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Interview: THE BLUE SEASON
Titel: Düstere Kraftspender

„Secede“, das gelungene Debütalbum dieser Göppinger Band bot verspielten und sanftmelancholischen Gothic Retro Rock mit dezenten aber signifikanten Perkussionselementen.

Mit ihrem zweiten Langspieler „Cold“ offenbaren sich The Blue Season nun als beständige und sich ihrer kreativen Möglichkeiten vollauf bewusste Musikervereinigung. Eine rasch einnehmende Veröffentlichung, welche im Laufe ihrer Spielzeit ein tiefemotionales Flair entwickelt. Ins Gespräch vertiefte ich mich daher mit Gitarrist und Hauptsongwriter Jochen Laser.

„Unsere Stimmung in der Band ist eigentlich meistens sehr gut und wir pflegen ein lockeres und ungezwungenes Verhältnis miteinander“, gibt mir Jochen anfangs die aktuellen Bandgeschicke wieder.

Da Bassist Bernd die Band aufgrund gesundheitlich bedingter Gründe verlassen wird, testen The Blue Season derzeit fleißig neue Tieftöner.

„Deswegen liegt unser Songwriting erst mal auf Eis. Aber wir sind sicher, dass wir demnächst den richtigen Mann gefunden haben und wieder ,back to work’ gehen werden. Unser neuer Release ist zwar erst seit wenigen Monaten auf dem Markt, doch bringen insbesondere ich und unser Sänger und Keyboarder Oliver Zillich eigentlich pausenlos Impulse für neue Songs in unsere Rehearsals ein.“

Er fügt an: „Wir versuchen uns ständig in verschiedene Richtungen weiterzuentwickeln. Somit müssen wir uns demnächst entscheiden, wem wir den Job in der Band geben werden, um wieder kreativ arbeiten zu können.“

The Blue Season stammen aus Göppingen, einer mittleren und recht öden Kleinstadt zwischen Stuttgart und Ulm: „Hier gibt es ein paar nette Kneipen, aber auch Proleten-Discos samt ihren typischen tiefer gelegten GT-Fahrern, bei deren Anblick mir schier die Galle hochkommt. Auch aus dieser Stadt stammen Love Like Blood, End Of Green, Behind The Scenery oder auch unsere doomsters Mirror Of Deception. Mit allen genannten Bands, außer Love Like Blood, haben wir schon weiß der Teufel wie oft zusammen gespielt und stehen uns auch sonst ziemlich nahe. Somit bietet Göppingen eine kleine, aber recht feine Szene von harter, trauriger Musik.“

Im Großen und Ganzen ist die Band mit den Reaktionen zum Debütalbum recht zufrieden. Die Ziele, welche sie sich bezüglich „Secede“ gestellt hatten, wurden laut Jochen erfüllt und die Reviews waren durch die Bank alle positiv. Er blickt zurück: „Wir nahmen `Secede` zu einem Zeitpunkt auf, an dem es die Band erst seit zwei Jahren gab. Somit waren zum Teil sehr, sehr alte Stücke darauf enthalten, in der Tat einige der ersten überhaupt, die wir geschrieben haben, wie beispielsweise `Dreamdancer`. Damals waren sie für uns der Hit, heute denke ich, der Platte fehlte es ein wenig an Dynamik und Abwechslung. Was aber im Nachhinein nicht weiter schlimm scheint, da das Album lediglich unseren damaligen Stand der musikalischen Entwicklung und der Entwicklung des internen Zusammenspiels repräsentierte.“

Und genau das Gleiche ist es nun mit „Cold“, wie ich erfuhr. „Die aktuellen Songs sind unterm Strich abwechslungsreicher und kräftiger sowie vitaler als es jene auf dem Debüt waren. Doch ist diese Entwicklung nur ein Beispiel unserer Arbeitsweise: Wir versuchen, neue Songs immer noch ein wenig stärker und ausgereifter als die vorherigen zu kreieren. Nur so kann man weiterhin gute Alben produzieren, die ständig eine Weiterentwicklung darstellen. Neue Songs sollten die alten toppen, oder zumindest ein gleichartiges Qualitätslevel aufweisen.“

Musikalisch und inhaltlich versuchen The Blue Season derzeitig ihr Spektrum, welches zum Grossteil im Gothic Metal oder im Gothic Rock liegt, zu erweitern. „Ehrlich gesagt, genießen wie es unsere flotteren und härteren Sachen live zu bringen. Das merkt man auch an den Reaktionen der Zuschauer. Doch wie ein Album letztendlich klingen mag, kann sich erst in der Schlussphase der Recording-Sessions sagen lassen. Und da `Cold` nun erst mal promotet wird und wir erst noch fleißig neue Songs schreiben werden, wird es mindestens noch zwei Jahre dauern, um letztendlich den neuen künstlerischen Weg quittieren zu können. Auch dieser wird sich zweifellos vom jetzigen Stil unterscheiden, wie es auch schon bei `Secede` und `Cold` zu registrieren ist.“

Die Göppinger versuchen, sich selbst in ihrem Tun und Handeln als Musiker und Texter nicht in etikettierte Schubladen stecken zu lassen: „Das hemmt den natürlichen Entwicklungsprozess einer Band und man erstarrt regelrecht in selbst auferlegten Dogmen und Richtungsvorgaben. Unser Sound ist ein Mix aus Gothrock und Metal, er hat auch einige Ethno-Einflüsse. Ich denke, es ist sowieso ziemlich schwer einen gültigen treffenden Begriff dafür zu finden. Vage kann man die Songs auf `Cold` als zum teil düstere, zum Teil aber auch Kraft gebende Nummern beschreiben; Letzteres, weil wir nicht immer auf Mollharmonien zurückgreifen.“

Mein Gesprächspartner vergöttert die neue Type 0 Negative-Scheibe, wie er mir im Weiteren bekennt:

„Wegen ihrem Gemisch aus Verzweiflung und Wut. Außerdem zieht Mr. Steele textlich mal wieder alle Register! Oder auch Evanescence höre ich sehr gern. Frage mich nun aber bitte keiner, worauf die anderen in der Band gerade abfahren. Oliver steht zum Teil auf Katatonia oder Rosenstolz, glaube ich. In wieweit diese Bands Einfluss auf unser Songwriting haben, wird sich zeigen. Letztendlich ist durch das Zutun von allen Instrumenten und natürlich der Einbeziehung von uns allen ein neues, aber trotzdem nach The Blue Season klingendes Werk entstanden. Aber bis zu einem gewissen Level haben Bands auf jeden Fall Einfluss auf unser Tun. Man sagt, Pink Floyd, The Gathering oder auch Tiamat hört man stellenweise bei uns heraus. Aber das hört man oft, wenn man Gothic Rock mit Frauengesang macht“, grinst der Saitendiener.

Der aktuelle Albumtitel „Cold“ steht laut Jochen sinnbildlich für die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau: „Und zwar eine Beziehung, welche aus verschiedenen Gründen, sei es aufgrund der Dauer, gegenseitigem Ableben oder auch einer Interessenverschiebung, langsam aber sicher abstirbt. Ich denke, das ging wohl jedem schon mal so – daher auch die Textzeile: ,I try to get your warm embrace, but why do you feel so cold.’ ,Cold’ ist daher auch im mentalen Sinne zu verstehen. Unser Oliver hat den Text dazu verfasst. Was ihn genau dazu bewogen hat, kann ich im Detail leider nicht sagen.“

Oliver schreibt die meisten Texte bei The Blue Season, bei welchen es sich lt. Jochen zumeist um Liebe, Tod, Schwermut aber auch Hoffnung und Zuversicht dreht. „Er pendelt manchmal regelrecht zwischen dem einen und dem anderen Extrem, schreibt aber jedes Mal sehr lebhaft und in Bildern, was dem Ganzen sehr viel lyrische Farbe verleiht.“

Als die Göppinger Band Anfang 1998 damit anfing, ihre ersten Songs zu schreiben, hatten sie noch keinen Namen. Jedoch: „Nachdem aber dann einige Songs fertig waren und sie doch eher düster, romantisch oder auch melancholisch klangen, entschieden wir uns für The Blue Season. Ausschlaggebend dafür waren Stücke wie ,Dreamdancer’, ,Blue Season’ oder auch ,Your Ocean’. ,Blue’ für den sprichwörtlichen Ausdruck ,traurig’ oder ,niedergeschlagen’, und ,Season’ einfach als Testat der damaligen Phase der musikalischen Expression. Heute haben wir eine Menge Songs im Programm, die sehr viel härter sind und stilistisch nicht mehr allein in die Düstermusikecke gepackt werden können. Dennoch ist ein melancholischer Touch meistens auch heute nicht zu überhören, denke ich.“

The Blue Season hoffen, so einige Leute mit ihrer Musik erreichen zu können, wie mein Interviewpartner abschließend bekundet. „Wenn man Feedback wie ,eure Musik berührt mich’ oder ,ich finde eure Texte geil’ oder Ähnliches auf Konzerten hört, dann weiß man, dass es sinnvoll ist weiterzumachen. Natürlich schreiben wir Songs und raffen uns zusammen aufgrund von eigenem Bestreben als Musiker und Freunde. Doch Bestätigungen seitens Fans und Presse helfen natürlich ungemein, ein gewisses Zufriedenheits- und Glücksgefühl zu erzeugen, um mit größerer Motivation ans Werk zu gehen. Sei es nun live, beim Schreiben der Lieder oder im Studio. Weißt du, manchmal sind es genau die zwei Fans, die nach einem eher misslungenen Konzert, sei es wegen organisatorischen oder auch persönlichen Dingen, zu einem herkommen und meinen, sie fanden es trotzdem geil. Das sind genau die kleinen Dinge, die hoffnungsvoll machen.“

© Markus Eck, 23.07.2003

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