Interview: | ORLOG |
Titel: | Inmitten der Gegensätze |
Mit „Reinigende Feuer“, ihrem rundum exzellenten Debütalbum, haben diese westsächsischen Könner genau das geschafft, was von ihnen aufgrund vorheriger Glanzleistungen auch erwartet wurde: Knochen brechender und sogar bigotte Dickschädel spaltender Pagan Black Metal, der einem glatt die Kampfstiefel auszieht.
Die nach allen Seiten rhythmisch und edelmelodisch gleichfalls entflammende Gitarrenarbeit auf „Reinigende Feuer“ ist spektakulär – sie weist in deutschen Landen beinahe Einmaligkeitswert auf. Überhaupt, die musikalische Hammerpräsenz auf diesem erbittert instrumentierten Häretikerdiskus verblüfft mit zahllosen niveauvollen Höhenflügen – Tiefgang dagegen offenbaren Orlog ihren Hörern mit lyrisch durchdachten Textpassagen.
Und ansteckend siegessicher vorgetragen werden sie, die endlos wütend phrasierten Anti-Zeilen, welche sich glücklicherweise nicht nur in der beinahe ausgeplünderten Requisitenkammer herkömmlicher heidnischer Thematiken bedienen. Gitarren-Gevatter Angantyr brachte Licht in das Dunkel um die neue Scheibe.
„Ich würde sagen, das Wichtigste für uns ist das Erzeugen einer dunklen Atmosphäre, die zu unseren Gedanken passt, die wir in Orlog einbringen. Wir legen dabei großen Wert auf Abwechslung und Dynamik. Wir versuchen alle, uns an unseren Instrumenten stetig weiterzuentwickeln, da uns ein gewisser musikalischer Anspruch wichtig ist. Die Technik steht jedoch nicht unbedingt im Vordergrund, sondern ist ein Werkzeug um die eigenen Ideen umsetzen zu können“, beginnt der Saitenmeister seine Ausführungen.
Wie er weiter berichtet, hat Angantyr im Alter von 15 Jahren angefangen, eine alte Wandergitarre zu quälen.
„Hauptverantwortlich dafür waren Metallica´s `Master Of Puppets` und Sadist´s `Above The Light`. Meine erste E-Gitarre bekam ich von einem Nachbarn geschenkt. Ich übte eine Weile für mich allein und suchte mir dann ein paar Leute für die ersten musikalischen Gehversuche. Ende 2000 lernte ich unseren Vokalisten Wolfram und Tieftöner Randwig kennen und kurze Zeit später gründeten wir Orlog. Unsere musikalischen Ziele an sich haben sich bis zum heutigen Tag nicht besonders stark verändert. Das Hauptziel ist immer noch das Schreiben guter Musik, durch die wir unser Inneres zum Ausdruck bringen können. Wir haben nun schon einige Etappen, sprich Veröffentlichungen, Auftritte, etc. mit Orlog gemeistert – aber es liegt auch noch einiges vor uns.“
Orlog ist die Spielregel des Weltenlaufs auf persönlicher wie universaler Ebene, so Angantyr. Einfach gesagt könnte man den Begriff mit Schicksal oder Karma vergleichen, gibt er in diesem Zusammenhang noch zu Protokoll.
„Es ist nicht unabänderlich aber dennoch unvermeidbar. Das Orlog steht mit dem Menschen in Wechselwirkung, gibt Dinge vor und ist seinerseits durch Handlungen und Verhaltensweisen beeinflussbar. Im Niederländischen bedeutet das Wort Krieg.“ Letzteres war allerdings unerheblich für die Namensfindung, ergänzt der Gitarrist nachträglich noch.
Viele Teile ihrer Liedtexte sind sehr persönlich geprägt und nur für den Verfasser selbst genau erfassbar, offenbart Angantyr. Er präzisiert hierzu:
„Der Weg des heutigen Menschen in sein Verderben und seine Arroganz sind ebenfalls sehr präsent bei uns. Beispielsweise handelt das Lied `Flammenherrscher` vom Menschen als Bezwinger des Feuers, das hier repräsentativ für die Naturgewalten steht. Es ist ihm jedoch nicht möglich diese Gewalten dauerhaft zu bändigen, da er sie in seiner Verblendung gegen sich selbst richtet. Wir leben in einer Zeit in der Grenzen verschwimmen und das Unnatürliche durch Profitgier und Eitelkeit dem Natürlichen vorgezogen wird. Wenn man sich einmal mit offenen Augen umsieht, überfällt einen leicht der Ekel und man wird nachdenklich. Wir können uns diesen Gegebenheiten nicht entziehen und verarbeiten vieles davon in unseren Liedern.“
Bei Orlog besitzen die Songtexte also einen sehr hohen Stellenwert.
„Für den Verfasser, meist Wolfram, ist dieser Stellenwert natürlich noch um einiges höher als für den Rest der Band. Für mich als Gitarristen ist die Musik das Wichtigere von beidem, allerdings ohne den Texten gleichgültig gegenüberzustehen. Schließlich habe ich ja auch zwei davon für das aktuelle Album geschrieben. Es ist auch irgendwie schwierig Musik mit Lyrik zu vergleichen. Beides ist für ein Lied wichtig, und steht sich auch nicht gegenüber sondern ergänzt sich im Idealfall.“
Der Albumtitel „Reinigende Feuer“ steht laut Aussage des Gitarristen zunächst einmal für das Titelstück der Platte, dessen Text von der Entstehung des Neuen aus der Asche des Alten handelt und welcher wohl der am meisten mythologisch geprägte Song des Albums ist.
„Reinigung steht in diesem Sinne für Erneuerung und Feuer für das kraftvolle, gleichzeitig schützende wie zerstörende Element, welches diesen Wandel herbeiführt. Da sich dieses Grundthema mehr oder minder durch fast alle unsere Texte zieht, war es die erste Wahl für den Albumtitel. Er verkörpert für mich auch die Verbindung zwischen Gegensätzen – Verzweiflung und Hoffnung, Leben und Tod, alt und neu.“
Den verschworenen Dunkelseelen bedeutet ihre kreative Zusammenarbeit sehr viel, wie in Erfahrung zu bringen ist. „Das Klima innerhalb der Band könnte nicht besser sein. Wir schätzen uns gegenseitig und jeder versucht sich bestmöglich einzubringen. Mir ist auch das regelmäßige Proben sehr wichtig, da wir auch abgesehen vom musikalischen Aspekt sehr gut miteinander auskommen.“
Angantyr selbst mag den Begriff „Szene“ im Zusammenhang mit dem Schaffen von Orlog nicht sonderlich. Vor allem nicht, was diese „Szene“ heutzutage verkörpert.
„Mir persönlich sind die Leute, die ich dort kenne und schätze, wichtig. Und viele davon hören und/oder spielen Metal aber das hat nichts mit `Szene` zu tun. Es gibt einfach zu viele Idioten auf der Welt und das gilt für alle Bereiche. Als ich noch jünger war, war mir das alles sehr wichtig. Es hat aber nach und nach an Bedeutung verloren und heute zählt für mich allein die Musik. Ich hasse dieses Schubladendenken, in dem alles genau definiert sein muss und Dogmen über Geschmack, Gedankengut und Kleidung vorherrschen. Ansonsten gibt es Momente, in denen ich sehr gesellig bin und wieder andere, in denen ich keinen Menschen sehen kann. Das hängt eben von meiner jeweiligen persönlichen Verfassung ab.“
Das Album „Reinigende Feuer“ wurde in der Klangschmiede Studio E aufgenommen und von Tonmeister Markus Stock abgemischt und gemastert.
„Alles in allem waren wir zehn Tage im Studio und die Arbeit dort gestaltete sich fantastisch. Es war sehr aufregend das Album nach und nach entstehen zu sehen. Die Atmosphäre war sehr entspannt und wir konnten sehr konzentriert arbeiten, so dass wir gut im Zeitplan lagen und sogar noch Zeit für kleine Experimente blieb. Wie beispielsweise die doppelläufigen Gitarren-Leads und einige zusätzliche Akustikgitarreneinlagen.“
Die Stücke der aktuellen Scheibe sind zwischen 2003 und 2006 entstanden.
Orlog hatten bereits Anfang 2005 genug Material für ein Album geschrieben, so Angantyr.
Allerdings gab es einige interne Probleme, die sich sehr negativ auf die Kreativität der westsächsischen Horde auswirkten.
„Erst als wir uns von unserem damaligen Gitarristen getrennt hatten und unser Schlagzeuger T.S. als festes Mitglied einstieg und sich auch am Songwriting beteiligte, ging es endlich wieder bergauf. Zwei Stücke haben wir überarbeitet und mit auf das Album genommen, nämlich `Mein Thron` und `Todgeweiht`.“
Der Rest des alten Materials wurde verworfen und alle anderen Lieder auf „Reinigende Feuer“ sind 2005 entstanden. „Die jüngsten davon sind `Schatten` und das Instrumental `Stille`. Die Tatsache, endlich einen fähigen menschlichen Schlagzeuger gewonnen zu haben, wirkte sich natürlich deutlich auf die Kompositionen aus, und so bereue ich es keine Minute, dass wir das aktuelle Album quasi fast zweimal schreiben mussten.“
Einflüsse sind bei Orlog ziemlich vielfältig und für den Saitenmann schwer eindeutig in der eigenen Musik auszumachen, wie er bekennt. „Hauptsächlich denke ich da an Black Metal-Bands der frühen 90er Jahre wie Ulver, Satyricon, Mayhem, Enslaved, Emperor, alte Dark Funeral, usw. Ich würde es aber nicht darauf beschränken. Ich glaube auch nicht unbedingt, dass wir auf den nächsten Veröffentlichungen wieder genauso klingen werden wie auf `Reinigende Feuer`. Dazu sind unsere Einflüsse zu vielfältig und wir möchten uns auch nicht selbst kopieren. Zu meinen persönlichen musikalischen Favoriten gehören neben oben genannten Bands auch noch Opeth, Shining, Arcturus, Deathspell Omega, Led Zeppelin und alte Death- und Thrash-Bands wie Slayer, Protector, Entombed, usw.“
Ich frage nachfolgend explizit nach, was sich Orlog von der Zusammenarbeit mit der betreuenden Tonträger-Schmiede Det Germanske Folket erwarten beziehungsweise erhoffen.
„Vieles von dem was wir uns erhofften, ist schon eingetreten. Wir hatten die Gelegenheit in ein professionelles Studio zu gehen, haben permanent Kontakt zu Det Germanske Folket, genießen künstlerische Freiheit und volle Unterstützung seitens des Labels. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, Det Germanske Folket größer zu machen und als Band mit dem Label zusammen wachsen. Det Germanske Folket legen Wert auf Qualität und setzen großes Vertrauen in ihre Bands – und solange das so bleibt sind sie für uns erste Wahl.“
Die ostdeutschen Musikanten spielen laut Angantyr demnächst auf dem Misanthropic Violence-Festival in Innsbruck, welches zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Interviews aber bereits schon wieder Geschichte sein dürfte.
„Danach ist zunächst nichts Konkretes geplant. Die Teilnahme an einer Tour kommt für uns aus beruflichen Gründen leider nicht in Frage, also werden wir versuchen so viele einzelne Gigs wie möglich zu spielen.“
Abschließend spiele ich noch gezielt auf die Schwemme an Pagan-, Viking- und Folk Metal-Veröffentlichungen an, die sogar immer noch mehr zunimmt. Wir erfahren:
„Was die Erfolge von Bands wie beispielsweise Equilibrium, Turisas, Fintroll, etc. anbelangt, so muss ich gestehen, dass ich mich kaum für diese Art von Musik interessiere – und auch die Veröffentlichungen in diesem Genre-Bereich nicht besonders verfolge. Ich persönlich finde eben immer noch die alten Enslaved-Alben am allerbesten, was `Viking Metal` angeht. Außerdem mag ich `Arntor` von Windir und natürlich Ulver. An neuen Veröffentlichungen bin ich von Helrunar´s `Frostnacht` ziemlich angetan. Außerdem finde ich Tenhi großartig.“
© Markus Eck, 04.10.2006
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