Interview: | END OF GREEN |
Titel: | Aufrichtige Selbsteinschätzung |
Irgendjemandem irgendetwas beweisen müssen diese schwäbischen Düsterpsychen als Musiker sowieso schon länger nicht mehr. Dennoch hört man ihrem aktuellen Erfolgsalbum „High Hopes In Low Places“ ganz deutlich an, dass sich die beständige Dark Rock-Truppe dafür mehr als je zuvor ins kompositorische Notenzeug hängte.
Mehr noch, es wurde mit unermesslich viel Hingabe und Liebe interagiert. Denn Reibeisenröhre Michelle Darkness und seine verdammt treue Göppinger Melancholikerstaffel haben ihren ureigenen Schwersound nun nicht nur in Sachen gefühlvolle Tiefgründigkeit geradezu perfektioniert, sondern taten auch bei melodischen Eingängigkeiten und lyrischem Anspruch einen weitläufigen Schritt nach vorne.
Ergiebiges Endresultat ist eine durch ihre drückende Intensität und faszinierende Andersartigkeit dermaßen fesselnde Platte, dass man nicht selten glatt argwöhnt, der lamentierende Haufen wäre am allerglücklichsten, wenn er am allertraurigsten ist.
Berührend klagende Zwielichtslieder wie zutiefst unten hängende gigantische Regenwolkenteppiche also, welche mittels der hohen dramaturgischen Gehaltsdichte jederzeit ihren nasskalten Inhalt über einem freigeben können.
„High Hopes In Low Places“, erschienen Ende August 2010, zeigt die schwäbischen Düsterrocker von ihrer kernigsten, intimsten und zeitgleich besten künstlerischen Seite.
Eine reife Leistung, die neben der Beständigkeit und der Geradlinigkeit in Sachen Besetzung einmal mehr zeigt, dass die authentischen Göppinger Seelenmänner End Of Green zu den glaubwürdigsten und aufrechtesten Gruppen aus dem harten Musikbereich überhaupt zählen.
Ich hingegen zähle auf die Auskunftsfreudigkeit von Gitarrist und Neon-Kinnbart Sad Sir, welcher erwartungsgemäß sehr gerne sein ganz persönliches Jahr 2010 für mich Revue passieren lässt.
„Meine fünf Lieblingsalben waren letztes Jahr eindeutig The National `High Violet`, The Black Keys `Brother`, The Gaslight Anthem `American Slang`, Kvelertak `Kvelertak` und von Nachtmystium die Scheibe `Addicts: Black Meddle Pt. 2`“, bekennt der sympathische Zeitgenosse eingangs offenherzig.
Dann ergänzt er: „Mein favorisierter musikalischer Newcomer mit dem meisten kreativen Potenzial war beziehungsweise ist für mich ganz klar noch immer die US-amerikanische Heavy Metal-Band The Sword, die finde ich einfach nur noch toll. Ihr aktuelles Album `Warp Riders` ist ein echter Hammer!“ Auf seinen Lieblingssong 2010 anschließend noch angesprochen, entgegnet der Mann, dass da eindeutig „Full Of Regret“ von Danko Jones an vorderster Stelle rangiert.
Zum Gegenteil: „One Republic feat. Timbaland mit ihrem stressenden `Lied` namens `One Republic` haben mich fast zum Wahnsinn getrieben. Fußballweltmeisterschaft 2010 in allen Ehren, aber so was als offizielles ZDF-WM-Lied?“
End Of Green sind auf der Bühne immer ein Erlebnis, das wissen Kenner der Band ganz genau. Sad Sir blickt zurück:
„Unser bester Gig war in München, im dortigen Backstage-Club, selten waren wir allesamt so sehr zufrieden mit einem End Of Green-Auftritt. Einfach spitze, kann ich da nur sagen! Während der mieseste Auftritt von uns für alle Zeiten wohl derjenige in Auggen 2009 bleiben wird. Der ist ehrlich gesagt in 100 Jahren noch nicht zu floppen. Ich habe auch dieses Jahr oft mit befremdlichen Stimmungen daran denken müssen.“ [verzieht das Gesicht, während er die Augen rollt]
Apropos: „Das beste Konzert, welches ich selber besucht habe, war erfreulicher Weise auf jeden Fall das von Samiam im Universum hier in Stuttgart.“
Wir sprechen noch über die vergangene Festivalsaison. Sad Sir befindet: „Das war für meinen Geschmack mal wieder das SummerBreeze, eine rundum gelungene Veranstaltung.“ Ins Kino geht der Kerl auch hin und wieder gerne und da hat ihn 2010 ein Film ganz besonders gepackt, wie er wissen lässt: „Das war `Männer, die auf Ziegen starren`. Eigentlich ein vollkommen beknackter Titel, wenn man den Film nicht kennt. Aber definitiv ein mehr als sehenswerter Streifen, mit Schauspielern in absoluter Hochform.“
Aus diesem Kontext heraus dreht sich der nachfolgende Dialog logischerweise auch darum, welcher für den Gitarristen der minderwertigste Film in diesem Jahr war.
Wobei Sad Sir die Black Metal-Dokumentation „Until The Light Takes Us“ nennt, die ihm so gar nicht zusagen wollte.
Da schätzt mein Gesprächspartner einen Herren namens Henry Rollins, seines Zeichens US-amerikanischer Musiker, Schriftsteller und Schauspieler, doch schon viel höher ein:
„Ein klasse Typ, der für mich eine der letzten echten Persönlichkeiten im Musikbusiness darstellt. Was er macht, das macht Rollins mit Herz und Seele. So soll es sein!“
Dass Alkohol im Leben der allermeisten Rockbands eine nicht geringe Rolle spielt, weiß jeder.
Wann End Of Green 2010 jedoch ihren größten Exzess zelebrierten, berichtet Gevatter Rotbart hier noch, und das tut der Mann mit einem sehr breiten Grinsen:
„Das war im Münchner Weltraumstudio bei Produzent Corni Bartels, und zwar, als `High Hopes In Low Places ` endlich fertig gemixt war. Von uns fiel da ein Riesendruck, von daher ließen wir uns einfach gehen, so glücklich waren wir.“
© Markus Eck, 05.01.2011
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