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Interview: EPICA
Titel: Bestärkung zur Selbstverwirklichung

Kaum scheint die letzte feine Live-Veröffentlichung „The Classical Conspiracy” dieser international sehr erfolgreichen Niederländer auf den Musikmarkt gekommen, da liefern die fleißigen Enthusiasten Epica bereits schon wieder ein neues Studioalbum ab. Und für das aktuelle und fünfte Langspielklangwerk „Design Your Universe“ lotete die erfahrene Anspruchsband um Songwriter und Gitarrist Mark Jansen sowie den neuen zweiten Gitarristen Isaac Dalahaye insbesondere die stimmlichen Grenzen noch einmal mehr aus.

So agiert die bezaubernde Mezzosopranstimme Simone Simons hier zwar weiterhin auf allerhöchstem ästhetischem Niveau, doch Growl-Meister Jansen traktiert seine Stimmbänder hingegen auf „Design Your Universe“ noch härter, noch gröber und im Zuge dessen auch wohl beängstigender als die jemals zuvor bei Epica überhaupt der vokalistische Fall war.

Einige Hörer werden wohl auch eindeutig konstatieren, dass die Lieder von Epica härter geworden sind und damit noch nicht mal Unrecht haben.

Somit steuert das Ensemble entschlossen weiter den bereits mit dem 2007er Album „The Divine Conspiracy“ begonnenen stilistischen Kurs.

Ansonsten bietet das notenfreudige Hochnobelsextett seinen Anhängern mit dem neuen Release erneut monumental-hymnisch komponierten und opernhaft arrangierten Epic Gothic Metal vom Allerfeinsten, was dieses Genre so kennt.

„Trotz diverser und für nicht wenige Fans bestimmt teils sehr überraschender Neuerungen im Sound klingt auch das neue Album immer noch definitiv nach Epica“, ist sich Sängerin Simone sicher. „Doch wir wollten jeden bisherigen Aspekt in unserer Musik noch mehr potenzieren. Viele Passagen in den neuen Songs sind dadurch ziemlich komplex geworden, vor allem in den Orchestrierungen, und gleichzeitig klingen die Stücke auf `Design Your Universe` melodramatischer als dies zuvor der Fall war. Und was die Gitarren anbelangt, die sind um einiges melodischer geworden – woran der neue Gitarrist Isaac Dalahaye sicherlich entscheidenden Anteil hat, wir sind wirklich sehr glücklich, in nun in der Band zu haben.“

Wie im Nachfolgenden von der auskunftsfreudigen Vokalistin zu erfahren ist, steuerte sogar Epica-Drummer Ariën van Weesenbeek dieses Mal seine wirschen Grollgesänge bei. Warum diese noch härtere Schiene, Simone?

„Gute Frage! Hauptsächlich sehe ich dies persönlich darin begründet, dass diesmal mehr Bandmitglieder als sonst, mir inklusive, ihre Kompositionsideen zum neuen Album beisteuern konnten. Vor allem Ariën hängte sich ziemlich tief rein, welchen ich für einen der allerbesten gegenwärtigen Metal-Drummer überhaupt halte. Er grollt seine Parts schon ziemlich böse, mir sagt das sehr zu. Überhaupt, ich finde die angestiegene Härte der neuen Kompositionen toll – endlich ist aus Epica eine richtige Metalband geworden“, freut sich die Dame hörbar.

„Früher betitelten uns so einige Leute ja sogar als Alternative Rock-Band beziehungsweise als lediglich kommerziell ambitionierten Haufen, um die übelsten Verfehlungen mal heraus zu picken. Uns hat das immer wieder sehr gestört, denn so verbreitete sich in gewissen Kreisen ein schlicht falsches Bild von uns und unserer Musik. Doch wir haben uns natürlich nun nicht verzweifelt bemüht, auf einmal anders zu klingen, um solchen unwissenden beziehungsweise inkompetenten Lästerern das Maul zu stopfen – sondern `Design Your Universe` spiegelt einen wirklich völlig natürlich vorangegangenen Reifeprozess wider. Denn: Vergleicht man den Albumvorgänger „The Divine Conspiracy“ aufmerksam mit dem 2005er Epica-Album `Consign To Oblivion`, erscheint `Design Your Universe` als nur logische Weiterentwicklung in unserem kreativen Horizont.“

Interessant zu wissen, wie weit die Niederländer den Härtegrad in ihrer opulenten Epikerkunst wohl noch treiben werden – Simone stellt zu diesem Kontext eindeutig klar: „Eine Black Metal-Band werden wie wohl sicherlich niemals werden. [lacht] Sicher ist aber: Solange ich in Epica singe, wird sich die seit jeher bei uns grundlegende Stilistik auch nicht ändern.“

Und etwaige Befürchtungen, dass die Fans den aktuell vollzogenen Schritt ihrer Lieblinge nicht mitgehen werden, muss sie samt der Band auch nicht mehr haben, wie die Sängerin mit guter Laune in der Stimme verkündet:

„Bereits vor Veröffentlichung des Albums ließen wir die Fans an einigen der neuen Songs beziehungsweise deren Auszügen online teilhaben – hierfür erstellten wir drei kleine Teaser-Snippets, und auf der Homepage unseres Labels konnte man sich sogar einen vollen und sehr harten Track des Albums vorab anhören. Und glücklicherweise bekamen wir darauf sämtlich keinerlei negative Rückmeldungen, worüber wir allesamt ehrlich gesagt mehr als froh beziehungsweise erleichtert sind. Ein einziger Musikjournalist schrieb mir lediglich, dass er die Songs des Vorgängeralbums besser findet, aber das ist ja letztlich auch immer ganz persönliche und individuelle Geschmackssache.“

Andererseits: Was würden die vom Erfolg bis heute so sehr verwöhnten Niederländer Epic Gothic Metal-Stars denn eigentlich machen, wenn ein Großteil ihrer loyalen Anhänger sich künftig weiteren stilistischen Modifikationen einmal schlicht versperren würde?

Simone stockt zunächst noch in verhaltener Manier, und gibt dann zu Protokoll:

„Sehr schwierig zu sagen, denn ich bin ja bei uns nicht der Maincomposer bei uns. Doch wenn ich es wäre – ich würde natürlich immer haargenau die Musik machen, die ich persönlich auch mag. Dabei ist es natürlich großartig, wenn das Erschaffene auch andere Menschen gerne hören. So etwas kann trotz aller Umsicht relative schnell zum zweischneidigen Schwert werden – denn einerseits möchte man die Musik kreieren, die man selbst favorisiert, andererseits wünscht man sich auch, dass man anderen Leuten damit eine Freude macht. Überbewertet man als Künstler jedoch Letzteres, gerät man doch über kurz oder länger unweigerlich in eine schier ausweglose schöpferische Sackgasse. Daher: Kunst beziehungsweise Musik sollte immer so ehrlich als nur möglich erschaffen werden.

Als Lieblingssong des neuen Studioalbums nennt Simone wie aus der Pistole geschossen das Stück „Semblance Of Liberty“ und bestätigt damit ganz unbewusst das zuvor von ihr Gesagte. „Es ist die härteste Nummer auf der neuen Platte, und auch die anderen in der Band lieben diese Komposition sehr.“

Ganz gezielt nach einer speziellen Bedeutung des aktuellen Albumtitels beziehungsweise einem roten lyrischen Faden der neuen Songtexte befragt, erzählt Simone noch gerne:

„Der Titel `Design Your Universe` steht dafür, dass wir Menschen unsere Existenz beziehungsweise den Blickwinkel darauf durch unser Bewusstsein erschaffen. Jeder von uns hat viele Träume und Talente, die er gleichsam verwirklicht sehen möchte. Doch nur die Wenigsten getrauen sich ihre Sehnsüchte und Lebensvorstellungen entsprechend umzusetzen. Es hängt eben ganz davon ab, ob man Träumer bleibt oder ob man sein eigenes Schicksal mit aller Entschlossenheit stark in die Hand nimmt. `Design Your Universe` bedeutet auch, dass man seine Chancen erkennen und nutzen muss, sonst wird man – außer durch Zufall oder Glück – wohl kein einziges Ziel im Leben jemals erreichen. Unser aller Motto auf Erden sollte daher sein: Versuche stets deinen allergrößten Traum auf der Welt wahr werden zu lassen!“

Für sie brachte das zur Neige gehende Jahr 2009 ohnehin wieder mal eine ganze Menge an Trubel in der Manege des Musikzirkus mit. Doch Fräulein Simons wäre nicht sie selbst, wenn sie nicht alle Aufgaben wie gewohnt mit Fleiß, Disziplin und Können bravourös bewältigt hätte.

Nicht nur also, dass sie ihren Aachener Lebensgefährten und Kamelot-Keyboarder Oliver Palotai und dessen Dark Symphonic Progressive Metal-Band Sons Of Seasons auf Vokalebene verstärkte; auch mit ihrer niederländischen Hauptband brachte die beflissene Simone dieses Jahr gleich zwei aufwändige Veröffentlichungen auf den Markt: Nämlich die nicht umsonst sehr erfolgreiche Live-Scheibe „The Classical Conspiracy” und eben den aktuellen Langspieler „Design Your Universe“.

„Am meisten hielt mich 2009 der Kompositionsprozess und die dazugehörigen Aufnahmen zu `Design Your Universe` auf Trab. Doch gegen Ende 2008 tourten wir ja ausgiebig, was sehr anstrengend war, und so kam mir das Ganze Drumherum zum neuen Album gerade Recht, um eine belebende Frische in mir zu kultivieren“, spricht Vollblutkünstlerin und Leidenschaftssängerin Simone.

„Insgesamt, resümierend gesehen, war es schon wieder mal ein sehr langer und mich auch jederzeit vollkommen einnehmender Prozess, diese auch insgesamt doch recht variantenreiche Platte fertig zu kriegen. Schließlich stellte `Design Your Universe` für mich von Anfang an trotz aller anderen Geschehnisse das allerwichtigste Ereignis 2009 überhaupt dar. Auch die umfangreichen Vorbereitungen zu der diese Albumveröffentlichung flankierenden Tour kosten eine Menge an Zeit, Ende November geht es für uns sogar nach Südamerika.“

Was nun die angesprochene Modifizierung der Stilistik von Epica in Richtung härtere Gangarten angeht, da atmet Simone noch immer erleichtert auf. Und sie weiß noch zu berichten:

„Insgesamt bekam ich bis zum heutigen Zeitpunkt lediglich drei bis vier Fan-Mails, in welchen die Absender ihren Unmut über die neue musikalische Richtung bekundeten – der Rest unserer Anhänger aber ist ganz glücklich mit dem von uns aufgefrischten Epica-Sound, wie es mir scheint. Wir stehen jedenfalls voll und ganz dahinter. Am Ende ist es ja genau die Musik die wir machen wollen, das Endergebnis unser aller Kreativität; und für nichts anderes soll Epica ja stehen. Natürlich ist es unmöglich, dass alle Metal-Fans unsere Songs so lieben wie wir. Aber solange unsere Anhängerschar mit jedem Album beziehungsweise mit jedem Konzert weiter anwächst, sind wir überglücklich mit Epica.“

Mit ihrem Oliver ist Simone jetzt schon fünf Jahre zusammen und seit einiger Zeit wohnt sie auch bei ihm in Aachen. „Wir sind noch immer sehr glücklich miteinander, was mir viel wert ist. Wir leben in einem schönen Haus, worin ich mich sehr wohl fühle. Aber auch sonst gefällt es mir in Deutschland sehr gut. Ich habe sehr gerne mit den meisten Leuten hier zu tun; nicht zuletzt deswegen, weil ich dabei auch meine sprachlichen Deutschkenntnisse immer wieder verbessern kann. Und dies kommt mir beziehungsweise der Band auch immer mehr bei unseren Auftritten in Deutschland zugute, es macht vieles so viel einfacher“, gibt die Sopranistin mir mit einem herzlich-heiteren Lachen zu Protokoll.

Doch leider musste die – in diesem Dialog erneut sehr sympathisch agierende – Kehlenkünstlerin 2009 auch persönlich zu verspürendes Leid erfahren. Ihre Gesichtszüge werden sehr ernst:

„Meine von mir sehr geliebte Großmutter verstarb diesen Sommer, genauer gesagt Ende August. Und direkt nach ihrer Beerdigung hatte ich eine Show mit Epica zu absolvieren, was beileibe nicht leicht für mich war. Ich meisterte es so gut ich eben konnte. Mittlerweile habe ich das Ganze einigermaßen verarbeitet, denn das Sterben gehört zum Leben einfach dazu. Leicht war es trotzdem nicht, wie man sich leicht vorstellen kann. Mein Großvater verschied vor vier Jahren, und das ebenfalls Ende August – eine mich auch oft zum Nachdenken anregende Übereinstimmung.“

Apropos, schlechte Stimmungen: Was den massenmedialen Auswurf an täglich neu aufgebauschten „Sensationen“ angeht, dem stand die Sängerin auch 2009 eher gelassen gegenüber, wie sie noch kundgibt. Dennoch:

„Ich verfolge zwar nicht so sehr, was im TV oder Radio so abgeht, aber ich werde immer wieder ganz besonders hellhörig, wenn es um üble Themen wie beispielsweise Umweltverschmutzung und Missbrauch von Menschen und Tieren geht. Und das nimmt leider trotz allen Kampagnen immer noch weiter zu, wie es scheint.“

Als stimmstarke Sopransängerin der erfolgreichen niederländischen Gothic Dark Metaller zeigt Simone also seit Jahren ihren höchst umfangreichen Stimmradius auf, was noch immer nicht wenig zur großen Popularität dieser Genregröße beträgt.

Dabei ständig am Proben, Singen, Aufnehmen oder auch Touren, füllen Epica und das ganze Drumherum das Leben der attraktiven Kehlenkünstlerin mittlerweile beinahe vollkommen aus.

Vollauf passionierte und in Sachen Geschmack auch zu sich selbst stets grundehrliche Musikliebhaberin durch und durch, steht die Dame voll und ganz hinter ihrem Tun beziehungsweise dem Sound ihrer Band. Simone, was also hörst du…

…wenn du traurig bist?
„Anathema; ihre Musik versetzt mich immer in eine wirklich melancholische Stimmung. Die Songs `One Last Goodbye` und `Parisienne Moonlight` bringen mich in bestimmter Stimmung gar zum Weinen, und die Texte kommen meinen eigenen Erfahrungen zudem sehr nahe.“

…wenn du glücklich bist?
„Lady Gaga, um ganz ehrlich zu sein. Ich mag ihr Album sehr, um gute Laune noch zu steigern. Auch die Songs von Muse mag ich sehr gerne hören, wenn es mir richtig gut geht – mehr noch, ich liebe manche von ihnen.“

…wenn du gute Laune kriegen willst?
„Kate Perry – das pusht mich. Viele können sie beziehungsweise ihre Lieder offenbar nicht leiden, aber das ist mir ziemlich egal.“ [lacht]

…wenn du dich entspannen willst?
„Anneke Van Giersbergen, bekannt als Sängerin von The Gathering. Ihre sehr sensitive Stimme erdet mich immer wieder sehr.“

…wenn du aggressiv bist?
„Ganz klar: Dann bevorzuge ich es, Opeth oder Rammstein zu hören. So richtig aggressiv bin ich aber niemals, das ist nicht meine Art. Doch eigentlich, wenn ich so darüber nachdenke, mag ich in solchen, eher deprimierten Stimmungen auch die Musik von Gerbert Grönemeyer, beispielsweise seinen Song `Mensch`. Ich mag auch den Liedtext sehr.“

…beim Sex?
„Also, dazu brauch’ ich echt gar keine Musik!“ [lacht verlegen]

…beim Kochen?
„Rammstein. Denn deren Songs animieren mich nämlich immer sehr zu allerlei kulinarischem Neuland.“

…bei Autofahren?
„Unglücklicherweise ist der CD-Spieler in meinem Auto derzeit kaputt – so habe ich immer meinen iPod dort in der Zigarettenanzünderbuchse anzuschließen. Derzeit höre ich definitiv am allerliebsten den Soundtrack zum Kultfilm `Die fabelhafte Welt der Amélie`, komponiert von Yann Tiersen.“

Doch, trotz aller Liebe zur Klangkunst an sich, wie sie noch abschließend offenbart, braucht Simone auch ab und an absolute Stille um sich herum. „So geht es mir oftmals nach anstrengenden Konzertauftritten, die mir viel Kraft und Energie abverlangt haben; da bin ich dann immer sehr froh, wenn ich für mich sein kann und gar nichts mehr hören muss. In solchen Momenten muss ich mich nämlich so richtig ausruhen, um wieder Kraft für neue Aufgaben tanken zu können.“

© Markus Eck, 14.01.2010

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