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Interview: MOURNING CARESS
Titel: Kraft durch Freude

Diese nicht unterzukriegenden Münsteraner Melodic Death Metal-Frustbolzen hatten gezwungenermaßen lange pausiert. Jetzt endlich aber attackieren sie anspruchsvollste Genre-Hörer wieder mit einer neuen Liedersammlung in Albumform. Und das aktuelle zweite Studioalbum „Inner Exile“ entschädigt für die schmerzlich lange Wartezeit vollauf. Denn durch und durch extrem emotional gehen Mourning Caress hierauf vor; ja, diese dauerhaft hörenswerte Scheibe strotzt daher nur so vor impulsiven Gefühlsausbrüchen tragischer Natur.

Betont nobel ausgarniert mit allerfeinsten Melodramatiker-Melodiken und mörderisch guten Gitarrenwerken, bewirkt „Inner Exile“ bei mir selbst letztlich das exakte Gegenteil des Plattentitels: Extrovertierte Beherrschungslosigkeit in Sachen Begeisterung. Drummer Dominic setzt sich nur zu gerne meinem auf ihn hernieder prasselnden Kreuzfeuer an neugierigen Fragen aus.

„Nach Veröffentlichung von `Imbalance` sind wir komischerweise in ein kreatives Loch gefallen und kamen einfach nicht von der Stelle. Wir haben zwar ein paar Songs geschrieben, der größte Teil ist allerdings wieder in der Tonne gelandet. Dazu kam, dass sich unser alter Gitarrist Florian musikalisch in eine komplett andere Richtung entwickelt hat, was dann auch den Wechsel an der Gitarre von Florian zu Florian zur Folge hatte. Das Songwriting für die neue Platte hat sich dann auch noch mal hingezogen, da Benedikt in der Zwischenzeit nach Ludwigsburg gezogen ist und das Proben dadurch natürlich nicht vereinfacht wurde. Als die neue Platte dann endlich im Kasten war, hat sich die Labelsuche auch noch mal ein knappes Jahr hingezogen und so waren dann auf einmal schnell sechs Jahre vergangen“, platzt es aus dem enorm taktfreudigen Trommeltier zu Beginn heraus.

So platt es auch klingt, aber es macht der Band laut Aussage des Kesselwartes primär ganz einfach einen Riesenspaß, derart frenetisch drauflos zu zocken:

„Es macht immer wieder gigantischen Frohsinn, mit den anderen im Proberaum abzuhängen und Krach zu machen. Wenn das nicht der Fall wäre, hätte sich das Kapitel Mourning Caress auch schon längst in Luft aufgelöst. Dass wir nun genau diese Art von Musik machen, liegt an unserem eigenem Musikgeschmack – denn das Meiste was wir persönlich hören, versuchen wir natürlich auch in unserem Sound unterzubringen. Und das geht nun mal von ruhigen, melancholischen Parts bis hin zum Thrash-Gebretter. Wenn wir damit ein paar Leute erreichen, denen das auch gefällt, ist das natürlich auch ein großer Antrieb, um weiter zu machen und uns nicht beirren zu lassen.“

Aufgrund der räumlichen Entfernung, die zwischen den Musikern von Mourning Caress besteht, ist es natürlich nicht so einfach gemeinsam zu proben, so Dominic.

„Allerdings versuchen wir einmal im Monat ein komplettes Probewochenende zu haben, in dem dann die Ideen, die Florian und ich vorher gesammelt haben, ausgearbeitet werden. Da wir uns musikalisch sehr gut ergänzen, läuft das dann eigentlich immer sehr entspannt ab. Natürlich gibt es auch Meinungsverschiedenheiten, aber das ist ja ziemlich normal.“

Line-Up-News gibt’s aktuell glücklicherweise keine. „Ich denke mal, dass dieses Line-Up, nachdem wir so lange durchgehalten haben, noch lange existieren wird. Was ich auch mal ganz stark hoffe, denn so ist es einfach perfekt. Jeder von uns trägt zum guten Gelingen bei und setzt sich für die Band ein.“

Warum der Plattenvertrag mit dem vorherigen Label nicht verlängert wurde, will ich anschließend wissen. „Beide Seiten hatten wohl zu hohe Erwartungen aneinander. Am Anfang lief es echt super, aber dann haben wir und auch Arise Records gemerkt, dass es nicht so richtig vorwärts ging, denn die CD-Verkäufe lagen hinter den Erwartungen von Arise und wir waren unter anderem enttäuscht, dass eine wichtige Tour nicht zu Stande kam. Trotzdem haben wir den Jungs von Arise viel zu verdanken. Es hat halt einfach nicht gepasst und das muss man akzeptieren.“

Bei Restrain Records handelt es sich um ein kleines aber feines Label aus Holland, so der Trommler, dass zwar noch nicht so lange existiert, aber gute Arbeit leistet. Wir erfahren:

„Die Labelsuche hat sich für uns doch schwieriger als erwartet gestaltet. Wir haben ein knappes Jahr gesucht und immer wieder Labels angeschrieben. Restrain haben dann den Mut bewiesen, eine Band, die sechs Jahre von der Bildfläche verschwunden war, unter Vertrag zu nehmen und die Platte zu veröffentlichen. Wir müssen jetzt einfach mal schauen wie die Sache läuft, denn es ist für uns auch ein absoluter Neuanfang. Es gibt zwar noch einige Leute die uns kennen, aber ich denke mal, dass wir doch etwas in Vergessenheit geraten sind.“

Spannend ist die Entstehungsgeschichte des aktuellen Albumwerkes nicht sonderlich:

„Die meisten Songs wurden erst nach Floh’s Einstieg geschrieben. Einzig `Too Deep Inside` stammt noch komplett aus einer älteren Session. Es ist also zum größten Teil komplett neues Material auf der aktuellen Scheibe.“

Ich frage ganz gezielt nach, was genau der Titel des neuen Werkes zu bedeuten hat.

„Inner Exile“: Ziehen sich immer mehr Menschen viel zu sehr in sich zurück?

„So kann man das natürlich auch sehen, allerdings fasst der Titel die gesamte Thematik der Texte in zwei Worte zusammen“, präzisiert Dominic.

Das Front-Cover für das neue Album wurde von Björn von Killustrations gemacht: „Unser Sänger Gerrit hatte eine genaue Vorstellung, wie das Cover aussehen soll und hat im Zuge dessen sehr eng mit Björn zusammengearbeitet. Es ist eine sehr gute bildliche Umsetzung des Titels und spiegelt die Stimmung der Texte perfekt wider.“

Reich und berühmt werden die fünf Münsteraner mit ihrer hochintensiven Mucke in diesem Leben wohl ohnehin nicht mehr, so Dominic lachend, deswegen haben die Kerle ihre Ziele mittlerweile ein bisschen runtergeschraubt.

„Nein, die Möglichkeit Platten zu veröffentlichen und Gigs zu spielen reicht uns völlig. Ein Ziel ist beispielsweise so viele Festivals wie möglich mitzunehmen. Das wäre eine ziemlich tolle Sache.“

Die Songs zu „Inner Exile“ wurden im Soundlodge Studio in neun Tagen eingeprügelt und für den Mix gingen drei Tage drauf, wie zu erfahren ist.

„Das war also eher eine enge Geschichte. Die Aufnahmen haben schon Spaß gemacht. Wenn allerdings so ein Zeitdruck besteht, ist es doch eher Arbeit und man versucht die Sache so schnell wie möglich ordentlich einzuspielen. Da kann es auch schon mal passieren, dass ein paar Drumsticks durch den Aufnahmeraum fliegen. Entspanntes Arbeiten ist was anderes“, entfährt es dem Schlagzeuger mit lautem Lachen in der Stimme.

Wenn man die Aufnahmebedingungen betrachtet, so Dominic, ist die Band im Großen und Ganzen schon sehr zufrieden mit dem Endprodukt „Inner Exile“.

„Dazu kommt ja noch das Cover und das ganze Layout – und auch damit sind wir wirklich sehr zufrieden. Da hat Björn von Killustrations schon sehr gute Arbeit geleistet. Auch wenn er von Gerrit täglich mit Mails bombardiert wurde.“ [lacht]

Einflüsse und Inspirationen gibt es eine ganze Menge, die den Mourning Caress-Sound ausmachen:

„Und dadurch kann man unsere Musik auch wohl nicht in eine Schublade einordnen. Wie eben schon gesagt, gehen unsere Einflüsse von ruhigen Sachen bis hin zum Geballer. Jeder in der Band hat seine Vorlieben, die in unseren Sound einfließen.“

Die Texte liegen allein in Gerrits Hand und er investiert sehr viel Zeit und Mühe, um seine Ideen vernünftig umzusetzen, wie sich mir nachfolgend eröffnet. Dominic konkretisiert das Ganze:

„Grob gesagt geht es um die Schwierigkeiten des Lebens. Wenn man beispielsweise verzweifelt ist und an einen Punkt angekommen ist, wo man nicht weiter weiß und man glaubt, dass alles über einem zusammenbricht. Es sind Themen, die eigentlich jeder schon mal durchgemacht hat. Die Texte sind aber nur auf den ersten Blick sehr düster. Es kommen einige Stellen vor, die dann doch wieder Mut machen sollen. Das textliche Thema kam ja auch schon auf der `Imbalance`-CD vor und hat sich so entwickelt. Gerrit hat einfach keine Lust über Fantasy- oder Science-Fiction Themen zu singen. Und genau dazu braucht er sich eigentlich nicht groß zu bilden, denn es sind ja reale Themen, die auch im engsten Freundes- oder Familienkreis vorkommen können. Ich glaube, er geht mit sehr offenen Augen durchs Leben und bekommt dadurch viele Inspirationen für seine Texte.“

Bei den ganzen Auftritten, die unsere Helden als Band bisher hatten, kam eigentlich schon alles vor – von nicht vorhandenem Publikum bis zu 2.000 ausrastenden Leuten, Stromausfällen oder auch mal Schlagzeuge, die glatt vom Drumriser fallen usw. war schon alles dabei.

„Man kann also schon getrost sagen, dass bei uns immer was los ist. [lacht] Wir geben bei unseren Gigs trotzdem immer alles. Egal, ob nur drei Leute oder 3.000 Interesse an uns zeigen. Außerdem ist Gerrit ein sehr guter Entertainer, der auch einen Kuhstall zur Wallung bringen kann. [lacht laut] Leider stehen im Moment noch nicht so viele Gigs an, allerdings sind wir ziemlich intensiv am planen, so dass man uns dieses Jahr wohl noch öfter zu Gesicht bekommt. Wir haben ja auch keine hohen Ansprüche. Verpflegung und ein bisschen Kohle, damit wir unsere Kosten decken können, reichen uns schon. Gegenwärtig freuen wir uns auf jeden Fall, dass wir wieder am Start sind und müssen jetzt erstmal wieder Aufbauarbeit leisten. Das Wichtigste ist jetzt einfach, Gigs an den Start zu kriegen und so viel live zu spielen wie nur irgend möglich. Außerdem arbeiten wir an neuen Songs, damit wir nächstes Jahr wieder ins Studio gehen können. Schließlich soll es nicht wieder sechs Jahre dauern.“

© Markus Eck, 07.04.2008

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