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Interview: OVERKILL
Titel: Voller Feuer

Das Metal-Fans die treuesten Gesellen auf diesem Planeten überhaupt sind, kann diese beliebte US-Legende sicherlich freudig bestätigen.

Nunmehr seit zwei ganzen Dekaden im harten Musikgeschäft, blicken Overkill auf mittlerweile 14 Studioalben zurück, das neueste Werk „RelixIV“ mit eingeschlossen. Als im Jahr 1980 die New Yorker Punkband The Lubricunts auseinander bricht, fällt damit gleichzeitig der Startschuss: Aus den Überresten heben die Verbleibenden, allesamt beinharte Motörhead-Freaks, nicht allzu lange Zeit später ihre neue Gruppe Overkill aus der Taufe. Wahre zeitlose Power Speed Thrash-Klassiker wie der 1985 erschienene Debütknaller „Feel The Fire“ und dessen elektrifizierender Nachfolger „Taking Over“ erblicken nachfolgend das Licht der Welt.

Das heutzutage noch immer verdammt spielfreudige Quintett klopfte für „RelixIV“, dieses ebenso explosive wie routiniert inszenierte Album, neun neue Peitschensongs ein, welche in ihrer markanten Gesamtheit und Reife wohl nicht typischer für alle neuzeitlichen Stärken dieser unverwüstlichen Bande sein könnten. Shouter Robert Ellsworth alias Blitz geht es nach tapfer überstandenen gesundheitlichen Beschwerden der Vergangenheit glücklicher Weise wieder sehr gut.

Der drahtige 45-jährige, der laut weiterem eigenem Bekennen auch noch immer 30 Zigaretten Marlboro pro Tag raucht, rief mich bestens gelaunt aus seiner Wahlheimat New Jersey an.

„Mir geht es insgesamt wirklich prima. Wir freuen uns natürlich alle riesig über das 20-jährige Bandjubiläum. Niemand von uns hätte sich jemals vorstellen können, dass es mit Overkill überhaupt so lange geht. Doch wir sind immer noch da und fühlen uns stärker denn je für anfallende Aufgaben. Ehrlich gesagt habe ich nichts von meinem Feuer verloren, welches schon damals zu Zeiten unseres 1985er Debütalbums „Feel The Fire“ in uns gelodert hat.“

Er ergänzt hierzu: „Klar, wir sind über die Jahre als Musiker und vor allem auch als Menschen enorm gereift, aber die echte tiefe Leidenschaft für guten Metal spüren wir jederzeit und überall in uns. Anders würde es ja wohl auch überhaupt nicht mit uns als Band funktionieren.“

Daran hat ganz sicherlich das neuerliche Ausbleiben vom in vergangenen Zeiten zelebrierten Alkohol- und Drogenmissbrauch innerhalb von Overkill Schuld, wie der Sänger hinzufügt. Und wohl auch, dass ihm seine niederländische Ehefrau, die er auf Tour kennen gelernt hat, einen Sohn gebar, welcher die Kleinfamilie Ellsworth erst so richtig komplett machte. Blitz, das ausgekochte Schlitzohr, feixt anschließend ausgelassen, dabei lauthals lachend: „Sein Name ist Markus! Nein, im Ernst, ich möchte seinen Namen einfach nicht in der Presse haben.“

Dann wird es ernst am anderen Ende der Leitung. „Während nicht wenige der Musiker, welche damals zeitgleich als Metal-Bands mit uns starteten, heute in Post- und sonstigen Ämtern ein eher ereignisloses Dasein fristen, ziehe ich noch immer mein Ding durch. Ich sehe diese Tatsache als einen wahren Segen für mich. Und das bestärkt mich enorm in meinem Tun, wirklich. Obwohl ich heute schon mehr als zehn Interviews gegeben habe, freue ich mich beispielsweise schon auf die nächsten zehn von insgesamt 20 heute. Ich bin eben glücklich bei dem, was ich tue.“

Letzteres trifft vor allem auch auf die berühmt-grandiosen Live-Gigs zu, welche Overkill ihren zahllosen Getreuen weltweit seit vielen Jahren immer wieder bieten. Ein offenes und schonungsloses Bekenntnis folgt:

„90 Minuten Show waren niemals hart für mich dabei durchzustehen, auch gegenwärtig nicht. Alles was darüber hinausgeht, hängt stark von meiner jeweiligen Form ab. Wenn man jahrelang Nacht für Nacht als Sänger und Frontmann einer Band wie Overkill auf den Bühnenbrettern dieser Welt herumspringt, trainiert man sich natürlich auch eine gute Kondition für diesen Job an, das passiert ganz automatisch. Eine Zeitlang hatte ich bekannter Weise jedoch starke gesundheitliche Probleme, die sich natürlich auch in negativer Weise auf meine Bühnenpräsenz niederschlugen. Doch mittlerweile trinke ich ja nicht mehr und ernähre mich um einiges gesünder. Dazu gehört beispielsweise auch der konsequent durchgezogene, komplette Verzicht auf Fastfood, wie beispielsweise von McDonald's. Gerade die hatten damals sämtliche meiner absoluten Leibspeisen in ihrem Programm. Früher sah man uns ja fast auf jedem Foto mit einer Kippe im Mund und einem Bier in der Hand, und wir haben uns daneben auch so einiges an benebelnden Substanzen eingeworfen. Diese Zeiten sind aber schon seit Längerem endgültig für mich vorbei. Lediglich am ständigen Qualmen bin ich hängen geblieben und das wird wohl auch für den Rest meiner Tage so bleiben.“

Sprach es gelassen, zündete sich sogleich beherzt einen weiteren Glimmstengel an und schmauchte den Rauch deutlich vernehmbar in den Hörer. Und juxt dabei auch noch: „Wer weiß, wahrscheinlich war mir das viele Rauchen über die Jahre am Ende gar beim ständigen Ausprägen meiner Stimme behilflich?“

Als wir dann explizit zum neuen Output „RelixIV“ übergehen, spüre ich Blitzens Begeisterung für die eigene Sache erneut.

„Wir packten wieder mal eine ganze Menge an Power und Speed in die neuen Tracks, gaben dazu noch ein klein wenig Groove bei – fertig war ein weiteres Overkill-Album, ganz nach unserem Gusto. Große Überraschungen erlebt man als Fan bei uns ja sowieso nicht, denn wir sind uns stets bewusst, wer wir sind und wie wir zu dem wurden, was wir als Band sind. Die Fans haben uns groß gemacht, und niemand sonst. Und wir wissen natürlich, was wir denen schuldig sind, die uns jederzeit treu ergeben sind. „RelixIV“ ist daher auch eine Mischung aus allem, was wir bisher gemacht haben. Oder besser gesagt, die uns mögliche perfekteste Mischung daraus. Der vierte Track beispielsweise, `Bats In The Belfry`, und der fünfte Song `A Pound Of Flesh` sind doch ziemlich unterschiedlich ausgefallen. `Bats In The Belfry` steht für die modernen Overkill, während `A Pound Of Flesh` unsere thrashige 1997er Phase wieder in Erinnerung ruft. Jeder unserer Anhänger, der die neue Scheibe hört, wird also wieder sämtliche für uns typischen musikalischen Charakteristiken vorfinden.“

Ziemlich schwer, sich unter dem neuen Albumtitel „RelixIV“ irgendetwas Definitives vorzustellen. Mr. Ellsworth hatte mir da schon Abhilfe zu schaffen. „Der Titel der neuen Platte ist nicht aus der Luft gegriffen, wie man sich bei uns denken kann. Er setzt sich aus dem englischen Begriff `Relic` [zu deutsch soviel wie `Relikt` oder im religiösen Bereich `Relique`; A.d.A.] sowie der römischen Ziffer XIV, welche für die Zahl 14 steht, zusammen. Da wir selbst nicht mehr die Jüngsten sind, und da dies bekannter Maßen unser 14. Studioalbum ist, erschien uns dieses Wortspiel überaus passend.“ Blitz lacht erneut laut und aus vollem Halse, als er mir mit spitzer Stimme dieses Statement liefert.

Overkill lieferten ihren Fans eigentlich immer die volle Packung, bis auf das laut Meinung vieler Anhänger bislang schwächste Werk in der Bandhistorie: Das 1993 erschiene Album „I Hear Black“. Dieses enthielt überraschend langsames bis gar mühsam vor sich hin kriechendes Material, stellenweise von kompositorisch schlicht langweiliger Natur. Blitz erinnert sich, genüsslich schmunzelnd.

„Deine Anmerkungen dazu erheitern mich sehr, denn gerade dieses Album verkaufte sich bei uns in den Staaten weit besser als jedes andere Overkill-Album bislang. Keine Ahnung, wieso und warum, aber wohl typisch für den Geschmack amerikanischer Metal-Fans. Mein Lieblingsalbum von uns ist übrigens „Under The Influence“, obwohl ich die Produktion der Scheibe noch nie besonders gemocht habe.“

„Under The Influence“ bekam von den beiden Marvel Comic-Zeichnern Steve Faster und Richard Larson ein prächtiges Cover-Artwork auf den Leib gepinselt. Dieses enorm fitte Grafikerduo lieferte auch das berühmte Motiv für das obergeniale 1989er Overkill-Album „The Years Of Decay“ sowie restlos überzeugende Arbeiten für die beiden brillanten US-Bands Powermad und Intruder. An der Hülle zu „RelixIV“ saß hingegen der seit vielen Jahren sehr erfolgreiche Künstler Travis Smith zu Werke, wie Blitz mir voller Stolz zu berichten weiß. „Das neue Cover geht mit der Bedeutung des Albumtitels in Übereinstimmung: Ein uraltes Relikt aus längst vergangenen Zeiten, welches nun tief aus der Erde geborgen wird.“

Die Produktion des neuen Overkill-Streichs mag Blitz hingegen sehr, wie er mit betont selbstbewusster Impulsivität erzählt. „Diesmal nahmen wir das auch selbst in die Hand! Wir sind überaus zufrieden damit. Besonderes Augenmerk legten wir vor allem darauf, dass die Produktion in erster Linie Old School sein sollte. Klar, auch wir verwenden mittlerweile einige entsprechende Computer und Software, um unsere Songs klanglich entsprechend zu präsentieren. Aber das soll bei uns wirklich nur Beiwerk sein, mit welchem wir unseren Tribut als Musiker an die Moderne ausdrücken, und beileibe nicht stützender Sound-Hautpfeiler einer Overkill-Produktion.“

© Markus Eck, 28.02.2005

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