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Interview: SCANNER
Titel: Futuristische Tendenzen

Auf ihr neues und fünftes Album ließen uns diese legendären deutschen Power Metal-Dinos aus Gelsenkirchen lange warten.

Sie starteten Mitte der 1980er Jahre und konnten die Fans schon nach relativ kurzer Zeit mit ekstatischem und hochmelodischem Power Speed Metal konzeptionell-futuristischer Ausrichtung begeistern. Ihr gesuchtes Debütalbum „Hypertrace“, ein Konzeptwerk um einen im All versprengten Androiden, ist inzwischen ein Klassiker. Scanner hatten aber noch einiges mehr in der kompositorischen Tasche. Da die Veröffentlichung des letzten regulären Langspielers, des 1997er Albums „Ball Of The Damned“, ja nun doch schon eine ganze Weile her ist, tat Aufklärung in Sachen Veröffentlichungspause Not.

So bin ich doch immens neugierig, die Entstehungs- und Hintergrundgeschichte zum neuen Werk „Scantropolis“ in Erfahrung zu bringen. Bandgründer und Axeman Axel Julius ist der letzte tapfere Überlebende an Bord der Urbesetzung. Er resümiert die Ereignisse in der Vergangenheit seiner ihm ans Herz gewachsenen Band.

Der Gitarrist machte in der Vergangenheit so einiges durch:

„Nach den beiden Touren zum „Ball Of The Damned“ Album, teilte uns Leo 1998 mit, dass er nicht länger Mitglied der Band sei. So standen wir wieder einmal ohne Sänger da. Der Grund war, dass er seine eigene Band aufziehen wollte. Er hatte Scanner wohl nur dazu genutzt, um ein gewisses Renommee zu erlangen und um dann leichter alleine weitermachen zu können.“

Er ergänzt in diesem Kontext: „Da wir für das folgende Jahr schon gut gebucht waren, war das natürlich Megakacke von ihm und er hat damit die Band total zurück geschmissen, als wir uns gerade den Arsch abgetourt hatten und die Früchte dieser Arbeit im darauf folgenden Jahr ernten wollten. Die Jungs kamen sich natürlich ziemlich verarscht vor und waren alle reichlich desillusioniert. Verständlich also, dass sie sich nach und nach, je länger die erneute Sängersuche dauerte, auch verabschiedeten. Außer Marc haben nachfolgend alle das Handtuch geworfen. Wir beide haben dann angefangen das neue Album zu recorden. Wir haben dann, bis Lisa zu uns stieß, das komplette Album fertig gestellt und Lisa konnte Song für Song einsingen.“

Die lange Veröffentlichungspause hat ihren Grund, wie er mitteilt. „Das Problem war das System. Hört sich gut an, nicht? Stimmt aber, denn wir hatten uns entschlossen, die gesamte Produktion im eigenen Studio aufzunehmen, dass wir aber erst noch aufbauen mussten. Bescheuerte Idee, weil natürlich nichts auf Anhieb klappte. Das von uns gewählte Recording-System, dass ich nun nicht mehr namentlich erwähne, machte nur Probleme – also dauerte alles viel länger als geplant. Und dann wollten nebenher auch noch die neuen Mitglieder Jan Zimmer (drums), Thilo Zaun (gitarre) und Johannes Brunn (keys) rekrutiert werden, die dann natürlich auch ungeduldig auf den Endmix warteten, um endlich in das aktive Bandleben eintreten zu können. Aber zu weihnachten 2001 war dann inklusive Mastering endlich alles fertig.“

Entgegen meiner ersten Vermutung bedeutet der Titel „Scantropolis“ keine Weiterführung des astralen Scanner Konzeptes.

„Nein eher nicht. Scantropolis ist eine Hommage an Fritz Lang und an sein bekanntestes Werk, den Stummfilm `Metropolis` von 1926. Jeder kennt die Bilder des Films, kaum jemand hat ihn heute ganz gesehen, und doch war dieser frühe Film wegweisend und nahezu prophetisch in seinem Gigantismus, den Special Effects und seinen Kameraperspektiven für viele Filme des späten 20. Jahrhunderts. Selbst ein `Terminator` oder `Star Wars` lassen sich bereits in diesem Film erahnen. Ein berühmtes Bild aus dem Film sind u.a. ja die Flugzeuge und Helikopter, die durch die Häuserschluchten der `Hauptstadt` gleiten und das gab's dann zuletzt leider am 11. September 2001 in aller Realität zu erleben. Mehr `Foreboding` kann man als Regisseur zu Beginn unserer Filmära, glaube ich, nicht zeigen. Wir sind die Generationen der laufenden Bilder und wir haben nun schmerzlich erleben müssen, wie schwer es uns bereits fällt, den Unterschied von Realität und Fiktion dieses Mediums noch zu begreifen.“

Letzteres macht einen nachdenklich. „Scantropolis“ ist laut Axel auch kein Konzeptalbum. „Nein, das ist es definitiv nicht. Die Songs stehen jeder für sich selbst. Wir haben diesmal mit `Engel Brecht's` auch einen deutschen Text von einem ziemlich bekannten Autor vertont, bei dem es darum geht, wie man denn nun einen Engel am besten vögelt. Lisa hatte sehr viel Spass dabei, diesen Song einzusingen und es ist sogar irgendwie ihr Lieblingssong auf dem Album geworden.“

Das neue Material dürfte alte Die Hard-Fans der Band ziemlich vor den Kopf stoßen, wie ich anbringe. Der Stilwechsel, so mein Gesprächspartner, resultierte aus dem Verlangen nach Veränderung heraus.

„Das glaube ich eigentlich nicht. Weil, nur wenn man sich den Kopf stößt, schmerzt es gemeinhin gewaltig. Aber das neue Material dreht den Kopf vielleicht nur in eine andere Blickrichtung und das bereitet doch nicht wirklich Schmerzen. Jedenfalls nicht, wenn man nicht gerade die Nackensteife hat. Und bei echten Scanner Fans setze ich mal einen geschmeidigen Nacken mit einem gestärkten Rückgrat voraus. Mich hat es total gelangweilt, dass eine Band wie Hammerfall so abgefeiert wurde, als hätten die soeben das Rad erfunden. Dabei spielen die exakt den Stil der 80er Jahre Metalbands. Und auf der anderen Seite wurde zuvor der Metal totgesagt. Jetzt kommen die alle mit ihren Reunions und machen das, was sie schon vor Jahren genauso gebracht haben, Gähn. Ich finde es jetzt nicht so spannend immer das Gleiche zu tun. Geschichte und Mode wiederholen sich – ich mich nur ungern, nur ungern, nur ungern, nur ungern... Ich glaube, man muss sich als Musiker die Spannung in und an der Musik erhalten, damit nichts zur Routine gerät und einen selber langweilt. Es muss ja nicht gerade Hip Hop mit Metal gepaart sein (Natürlich nicht! Anm.d.Verf.), dass dann als Nu Metal verkauft wird. Aber einen allzu krassen Stilwechsel würde ich unserem neuen Album nicht unterstellen wollen. Ich sehe das als eine Entwicklung, die uns als kreative Musiker am Eigenen geschaffenen Spaß behalten lässt.“

Die neue Sängerin klingt sehr interessant. Wie heißt sie, wie belief sich ihr musikalischer Werdegang und woher stammt sie – und vor allem, wie fand sie zu Scanner?

„Sie heißt Lisa und war zuvor eine Backgroundsängerin in einer Coverband mit dem Drang zu neuen Ufern. Durch eine Anzeige wurden wir auf sie aufmerksam. Dann gab es ein Telefonat, ein Treffen und dann viel Arbeit am neuen Album. Es war zwar alles Neuland für sie, aber sie war bereit alles an Energie zu geben und sich reinzuhängen. Das hört und spürt man letztendlich dann auch.“

Wie reifte der Entschluss, die Leadvocals von ihr übernehmen zu lassen? Der Gitarrist erklärt:

„Nun, nachdem wir mit Sängern soviel Pech in unserer Bandgeschichte hatten, lag die Versuchung nahe, es mit einer Sängerin zu probieren. Zumal unsere damalige Backgroundsängerin Chris uns das Demo zum Album so überzeugend eingesungen hatte und wir sie danach eigentlich für diese Position favorisieren mussten. Sie wollte jedoch nicht. Danach stand aber unser Entschluss fest, eine Sängerin zu wählen. Und einige Zeit später lief uns dann Lisa über den Weg und alles hat gepasst.“

Die neuen Stücke basieren auf längerer Reifezeit, so Axel.

„Das Album ist ein Querschnitt unserer Gefühlslage der letzen drei Jahre. In diesem Zeitraum sind auch die Songs entstanden.“

Bei Scanner schätzt man Teamgeist. „Die meisten Songs entstehen im stillen Kämmerlein, werden dann gemeinsam ausgearbeitet und recorded. Letztendlich war es Teamarbeit, aber von einem verdammt kleinen Team.“

Das neue Albumcover wird von einem alten Bekannten angefertigt. „Das soll ein `alter Schwede` namens Kristian Wåhlin verwirklichen, der kann das eigentlich gut – bei uns hoffentlich auch. Unser alter Freund, der das `Ball Of The Damned`-Cover gemalt hat, hat diesmal irgendwie keine Zeit dafür gefunden.“

Kristian wird zweifellos auch hier wieder eine gelungene Arbeit abliefern, dessen bin ich mir sicher. Axel erläutert das Motiv:

„Es soll die Stadt Scantropolis dargestellt werden. Die Stadt Metropolis von Fritz Lang wie sie aus der Vergangenheit in die Zukunft exportiert wird. Also ziemlich futuristisch, mit dem gewissen hauch Mystik. Stilistisch in der Nähe unserer beiden letzten Covers von `Mental Reservation` und `Ball Of The Damned`.“

Stellt es die optische Ergänzung zu den neuen Songs dar? „Nicht unbedingt das, aber es visualisiert dann zumindest den Kerngedanken des prophetischen Weitblicks von Fritz Lang, den wir ja mit dem Titel thematisieren wollen.“

Der zweite Song auf meiner „Scantropolis“ Advance-CDR (wie heißt er?) hat eine Hookline, die auch auf Helloweens „Keeper Of The Seven Keys“-Alben hätte stehen hätte können. Absicht?

„Der Song heißt `Hallowed Be My Name`, aber eine Ähnlichkeit zu Helloween ist unbeabsichtigt. Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich Vergleiche von Scanner mit Helloween nicht mehr hören kann? Nix für ungut. Aber über die Jahre fing das an, mich echt zu nerven. Hat Uli Hoeneß nicht diesen legendären Elfer vergeigt? Ich glaub den spreche ich mal darauf an.“

Wie gefallen dir denn die „Keeper Of The Seven Keys“-Scheiben von Helloween? Und was sagst du denn zu ihrem – für viele ihrer alten Fans sehr schmerzlichen – musikalischen Werdegang nach dem Album-Rohrkrepierer „Pink Bubbles Go Ape“?

„Die erste Scheibe habe ich damals gemocht, habe sie aber auch seitdem nicht mehr gehört. Zum weiteren Werdegang der Band kann ich nicht viel sagen, da ich mich, ehrlich gesagt, nach Kai Hansens Ausstieg überhaupt nicht mehr dafür interessiert habe. Für mich war Hansen Helloween.“

Da zieht Axel sich mit „Scantropolis“ aber doch um einiges besser aus der Affäre. Wie sieht die zukünftige musikalische Entwicklung von Scanner aus?

„Das weiß ich jetzt noch nicht, schließlich ist jetzt wieder eine komplette Band am Start mit hoffentlich fleißigen Köchen. Vielfalt inspiriert, mal sehen was dabei herauskommt. Thilo steht beispielsweise voll auf Gammaray, Johannes spielt fast alles von Dream Theater und mag Pain Of Salvation, Marc liebäugelt mit dem bandeigenen ultimativen Studio, Jan studiert nebenher wohl weiter Schlagzeug in Amsterdam und kann bald alles (stöhn) – und Lisa muss sowieso immer singen. Also, das kann heiter werden und durchaus ergiebig sein.“

Welche verschiedenen Einflüsse prägten die neuzeitliche Musik von Scanner?

„Eigentlich hat uns alles rund um uns herum irgendwie beeinflusst. Das kann man gar nicht so im Einzelnen betiteln.“

Die neue Veröffentlichung seiner Band soll eigentlich kein bestimmtes Metal Publikum ansprechen, wie er dazu klarstellt.

„Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Die Scheibe ist ja nicht so durchkalkuliert worden, dass sie genau ein bestimmtes Publikum ansprechen soll. Wir sind doch keine Marketingstrategen sondern Musiker, die versuchen ihre musikalischen Ideen zu verwirklichen, für wen auch immer. Das ist jedenfalls, in aller Bescheidenheit gesagt, seit langem mal wieder ein Album, das ich komplett durchhören kann. Ich glaube es könnte vielen Leuten wirklich gut gefallen. Das Album ist einfach geil, basta.“

Was erhofft Axel sich von „Scantropolis“? „Dass das Album möglichst viele Leute mögen und wir einen gewaltigen Schritt nach vorne machen, ohne gleich wieder auf die Bretter niedergezwungen zu werden, was ja auch langsam langweilig würde. Dann will auch endlich die Einladung von Mike Portnoy und John Petrucci annehmen, mir nach einem Scanner-Gig New York zu zeigen.“

Auch meine neugierige Frage, was Axel sich eigentlich zu Hause so alles anhört, wird mir mit defizitärer Ernsthaftigkeit beantwortet.

„Oje, massenweise Vorwürfe meiner besseren Hälfte, doch endlich mal den Haushalt zu schmeißen, Hundegebell und Katzengejammer und seit knapp sieben Monaten, die ersten, scheinbar ins Unendliche steigerbaren Stimmübungen unseres geliebten Töchterchens.“

Was steht nach dem Album-Release alles an? „Ich hoffe auf Tausende von Albumverkäufen bei WOM, Saturn und sämtlichen Media Märkten. Sorry. Also, SquareOne Entertainment hat uns eine Tour im Herbst durch Deutschland, die Benelux Länder und Skandinavien gebastelt. Für den Winter beziehungsweise das Frühjahr ist bereits eine Tour durch Südeuropa in Planung. Und danach sollen wir nächstes Jahr erstmals in den USA spielen.“

© Markus Eck, 18.04.2002

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