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Interview: GRAVEWORM
Titel: Triumph des Bösen

„Scourge Of Malice“, ihr vorheriges 2001er Studioalbum, kristallisierte diese Südtiroler Grabwurm-Paten als international konkurrenzfähig heraus. Fähig vor allem dazu, mit ihren Liedern wahre imaginäre mystische Dunkelreiche im Geist der Hörer auferstehen zu lassen.

Nun hat die eigenständige und melodisch bewanderte Dunkelmetall-Kapelle die Arbeiten an ihrem neuen Albumopus „Engraved In Black“ in den Stage One-Studios bei Produzenten-Bekanntheit Andy Classen abgeschlossen. Dieser Name zeichnet auch hier für einen amtlich fetten und stellenweise begeisternd bombastischen Gesamtsound verantwortlich.

Nachdem die Veröffentlichung von „Scourge Of Malice“ nun also auch schon wieder geschlagene zwei Jahre her ist, freute ich mich doch sehr über die frohe Kunde eines neuen Albumwerkes dieser erfolgreichen Südtiroler Grabwurmzüchter.

Und je eine kategorisierende und eine qualitative Einschätzung von „Engraved In Black“, so der Titel des neuen Melodic Black Metal-Manifestes von Graveworm, ergab meine Hörprobe am Samstag, den fünften April 2003 in Donzdorf.

Das neue Label Nuclear Blast und die gesamte Band höchstpersönlich hatten geladen.

Nachdem sich die international bestückte Journalistengilde samt Produzent Andy Classen dann komplett dort eingefunden hat, entfleuchen den starken Lautsprecher-Boxen die neuen Schwarzmetall-Brecher, welche sich als ein mitreißender Mix aus 1999er Hypocrisy zu Zeiten ihres selbst betitelten Albums, frühen Cradle Of Filth und neueren Dimmu Borgir erwiesen.

Auch eine leichte Prise Satyricon ist neuerdings mitunter heraus zu hören.

Ein stimmungsvolles Frontcover-Artwork von Kristian Wåhlin, welcher vielen von euch unter seinem früheren Pseudonym Necrolord bekannt sein dürfte, schmückt die Vorderseite von „Engraved In Black“.

Da die Songreihenfolge des neuen Graveworm-Langspielers an diesem Tag noch nicht ganz fest steht, kann sich die endgültige Plazierung des einen oder anderen Tracks auf dem Album noch ändern, wie in Erfahrung zu bringen war. Auch ein Instrumentalstück namens „Thorns Of Desolation“ war bis dato noch nicht komplett abgemischt, so daß es für mich nicht zu hören war.

Doch dann geht es endlich los und der erste Knaller „Abhorrence“ sorgt in adäquater Lautstärke für anhaltendes Staunen. Fett und bombastisch im Beginn, offenbart dieser sehr Cradle Of Filth-lastige Song nach circa einer Minute einen von Sänger Stefan Fiori prächtig inszenierten Growl/Screech-Mix, welcher typisch für die Südtiroler ist. In der Mitte des Stücks sorgt dann ein Break opulent arrangierter Natur für grenzenlos spürbare Tragik. Danach geht es mit stampfendem Rhythmus weiter, welcher die anfänglich gemachten Hypocrisy-Parallelen erneut überzeugend greifen läßt.

Anschließend kracht der zweite Brecher „Dreaming Into Reality“ ins Donzdorfer Geschehen. Erneut, trotz aller inszenierten schauerlichen Bestialität, massiv an die majestätische Opulenz von Hypocrisy anno 1999 erinnernd, setzt nach circa einer halben Minute der unverwechselbare und charismatische Diabolikgesang Stefans ein. Ein starker Midtempo-Fetzer, welcher erneut ab der Hälfte seiner Spieldauer ein abruptes Break verpaßt bekam.

Verschwenderisch, getragen und majestätisch erhaben erschallen nun die Keyboards von Tastenhexe Sabine Mair, deren anmutig kreierte Melodien eine schier endlose Weite atmen. Plötzlich setzt dann wieder unvermittelt die totale ekstatische Raserei ein, welche erneut in bester kaiserlicher Hypocrisy-Manier umgesetzt wurde.

Danach ist es Zeit für „Beauty Of Malice“, eine eher schleppend hymnische Komposition von ungewohnt langer Spieldauer:

Sie zeichnet sich anfangs durch ästhetisch schwelgenden Beginn aus, welcher dann unvermittelt und rigide von richtig fetten Gitarrenwänden aufgehalten wird. Classens Produktion, welche er in seinen Stage One-Studios fuhr, erweist sich nicht nur bei diesem Brachiallied als wahrer Glückstreffer für Graveworm. Weiterhin einsetzendes, differenziertes Drumming von Stockschläger-Gildemeister Martin Innerbichler tut sich plötzlich hervor, um Stefans abwechslungsreiche Gesangsarbeit den Rhythmus vorzugeben.

Sabines perlende Keyboards ergänzen das grausame Klangszenario wieder hervorragend. Mächtige Chöre, wohl synthetischer Herkunft, bringen sich ebenfalls orgiastisch ein. Ein sehr massiver Song mit nobler Melodik, eigentlich das erste richtig typische Graveworm-Stück auf „Engraved In Black“.

Und dann ist „Drowned In Fear“ dran: Bestialität und Bombast in harmonischer Vermengung. Sehnsüchtig verlangende Melodieführung ergänzt den hektisch-hysterischen Beginn des Stücks. Dann folgt kontrolliert inszeniertes Schwarzstahl-Chaos. Nach kurzer Zeit wieder der obligatorische Break, welcher mit herrlicher Keyboardassistenz und grandiosem Growl in entspanntere schleppende Gefilde führt.

Dann zieht die Rhythmus-Sektion das Tempo wieder ruckartig an. Bei diesem Track zeichnet sich dann auch erstmals so etwas wie ein kompositorischer roter beziehungsweise hier schwarzer Faden ab.

„Legions Unleashed“ beginnt dann mit bestem Cradle Of Filth-Riffing, welches von ebenso sakralen wie rasanten Tastenkreationen begleitet wird:

Ein schneller, ein sehr epischer Song mit einem bald folgenden Break, welches in herrlichen Klangbombast führt. Von der Direktive etwas an neuere Dimmu Borgir angelehnt. Inklusive einer verspielten Keyboard-Einlage, die schnell von tosend einsetzendem Riffing zerfetzt wird.

Es folgt tonnenschwere Gitarrenarbeit und entfesselte Raserei, alles in sehr kontrollierten Strukturen dargeboten. Ein wunderschöner Ausklang, der von der Stimmung her an einen Sonnenuntergang erinnert, kann tief berühren.

Der nächste Song „Renaissance In Blood“ beginnt mit todessehnsüchtiger, brachialer Einleitung. Schnell setzt er, das Biest Stefan, mit seinem Bestiengesang ein: Hingebungsvolles Kreischen, von tödlichem Growl unterlegt, kann begeistern. Oberfetter Gitarrensound kennzeichnet diesen stampfenden, aber abwechslungsreichen Track, welcher sich noch als kürzeste Kompositionen auf dem neuen Album erweisen soll.

Mit „It´s A Sin“ haben Graveworm noch eine Pet Shop Boys-Coverversion auf dem Album plaziert, welche ich trotz meiner ausgeprägten Abneigung gegen die einstigen Erzeuger des Songs ganz gelungen finde.

„Losing My Religion“ hingegen ist eine REM-Coverversion, die man nicht auf den ersten Hörer erkennen wird. Beide Cover-Tracks sind in der für das aktuelle Album „Engraved In Black“ typischen Instrumentierung umgesetzt worden. Welcher der Coversongs nun auf die europäische und welcher auf die japanische Version des Albums gelangen wird, stand an diesem Tage leider auch noch nicht fest.

Anschließend an diese gelungene Listening-Session konnte man sich wieder mal bei freundlich bereitgestellten Snacks mit den zahlreich vorhandenen Donzdorfer Flipperautomaten vergnügen oder auch nach Lust und Laune fachlich bewanderten Smalltalk unter Schreiberkollegen pflegen.

Gegen Abend pilgerte die gesamte Meute dann noch ins hiesige „Bürgerstüble“ zu einem rustikal gestalteten, vom Label gesponserten Ritteressen. Einer Zusammenkunft also, bei der es hoch herging, wie man sich leicht denken kann.

„Die derzeitige Stimmung im Graveworm-Lager ist natürlich sehr gut. Wir haben jetzt endlich das neue Album im Kasten, wir sind vom Sound, den uns Andy Classen gezaubert hat, echt begeistert und auch sonst stimmt im Umfeld einfach alles. Was will man denn mehr?“, entgegnet mir Sänger Stefan Fiori anfangs des Gespräches mit einer angehängten Gegenfrage.

Was das neue Album „Engraved In Black“ anbelangt, ließen sich Graveworm laut Stefan von diversen Einflüssen inspirieren:

„Jeder bei uns hat seinen eigenen Musikgeschmack und natürlich auch seine speziellen Faves. Unser Drummer Martin beispielsweise steht voll auf Hardcore und Thrash Metal. Ich bin derjenige in der Band, welcher auf eher härtere Sachen steht wie beispielsweise Marduk, Immortal usw. Aber auch Hypocrisy ist eine meiner Lieblingsbands. Außerdem bin ich noch ein riesiger Iron Maiden-Fan. Andere in der Band hören von Black Metal bis hin zu Power Metal sehr viel, und manchmal sogar auch eher modernere Musik. Ich würde unsere Musik als Dark Metal bezeichnen. Es ist ein wenig von allem enthalten und thematisch befindet sich alles auf der düsteren Seite.“

So hofft der Kerl laut eigener Aussage in erster Linie, die alten Graveworm-Fans mit dem neuen Werk nicht zu enttäuschen.

„Wahrscheinlich werden wir auch noch einige Fans dazubekommen, da `Engraved In Black` ja doch eher gitarrenlastig ausgefallen ist, ohne jedoch auf Keyboard-Melodien zu verzichten. Diese sind ja immer noch ein Trademark für uns. Unsere aktuelle Musik wurde im Unterbewusstsein von verschiedenen Musikstilen beeinflusst. Einige Inspirations-Bands hört man bei uns ganz besonders stark heraus, wie beispielsweise Hypocrisy.“

Ein wichtiges Stichwort, welches Stefan mir da liefert, denn genannte Schwedentodmeister lagen mir schon nach wenigen Tönen von „Engraved In Black“ auf der Zunge. Dazu kamen mir wie erwähnt frühe Cradle Of Filth, neuere Dimmu Borgir in den Sinn, Satyricon mit eingeschlossen.

Der Grabsänger teilt meine Einschätzung: „Da muss ich zustimmen. Dies sind alles Bands, die wir privat auch sehr gerne anhören. So wird man automatisch davon beeinflusst, auch wenn man diese Acts nicht mit Absicht versucht zu kopieren. Es geschieht einfach.“

Letztere Entwicklungseinschätzung greift auch bei Stefans mit jedem Jahr besser werdendem, prächtigem Growl/Screech-Mix. Der Sänger scheint die jeweiligen gesanglichen Extreme auf „Engraved In Black“ nun erstmals wirklich vollständig auszuloten. „Wie ich mich in eine solche Hochform gebracht habe? Da bin ich echt überfragt. Ich bereite mich zwar immer aufs Studio vor, aber ich übe keine bestimmten Gesangstechniken oder Ähnliches. Ich bin der Überzeugung, dass man sich mit der Zeit von selbst entwickelt, wenn man nur hart genug daran arbeitet. Ich selbst versuche ja immer, mein Bestes zu geben und bin diesmal persönlich mit dem Gesang sehr zufrieden.“

Das kann er auch sein. „Engraved In Black“ bedeutet übersetzt „ins Schwarze graviert“. Mein Gegenüber erläutert seinen Bezug zum aktuellen Werkstitel: „Als es an der Zeit war, einen adäquaten Titel für unser neues Album zu finden, habe ich mir Gedanken gemacht wie man die Texte, die Songs an sich und das Frontcover unter einen Hut bringen könnte. Und `Engraved In Black` sagt genau das aus. Es ist für uns ein Stück Arbeit, welche ins Schwarze eingraviert wurde. Man könnte aber auch `schwarze Kunst` dazu sagen.“

Das Songwriting für ihr neues Bosheits-Postulat hat dieses Mal sehr lange gedauert, wie anschließend von dem Kehlenkönner in Erfahrung zu bringen war. Stefan: „Wir sind nicht die schnellsten Songwriter. Es war am Anfang geplant, dass wir schon im Oktober 2002 ins Studio gehen, aber das hätten wir nie geschafft. Ich bin im Nachhinein sehr froh darüber, denn die besten Songs sind doch eher in der kurzen Schaffenszeit vor dem Studio entstanden. Wir hatten insgesamt gesehen also mal wieder eine Menge Stress. Aber wer uns kennt, weiß das ja sowieso.“

Nachfolgend bekam ich von meinem Gesprächspartner noch einen Einblick in den individuellen Kompositionsprozess der Südtiroler Dunkelvereinigung gewährt.

„Bei uns läuft das meistens so ab, dass unsere Keyboarderin Sabine und Gitarrist Steve das Meiste komponieren. Sie treffen sich und versuchen dabei brauchbare Riffs zu schreiben. Danach machen beide ihre weitere Arbeit an den Songs zu Hause. Sobald dann einige Riffs stehen, treffen wir uns alle im Proberaum und dort wird dann an den Graveworm-Songs herumgefeilt. Auf diesem Album haben sich auch Maschtl [Spitzname von Drummer Martin Innerbichler; A.d.A.] und Gitarrist/Bassist Eric vermehrt am Songwriting-Prozess beteiligt. Ich persönlich bleibe da meistens sowieso außen vor, da ich kein Instrument spielen kann. Was die Stimmung während des Komponierens anbelangt, dazu kann ich nichts sagen, da ich da ja nicht dabei bin.“

Wie ich dann erfuhr, hat Stefan sämtliche neuen Songtexte verfasst. Er resümiert: „Diesmal war die Stimmung eher gestresst, da alles eher kurzfristig geschehen ist. Ich versuche meistens mich in die Songs hineinzuversetzen und die Stimmung die sie erzeugen, einzuatmen. Der Song wird damit sozusagen eins mit mir und ich kann mich dann voll und ganz darauf konzentrieren.“

Der Sänger geht in die Tiefe: „Wie schon auf dem Vorgängeralbum `Scourge Of Malice` habe ich mich wieder mit der Südtiroler Sagenwelt befasst, welche sehr viel von den Kelten beeinflusst wurde. So las ich auch diesmal wieder viele Bücher darüber und verfasste dann die Texte. Jedoch habe ich nicht die originalen Texte eins zu eins übernommen, sondern diese überlieferten Geschichten nur als Hintergrundinformationen genommen und mir danach meine eigenen Storys erdacht. Es geht auch auf dem neuen Album wieder um den Kampf zwischen Gut und Böse, und diesmal triumphiert das Böse am Ende. Vielleicht deshalb, weil die neuen Songs auch eher böse und aggressiv ausgefallen sind.“

Bei dem neuen Label Nuclear Blast haben Graveworm jetzt endlich mal die Chance, mit einer professionellen Plattenfirma zu arbeiten. Und ich erfahre hierzu:

„Wir hatten schon unsere Bedenken, bevor wir bei Nuclear Blast unterschrieben hatten, da es doch ein riesiges Label ist. Unsere größte Befürchtung war anfangs, dort dann nur der kleine Fisch im großen Becken zu sein. Letztendlich waren aber dann zwei Gründe ganz besonders ausschlaggebend: Erstens die breit gefächerten Chancen, die uns ein Label dieser Größenordnung bietet, und zweitens die Zusammenarbeit mit dem dortigen Promoter Markus Wosgien. Diesen kennen wir noch von unserem alten Plattenlabel Last Episode. Uns verbindet eine enge Freundschaft. Mal schauen, was nun so alles auf uns zukommt.“

Im Nachhinein gemachten Vergleich aus künstlerischer Sicht zum aktuellen Material auf „Engraved In Black“ ist das 1998er Graveworm-Debütalbum „When Daylight´s Gone“ eher einfach gestrickt, wie Stefan bekennt: „Die Songstrukturen darauf sind einfacher und sie bauen auch nicht die Stimmung auf, welche wir jetzt versuchen zu kreieren. Und außerdem muss ich noch dazu sagen, dass sie sehr stark an Crematory erinnern. Wir haben damals, bevor wir anfingen selbst Songs zu komponieren, sehr viele Coverversion von Crematory gemacht, und davon wird dann wohl was hängen geblieben sein.“

Doch nun zurück in die Zukunft: Graveworm werden auf dem 2003er SummerBreeze-Festival spielen, die Band war dort schon 2001 live zu bewundern. Stefan schwelgt in Erinnerungen: „SummerBreeze 2001 war genial. Das damalige Konzert war nicht nur, was das Publikum anbelangt, das Beste, welches wir bis jetzt gespielt haben. Wir freuen uns schon jetzt tierisch darauf, wieder dort zu spielen. Festivals sind sehr wichtig für Bands, da man dort die Chance bekommt ein breit gefächertes Publikum anzusprechen.“

© Markus Eck, 12.04.2003

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