich natürlich Wünsche bezüglich der Länge der Teile oder teilweise Harmonien habe, werden diese schon berücksichtigt. Dieser Prozess ist immer sehr spannend, da man am Anfang noch keine Ahnung hat, was Entstehen wird und noch alle Möglichkeiten offen stehen. Eine Ausnahme bildet das ‚Abendlied’ bei dem Musik und Gesangslinien von mir stammen. Der Text ist wiederum ein Gedicht von Georg Trakl.“

Was verarbeitete Einflüsse angeht, ist laut Sabine ein sehr relevanter Fakt, dass jeder der fünf Bandmitglieder privat sehr unterschiedliche Musik hört.

„Die Bandbreite reicht da von Pop, Rock über traditionellen Metal bis hin zu alternativen Sounds. Da jeder seine unterschiedlichen Einflüsse und Favoriten hat, und diese beim Songwriting auch sicher zum Tragen kommen, kann ich nicht sagen welche Einflüsse ganz speziell verarbeitet wurden. Vielmehr ergab sich die Melange einfach aus dem Bauch, dem Gefühl heraus. Von der Musik her drückt unsere Musik wohl eine Mischung aus Aggression und Melancholie aus.“

Die Musik soll den Hörer berühren, ihn emotional aus seiner Lethargie reißen, berichtet die Frontfrau anschließend.

„Wenn uns das gelingt, haben wir unser Ziel erreicht. Da die Lyrics bei Elis alle aus meiner Feder stammen, mit Ausnahme der Texte für das ‚Abendlied’ und ‚God’s Silence’, die auf Gedichten von Georg Trakl basieren, werden textlich eigentlich vor allem meine eigenen Gefühle reflektiert. Dabei sind Songs über die Liebe mit all ihren Facetten [‚Sie erfasst mein Herz’], [‚Such A Long Time’], [‚Come To Me’], eine Widmung an alle ungewollten Kinder [‚Child’], die Frage nach Religion und Glauben [‚Do You Believe’] sowie der Kampf des Bösen gegen das Gute [‚Devil’s Temptation’]. ‚God’s Silence’ wurde von mir ins Englische übersetzt. Die Texte entstehen, wenn ich die Songs anhöre und werden deshalb in der jeweiligen Tagesstimmung getextet, sei das nun traurig, enthusiastisch oder auch mal melancholisch. Je nachdem ergeben sich dann auch andere Nuancen und Ideen. Ein roter Faden ist nicht vorhanden. Jeder Song ist eigenständig zu betrachten. Themen sind wie schon erwähnt zu einem großen Teil Liebe und Themen wie Glaube, Religion, und Schicksale, die mich persönlich betreffen.“

Der Titel des aktuellen Albums hat sich erst ergeben, als alle Lieder fertig gestellt waren und auch deren Titel fix waren, wie die ausdrucksstarke Sängerin nun preisgibt.

„Da die beiden Songs ‚God’s Silence’ und ‚Devil’s Temptation’ von den Titeln her einen sehr interessanten Kontrast ergaben und zudem auch als Metapher für unseren Musikstil zu verstehen sind, wählten wir diese als Albumtitel. Der Titel umfasst den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, schwarz und weiß, Gott und Teufel. Solch ein Kampf findet auch in unserer Musik statt, wobei sich die Gegner hier aber nicht vernichten und zerstören sondern zusammen eine neue Einheit bilden und der Kampf so nicht destruktiv bleibt. Die beiden Kontrahenten sind hier die düstere, schwere und metallische Seite der Musik, welche Aggression, Wut aber auch Resignation ausdrückt. Dagegen steht der weiche melancholische Teil, der trotz Düsterheit auch immer wieder Hoffnung bewahrt und der Härte die Spitze zu nehmen weiß. Die beiden Seiten haben nur in der Einheit die Macht, etwas Neues zu schaffen.“

Das Album-Frontcover für „God’s Silence, Devil’s Temptation“ wurde wiederum von der Künstlerin Nadine van den Brock gestaltet, welche auch für das Frontcover von „Twilight“ verantwortlich war.

„Das Cover sollte einfach ästhetisch sein und das Bild auch eine bestimmte Atmosphäre vermitteln. Ich denke, das ist Nadine mit diesem Cover sehr gut gelungen.“ Zudem wird es als limitierte Auflage eine Digipak-Version mit einem anderen Cover-Artwork und einem speziellen Bonustrack geben, wie ich zusätzlich noch erfuhr.

Nachfolgend vertritt Sabine die Ansicht, dass die Musik von Elis meiner geäußerten Vermutung entsprechend hauptsächlich die Gothic Metal-Szene ansprechen soll. „Deshalb werden wir uns mit der Werbung auf diese Szene konzentrieren. Natürlich sind wir auch nicht böse, wenn Leute aus anderen Szenen unsere Musik mögen. Ich persönlich bin eigentlich sowieso kein Freund von Schubladendenken und höre auch privat Musik aus fast allen Richtungen.“ Volksmusik und Techno fällt da jedoch raus, wie sie mir mit allem Nachdruck daran anschließend mitteilt.

Elis werden in nächster Zeit einige Konzerte in ihrer Heimat Liechtenstein, sowie in der Schweiz, in Deutschland, Österreich und in Holland spielen, um damit den aktuellen Albumrelease zu flankieren. „Dort werden wir hauptsächlich das aktuelle Material präsentieren. Zu diesem Zweck proben wir schon fleißig die neuen Songs. Als erstes gilt es nun diese Konzerte zu genießen und dann werden wir auch schon wieder mit Songwriting beschäftigt sein, da wir noch dieses Jahr 2003 ins Studio gehen wollen, um das nächste Album aufzunehmen.“

© Markus Eck, 10.06.2003

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