Interview: | LYNCH MOB |
Titel: | Wieder intuitiv |
Gerade ältere Semester werden sich noch ganz gut an die ewigen damaligen pressemedialen Schlammschlachten zwischen diesem außerordentlich talentierten Gitarrenhelden und seinem einstigen Bandboss und Sänger Donald Maynard ‚Don‘ Dokken erinnern. Letzteres war damals in der dargestellten Intensität so wenig glaubwürdig wie heute.
Den Album-Abverkäufen dieser – von mir heute noch sehr gern gehörten – Hardrock-Gruppe aus Los Angeles war dies natürlich nur förderlich, denn die famosen Veröffentlichungen unter diesem Gruppennamen boten eine Zeitlang ohnehin brillantes Spitzenmaterial.
Vier zeitlose Albenklassiker sprangen dabei raus:
1981 kam „Breaking The Chains” auf den Markt, 1984 folgte „Tooth And Nail” und 1985 erschien „Under Lock And Key”.
Und nach dem begeisternden Melodikerknüller „Back For The Attack“ war dann 1987 erstmal Schluss mit den Dokken’schen Qualitäten. Woran anfänglich besagte Streitereien allerdings wirklich nicht ganz unschuldig waren.
Lynch hatte irgendwann wirklich genug von solcherlei Querelen und gründete 1990 seine eigene Truppe: Lynch Mob.
Ein grandioser Auftakt folgte alsbald mit dem absoluten Hammeralbum „Wicked Sensation“, gefolgt von einem weiteren tollen selbst betitelten Langspieler.
Dann kam die schwerste Zeit für Rocker und traditionelle Metaller bislang überhaupt: Der unselige Grunge-Boom. Sowohl Don als auch George samt ihren Bands hatten es dabei sehr schwer, was auch die Güte ihrer weiteren jeweiligen Veröffentlichungen stark in Mitleidenschaft zog und was beide Künstler beinahe zur Bedeutungslosigkeit verkommen lassen sollte.
Nun tat sich der Griffbrett-Heroe vor einiger Zeit ganz überraschend mit dem damals rasch wieder ausgestiegenen Lynch Mob-Ursänger Oni Logan zusammen: Und das Resultat in Form von „Smoke And Mirrors“ klingt ganze 17 Jahre später, als wäre die Zeit nach „Wicked Sensation“ einfach stehen geblieben.
Warum Lynch Mob es im Gegensatz zu Dokken in Deutschland niemals so recht gepackt haben, was die Erfolgssituation angeht, dafür hat der gute George auch keine stichfeste Erklärung parat.
„Ich wünschte, ich könnte Trends besser verstehen geschweige den erklären. Wenn ich es nämlich könnte, so hätte ich diverse Platten erst gar nicht veröffentlicht beziehungsweise hätte sie anders werden lassen. Musik zu klassifizieren ist ohnehin äußerst schwierig, weil das immer eine völlig objektive und letztlich ja auch relative Geschichte ist, was von Musiker zu Musiker und von Hörer zu Hörer mitunter völlig differiert. Meine Rock-Wurzeln liegen in den 1960ern und 1970ern. Und so wenig wie ich persönlich den Metal-Markt an sich einschätzen kann, sowenig kann wohl ein junger Meshuggah-Fan den Hardrock-Markt einschätzen.“
Der Gitarrist selbst erweist sich trotzdem als noch immer sehr entdeckungshungriger Hörer:
„Ich liebe viele der neuen mutigen Metal-Bands für ihre ganz spezielle Art und Weise zu spielen, darunter beispielsweise Opeth oder Mastodon. Und ich freue mich, dass das harte Gitarrenspiel die Welt wieder zu erobern imstande ist. Progressive Musik hat viele dieser neuen Acts ja ganz entscheidend beeinflusst.“
Die grundlegende und ertragreiche Idee der Progression an sich beinhaltet laut fundierter Ansicht von George das entschlossene Ausprobieren vieler neuer Spielarten:
„Hoffentlich sind all die Nachwuchsbands da draußen auch weiterhin so abenteuerlustig und erfinderisch wie im Moment, so dass sie ihre Hörerschaften entsprechend herauszufordern beziehungsweise wiederum andere neue Gruppen emsig zu inspirieren wissen. Aber ich denke, die jungen Musiker verstehen das sowieso – vor allem versuchen sehr viele davon, mittels kritisierender beziehungsweise tiefgründiger Songtexte, das Denken und Verhalten ihrer Hörerschaften entscheidend zum Positiven und Vernünftigen hin zu wenden.“
Mich interessiert, ob es wenigstens in der Heimat von Lynch Mob bis heute eine stete Anhängerschaft gibt. Für George ist dies allerdings schwer zu sagen: „Wir spielten eine Clubtour hier zum Ende der 1990er hin, welche ganz passabel besucht wurde, obwohl wir zu der Zeit kein neues Album etc. draußen hatten. Wir kümmerten uns im Vorfeld auch nicht groß darum, wie erfolgreich die Tour werden würde, wir schmissen sozusagen einfach auf die Schnelle unser Zeug zusammen und fuhren drauflos. Gegenwärtig gehen wir da sehr viel überlegter beziehungsweise methodischer vor, was beispielsweise die kürzlich absolvierten Festivals zu einem großen Erfolgserlebnis für uns werden ließ. Das neue Line-Up ist aber sowieso ein richtiger Renner, und auch die neue Scheibe ist ein Monster von einer Veröffentlichung!“
So kennt man ihn, diesen fingerfertigen Saitenspezialisten, welcher alte und neue Fans auf „Smoke And Mirrors“ wieder mit seinem typisch agilen, melodie- und nuancenreichen sowie prägende Akzente setzenden Spiel zu faszinieren weiß.
Was war denn überhaupt der ausschlaggebende Grund dazu, Lynch Mob wieder zu reaktivieren? Mr. Lynch resümiert:
„Ich denke, Oni war als erster vollauf bereit dazu und leierte das Ganze doch entscheidend an. Er zog vor einigen Jahren mit seiner Familie aus den Staaten in die Schweiz und zog sich zeitgleich auch sehr aus dem Musikbusiness zurück. Mein Respekt für ihn beziehungsweise seinen drastischen Ortswechsel ist riesig. Besser hätte er die Liebe zu seiner Familie wohl nicht ausdrücken können, als den Irrsinnskessel Los Angeles derartig zu verlassen.“
Als er und Oni sich ans Songwriting zum aktuellen Comeback-Album machten, fühlten die beiden sich von einem heftigen Southern- beziehungsweise Blues-Feeling begleitet, so George.
„Als das Ganze dann mehr und mehr Gestalt annahm, wurden die Kompositionen schon noch ein wenig härter. Die Ideen zu den neuen Stücken schossen mir wahrlich in den verrücktesten Situationen in den Kopf: Während ich beispielsweise Motorrad fuhr, unter der Dusche oder auch beim Umherstreunen. Meistens also, während ich sie nicht dokumentieren konnte! [lacht] Das ist sicherlich auch genau der Grund, warum meine allerbesten Ideen bislang leider noch gar nicht in Songs flossen“, bedauert der fitte Flitzefinger abschließend völlig zurecht.
© Markus Eck, 04.09.2009
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