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Interview: MORGENSTERN
Titel: Mittelalterliche Inspirationen

Die sagenumwobene und finstere Ära des dunklen Europa, des Mittelalters also, ist die behandelte Thematik auf dem formidablen Debütalbum der deutschen Mittelalter Metal-Band Morgenstern. Und das auch lyrisch äußerst ambitionierte Sextett mit dem auf der Zunge zergehenden Bandnamen hat kompetente Musiker und Songschreiber in seinen Reihen.

So stechen Morgenstern vergleichbare Gruppen des Genres wie beispielsweise In Extremo oder Subway To Sally meiner Meinung nach mit links aus, und zwar nicht zuletzt auch durch eine deutlich hervorgehobene und viel glaubwürdigere metallische Komponente im Gesamtsound. Das erfreulich komplexe Erstwerk des aus dem idyllischen Städtchen Merkers stammenden Spielmannszuges mit dem bedeutungsschwangeren Titel „Feuertaufe“ ist für die Edeltruppe eine ebensolche, welche die klangvolle Schar jedoch mit Bravour zu bestehen weiß.

Sämtliche Stücke dieses Albums können für sich alleine stehen, und die für ein Debüt schon erstaunliche Reife und Geschlossenheit der Band kann für sich einnehmen. Die Bandgründung ist gegen Anfang des Jahres 1998 datiert, es hat sich also allerhand getan seit damals. Dieser Fakt sowie die in ihren Bann ziehende Musik war Grund genug für mich, mir von Steffen Richter, seines Zeichens Vokalist der weit ins Land schallenden Spielleute, Näheres zu seiner musikalischen Wirkungsstätte erzählen lassen.

Wie komponiert man solche Stücke, die ein dermaßenes Mittelalter-Feeling an den Tag legen? Man muß die moderne Welt dabei schon ziemlich belanglos finden. Woher bezieht ihr eure Inspirationen und was sind eure größten Einflüsse?

„Die moderne Welt ist ziemlich belanglos und trist, weil Sie nur aus Geborenwerden und leider den größten Teil Arbeiten und wieder Sterben besteht. Also suchten wir nach anderen Inspirationen und entdeckten das Mittelalter für uns. Wir lassen uns inspirieren durch zahllose Gedichte über Tod und Pestilenz, Bilder von Grönewald und Bosch, Skulpturen von Riemenschneider und Veitstoss oder einfach das, was um uns herum passiert.“

Morgenstern sind erste Band dieser stilistischen Ausrichtung auf Napalm Records. Nach dem ersten Durchlauf eurer neuen Scheibe hat man Morgenstern eigentlich schon in sein Herz geschlossen, weiß „Feuertaufe“ den Hörer doch an der Hand mitzunehmen in eine Zeit, die vielen Metal-Hörern doch so naheliegt, weil sie so herrlich mystisch und wunderbar geheimnisvoll erscheint. Habt ihr das Label so lange attackiert, bis man euch unter Vertrag nahm, oder hat man euch nach der ersten Hörprobe ohnehin begeistert den Plattenvertrag unterzeichnen lassen?

„Man hat uns zum Glück dort ziemlich schnell vertraglich verpflichtet, weil der Inhaber der Plattenfirma von unserer Musik rasch sehr angetan war.“

Im Label-Info vergleicht man euch mit In Extremo oder Subway To Sally. Orientiert ihr euch überhaupt an diesen Bands oder lebt ihr in der musikalischen Isolation? „Man kennt und hört diese Bands bei uns und respektiert sie. Sie haben sicherlich den Weg für diese Art von Musik geebnet und ganz ohne Zweifel tragen wir auch einen großen Nutzen davon. Das heißt aber nicht, dass wir auf den Zug aufspringen, sondern schon versuchen unser eigenes Ding zu machen und uns als Bereicherung der Szene sehen.“

Im Sound von Morgenstern dominieren starke traditionelle Power- und Heavy-Metal-Elemente. Ist das beabsichtigt, um aus der Masse vergleichbarer Acts herauzuragen? Seid ihr überhaupt Heavy Metal-Fans der alten Schule und was sind eure bevorzugten Alltime-Faves? „Wir sind eigentlich keine generellen Heavy Metal-Fans, sondern lassen uns durch vielerlei Art von Musik beeinflussen. Wir versuchen den vorgegebenen Text einfach gut zu umrahmen. Und das ist alles.“

Wie verbringt ihr eure Freizeit? Meßt ihr euch in klirrenden Schwerterkämpfen, bei denen ein massiver Verschleiß an herangeschafften Gegnern stattfindet? „Du hast Recht, wir waren vorher viel mehr Leute, aber nur die sieben Stärksten haben überlebt. Spaß beiseite, wir leben wie jeder andere auch ein ganz normales Scheißleben: Also Arbeiten und Sorgen über Sorgen.“

Auf dem Frontcover der aktuellen Veröffentlichung seid ihr in "zeitgemäßer" Mode abgebildet. Tragt ihr solche Sachen auch privat, beispielsweise beim Zelebrieren solcher Spießer-Rituale wie Einkaufen gehen etc.? Wie steht ihr generell zu solchen Dingen? „Wir tragen solche Sachen generell nicht privat, weil sie einfach zu schwer und im Sommer viel zu dick sind! [lacht] Wir sagen immer, jeder soll tragen, was er will. Wenn einem danach ist, soll er sich kleiden wie er will.“

Ihr seit zu sechst, wie steht es also um die Harmonie in der Band? Duelliert ihr euch schon mal im Streit um das mitwirkende Mädel? Gibt es einen Anführer, ein "Gehirn" der Band, oder entscheidet ihr im Kollektiv?

„Die Harmonie in der Band ist hervorragend. Die mitwirkende Dame ist in Besitz eines Freiers, der schon vor mehreren Jahrhunderten um ihre Hand angehalten hat und sie bis heute nicht mehr losgelassen hat. Du weißt selber, Anführer haben in der Vergangenheit schon nichts gebracht. Also sind bei uns alle stimmberechtigt.“

Eure Lyriken gefallen mir außerordentlich gut, weil die Wortkreationen es spielend schaffen, sich in die von euch glorifizierte Zeit hineinzuversetzen und den Geschehnissen des Mittelalters teilhaftig zu werden. Vor allem singt ihr nicht nur von Rittern und Schlachten, sondern auch vom alltäglichen Leben und Dingen, die der einfache Mann erlebte. „Wir versuchen das Hier und Jetzt und das, was einmal war, zu verbinden und stellen fest, daß das, was war, aktueller denn je ist. Das heißt die Thematik von damals trifft auch heute noch voll ins Schwarze!“

Morgenstern agieren unter der symbolträchtigen Prämisse "Im Zeichen der Hoffnung!" Die Menschen des Mitteralters waren in der Regel sehr arm, aber bestimmt glücklicher als die heutige überfressene Konsumgesellschaft. Was also erhofft ihr euch? Erfolg und sehr viel Geld oder lieber den eigenen künstlerischen Anspruch zu befriedigen und so lange als möglich Musik zu machen?

„Wir wollen natürlich ganz ehrlich sein und sehen diesen Plattenvertrag als einen Schritt, um unsere Musik im ganzen Land zu verstreuen. Wir machen das in erster Hinsicht aus Spaß. Aber du weißt selber, wenn genug Geld hängenbleibt, um davon zu Leben wäre das nicht schlecht. Auf keinen Fall darf der Spaß an der Musik zu kurz kommen.“

Ihr spielt die uralten Original-Instrumente mit großer Versiertheit. Diese sind bestimmt sehr schwierig zu erlernen, oder? Was sind das alles für Instrumente? Bitte erzählt den geneigten Lesern etwas über Schalmei, Krummhorn etc.! „Sicher sind die Instrumente schwer zu spielen, aber wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Ich kann dir leider auch nichts über die Instrumente sagen, weil die, die es wissen, momentan nicht in unserer Runde sitzen. Wir bedanken uns für dein Interview! Im Zeichen der Hoffnung; Morgenstern.“

© Markus Eck, 12.05.2000

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