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Interview: SONS OF SEASONS
Titel: Bewusst zeitkritisch

Auf dem eher schwierig zu bespielenden Genregebiet des anspruchsvollen Symphonic Progressive Metal konnten diese spielstarken Akteure in 2011 mit ihrem zweiten Album „Magnisphyricon“ viele Fans mehr als überzeugen. Denn die kompetente Mannschaft um Bandleader, Keyboarder und Gitarrist Oliver Palotai weiß neben hohen instrumentellen Fertigkeiten auch mit toller Epik und erfreulich opulenten Arrangements zu glänzen.

Palotai, seit jeher ohnehin ein viel beschäftigter Musiker bei diversen Bands wie beispielsweise den berühmten Kamelot, hat sein Dasein ohnehin ganz und gar der harten, aber immer ästhetischen Notenkunst verschrieben. Wie der Geschmackvolle, geboren in Aachen, mich informiert, hatte er auch 2011 mehr als genug zu tun.

„Es war zumindest ein sehr ereignisreiches Jahr für mich. Und insgesamt auch positiv. Ich bin in meine Heimat in der Nähe von Stuttgart zurückgezogen, war insgesamt circa fünf Monate auf Tournee und habe viele musikalische Projekte durchgeführt.“

Dennoch blieb Oliver ausreichend Zeit, die so genannten Schlagzeilen aus den Massenmedien zu studieren, wie er bekundet.

„Am meisten nervten mich 2011 grundsätzlich diejenigen zur Finanzkrise. Dass die real im Grunde nicht existierende Finanzwirtschaft so viel Macht hat, zeigt einen grundlegenden Systemfehler. Ich misstraue ohnehin Menschen, die in jenem Sektor arbeiten. Als schön hingegen empfinde ich die sich allmählich entwickelnden Gegenbewegungen wie ,Occupy‘.“

Und da kamen schöne Überraschungen dem Musikus gerade recht, um sich von solcherlei fiskalischen Wirren abzulenken.

„Die Geburt des Sohnes eines guten Freundes beispielsweise war für mich einfach grandios. Und zwar so sehr, dass ich gleich ein Lied dazu komponierte: ,Lenny's Lied‘.“ [lacht]

Jedoch hatte der Sons Of Seasons-Kopf 2011 auch mit Enttäuschungen zu kämpfen. Er lässt dazu wissen: „Das generelle Verhalten eines ehemaligen Mitglieds einer meiner Bands, das sehr vielen Menschen sehr viel Negatives beschert hat, beschwerte mich teils schon sehr.“

So ging der Dialog umso rascher wieder zu musikalischen Belangen über, um die ganz persönlichen Top Five-Veröffentlichungen in 2011 des begnadeten Tastenspielers aus ihm heraus zu kitzeln. Oliver hierzu:

„Opeth - ,Heritage: Ich habe erst vor kurzem mit Åkerfeldt gesprochen und ihm nochmals bestätigt, dass er machen kann, was er will - es wird immer gut! Gut gefallen hat mir auch Crystal Breed‘s Werk ,The Place Unknown: Ein tolles, wenn auch noch nicht perfektes Debüt einer Progressive Rock-Band aus Deutschland. Als sehr fein empfinde ich die ,Chopin Etudes‘ von Adam Harasiewicz, seine Einspielungen davon sind schlicht fantastisch. Oder Kenny Barron mit ,Invitation: Unglaublich, dieser Anschlag! Tief berührt haben mich die ,Goldberg-Variationen‘, eingespielt von Keith Jarrett, dem Jazz- Altmeister.“

So nennt der Dauerkreative mir auch als vielversprechendsten Newcomer 2011 jene Band Crystal Breed. Der Keyboarder und Gitarrist lobt: „Die werden irgendwann auf dem Niveau von Spock's Beard oder Porcupine Tree sein, wenn die Kinderkrankheiten überwunden sind.“

Doch seiner Ansicht nach existiert auch nach wie vor noch ziemlich viel Belangloses im Rock- und Metal-Musikbereich.

„Ich bekam ja auch in 2011 während der Tourneen wieder massenhaft CDs in die Hand gedrückt, meist Debüts von lokalen Bands. Das Problem dabei ist aber fast immer noch, dass man nach zwei Minuten hört, welcher Band nachgeeifert wird. Es scheint noch immer wenig Mut zur Innovation auf der Welt zu geben.“

Eine für ihn ganz spezielle Persönlichkeit, die den begabten Tonleiter-Reiter in 2011 begeistern konnte, kommt ihm flugs über die Lippen:

„Ganz klar Mikael Åkerfeldt. Es beeindruckt mich einfach, dass er macht, was er will. Und dass er Metal-Fans dazu bringt, zwei Stunden lang ruhigem, psychedelischem Sound zuzuhören. Opeth gab sowieso für mich das beste Konzert in 2011; ich bin froh, dass ich die Band im Stuttgarter LKA erleben durfte.“

Was nun von Sons Of Seasons selbst beackerte Konzerte in 2011 anbelangt, so schwärmt Oliver zuerst von der ganzen gemeinsamen Europa-Tournee mit Kamelot.

„Interessanterweise waren es gerade die Berliner, die super abgingen. Und da spricht man immer von verwöhnten Hauptstädtern. Doch auch unser Auftritt auf dem Metalfest im tschechischen Zlin geriet uns zu einem großen Erfolg. Dazu perfektes Wetter und perfektes Bier.“

Im Weiteren auf den für ihn nervigsten Song 2011 angesprochen, gibt Oliver vor:

„Ich produziere gerade eine belgische Sängerin. Sie hat lauter gute Titel, aber ich wache nachts mit den Refrains im Kopf auf, und das bereits schon seit einigen Wochen. Furchtbar.“

Den Film „Rise Of The Planet Of The Apes” hat sich mein Gesprächspartner gerne angesehen. „Hollywood, aber gut. Hingegen die 2011er Variante von ,Conan‘ von Regisseur Marcus Nispel empfand ich als unnötig brutal und durchgehend doof.“

All die TV-Serien werden bekanntlich immer noch verdorbener und dümmlicher, und auch Oliver wurde 2011 nicht gänzlich davon verschont, wie er offenbart. „Da kommt mir gleich ,Stromberg‘ in den Sinn … ich kann da sowieso nicht die ganze Zeit hingucken, so peinlich sind mir manche Szenen. Und es erinnert mich daran, dass es trotz dem schwierigen Musikbusiness gut ist, dass ich Musiker geworden bin. Ich schaue sowieso sehr wenig fern, und weitere aktuelle TV-Serien könnte ich hier auch nicht aufzählen. Ich habe mich auf Tour mal an ,Lost‘ gewagt, kann aber den darum veranstalteten Hype nicht nachvollziehen.“

© Markus Eck, 13.01.2012

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