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Interview: VAN CANTO
Titel: Unheimlich emotional

Auf ihrem vierten Album „Break The Silence“ zeigt sich diese einzigartige Formation erneut von der vielfältigsten und auch innovativsten gesanglichen Seite. Und fast scheint es so, als hätten die fähigen Metal-A-Cappella-Originatoren Van Canto sich noch höher ins künstlerische Zeug gehängt, um ihren vielen Anhängern in den neuen Epikerliedern noch mehr Leidenschaft und Hingabe bieten zu können.

Denn das offerierte Selbstwertgefühl kann stellenweise gar anhaltend Staunen machen. Das Sextett liefert ein umfassendes Potpourri aus gelungenen Eigenkompositionen, und auch die obligatorischen Cover-Versionen aus dem Metal-Bereich dürfen aktuell mal wieder einfach nicht fehlen, wie beispielsweise von Manowar oder auch Sabaton.

Gastauftritte von Mitgliedern von etablierten Gruppen wie beispielsweise Blind Guardian oder auch Sabaton auf „Break The Silence“ verdeutlichen zudem, dass auch die Kollegen das erfrischende Schaffen des stimmstarken Ensembles sehr zu würdigen wissen.

„Soweit wir wissen, sind wir immer noch die Einzigen, welche dieser sehr speziellen Stilistik huldigen. Inzwischen kann ich das aber verstehen, denn es ist ja doch sehr anstrengend. Und man muss auch erstmal fünf Leute finden, die so zusammen klingen, und dann noch einen Drummer, der Lust hat, sich dahinter zu setzen“, verkündet Stefan „Stef“ Schmidt lachend, seines Zeichens bei der Gruppe verantwortlich für tieferen „Rakkatakka“-Gesang sowie den „Wah-Wah-Sologitarren“-Gesang.

A-capella-Stilistik ist bereits eine sehr alte und historisch auch sehr interessante Angelegenheit. Wie sehr beschäftigt sich Stef als Mitglied der Gruppe Van Canto persönlich mit (solcherlei) gesanglicher Historie? Der Stimmband-Artist überlegt ein wenig … dann lässt er tiefer blicken:

„Sehr wenig ehrlich gesagt. Und wenn, dann nur gefiltert über das, was man bei dem ein oder anderen Hollywood-Soundtrack eben so mitbekommt, von Mönchsgesängen oder fernöstlichen Melodien. Ansonsten speist sich meine Inspiration eher aus den Hardrock- und Metal-Bands der Zeit von 1980 bis heute. Was moderne Rock- und Metal-Sänger von den uralten Künsten damaliger historischer VokalistInnen auch noch heute lernen können beziehungsweise könnten? Bestimmt viel, aber wie gesagt, ich bin da nicht der Experte. Ich denke, was Gesang schon immer ausgezeichnet hat, ist, dass es die direkteste Form ist, seine Emotion in Musik umzuwandeln. Das ist das tolle an Gesang, und ich glaube, auch ein bisschen das Geheimnis, warum sich Leute für Van Canto interessieren. Wir bekommen oft gesagt, dass wir für eine Metal-Band unheimlich emotional klingen.“

Der nachfolgende Dialog drehte sich darum, ob Van Canto als Band solcherlei Art und Weise jemals kulturell gefördert wurden von Seiten der Heimatstädte der Band-Mitglieder. Stef hierzu:

„Das ist nett, dass das hier mal erwähnt wird, aber bisher kam auf dieser Ebene nichts. Wir haben uns aber auch nie irgendwo beworben, ich kenne mich mit Kulturförderung auch nicht so aus. Letztendlich fände ich es auch sinnvoller, nicht eine Band zu fördern, sondern eher Festivals und Vereine, die oft ehrenamtlich und ohne groß Geld zu verdienen Konzerte organisieren. Aber das passiert ja zum Glück hier und da: Wir waren beispielsweise gerade in Rengsdorf bei Koblenz. Das ist schon beeindruckend, dort mitzuerleben, wie da in der Einöde ein paar Unerschrockene seit 20 Jahren immer wieder aufs Neue ein cooles Festival auf die Beine stellen.“



Mittlerweile dürften sich so einige Hörer etwas Genaueres unter der A-capella Metal-Stilistik von Van Canto vorstellen können. Doch was genau erwartet geneigte Ohrenpaare nun auf musikalischer Ebene auf „Break The Silence“, Stef?

„Ich denke, wir haben unseren eigenen individuellen Stil eindeutig gefunden. Wem bereits unser Album ,Tribe Of Force‘ schon ganz gut gefallen hat, der wird nun aktuell ganz sicherlich auch ,Break The Silence‘ mögen. Und wer uns bisher total kacke fand, der wird nun vielleicht höchstens an den beiden Balladen ,Spelled In Waters‘ und ,Master Of The Wind‘ Gefallen finden, da hier ja mit akustischer Gitarre beziehungsweise Klavier auch mal echte Instrumente bei uns zu hören sind.“

All die neuen Van Canto-Kompositionen sind deutlich registrierbar gesangstechnisch versierter denn je zuvor, und dabei auch merklich noch durchdachter ausgerichtet. Der Vokalist erläutert mir gerne zu diesem relevanten Kontext:

„Also, die technische Versiertheit kommt einfach daher, dass uns das Ganze inzwischen wirklich in Fleisch und Blut übergegangen ist. Ross, Ike und ich fühlen uns inzwischen wirklich als singende Instrumente und müssen nicht mehr umdenken in der Art wie ,Was würde eine Gitarre jetzt spielen‘. Was du jetzt mit ,durchdachter‘ meinst, weiss ich nicht. Ich hoffe nicht ,verkopft‘, denn eigentlich sind die Stücke zu ,Break The Silence‘ alle in emotional ziemlich aufgewühlten Situationen entstanden, beispielsweise nach unserem damaligen Wacken-Gig mit Grave Digger oder nach der Blind Guardian-Tour. Ich denke, es klingt einfach alles etwas ,natürlicher‘, weil wir das Ganze jetzt ja schon eine Weile machen.“


Das nachfolgende Gespräch befasste sich mit dem vorangegangenen Kompositionsprozess zur neuen Album-Veröffentlichung unserer Metal A-capella-Helden.

„Auf ,Break The Silence‘ gibt es mit ,If I Die In Battle‘ und ,The Higher Flight‘ erstmals zwei Songs, die nicht auf Gitarre oder Klavier geschrieben und dann ,übersetzt‘ wurden, sondern direkt als Gesangsstück geschrieben wurden. Auch wieder ein Hinweis darauf, dass wir inzwischen wirklich in dieser Musik leben. Wie beim letzten Album haben wir die Kompositionsarbeit wieder verteilt. Neben den Cover-Nummern habe ich zwar den Hauptteil der Songs geschrieben, aber Basti und Ike sind ebenso vertreten wie Sebastian Scharf, der Bruder von Inga. Er hat ,Black Wings Of Hate‘ geschrieben, ein Song aus Ingas alter Band Fading Starlight. Ich habe das Lied schon damals geliebt und habe es mit Sebastian auf Van Canto-Manier umgeschrieben, ein neues Intro komponiert und das Arrangement etwas vereinfacht. Unsere Einflüsse sind nach wie vor unterschiedlich, aber da es Van Canto jetzt schon ein paar Jährchen gibt, wussten ja alle, was am Ende rauskommen soll“, gibt der Gesangskünstler lachend zu Protokoll.

Der Kompositionsprozess für den aktuellen Langspieler war insgesamt über ein Jahr verteilt, wie der Mann dazu anfügt.

„In 2010 ist einfach so viel passiert, wie beispielsweise viele Auftritte, große Festivals, Auslandsreisen usw. An Inspiration hat es uns also nie gemangelt und was Einflüsse und Inspirationen anbelangt, so fanden auch diesmal wieder allerlei persönliche Erfahrungen ihre Umsetzung. Wir haben wieder viele ,Glaube an die eigene Stärke‘-Songs im Programm auf dem neuen Album, wie beispielsweise in den Liedern ,If I Die In Battle“ oder ,Neuer Wind‘, welches unser erster deutscher Song ist. Aber auch abstraktere Gedanken, wie beispielsweise in ,Dangers In My Head‘, kleine Geschichten wie in ,The Seller Of Souls“ oder auch nachdenklichere Töne wie in der Komposition ,Spelled In Waters‘ kommen vor.“


Auch sehr interessant: Auf der Limited Edition des neuen Van Canto-Albumwerkes gibt es laut Aussage von Stef den Song „A Storm To Come“: Ein Preview auf das Crossmedia-Projekt der Band namens „Peer Returns“, welches Ende 2011 an den Start geht. Mehr:

„Wir beschäftigen uns hier mit Peer Gynt, einer berühmten klassischen Figur aus dem Theater, bringen seine Geschichte, oder das, was wir uns darunter vorstellen, episodenweise in die Jetztzeit und bieten das Ganze im Rahmen eines Multimedia-Konzepts an. Mit Musik, bewegten Bildern und richtigem Storyboard dahinter. Die Musik selbst, bestimmt als Van Canto zu erkennen, ist aber bombastischer, opulenter und nicht zwangsweise auf eine Live-Umsetzbarkeit hin komponiert. Die erste Episode führt ein bisschen in diese Welt ein und ist als Appetithappen inklusive einem Poster Teil der Bonus CD. Helen Vogt von Flowing Tears hat zudem eine Gastrolle darin übernommen. Ich hoffe, dieses Projekt wird uns noch eine Zeit lang begleiten, vielleicht auch unabhängig von CD-Veröffentlichungen.“

Auch auf die Gefahr hin, Fans und Leser zu enttäuschen: Der Vokalist sieht sich selbst nicht „als unheimlich philosophischen Typen“, wie er nachfolgend gezielt klarstellt.

„Ich habe einfach gesagt sehr großen Spaß daran, mir Dinge auszudenken und sie dann umzusetzen. Ich bin eher so ein kleiner Erfinder, und das in der Musik genauso wie in meinem sonstigen Leben, wo ich ja viel mit Informatik zu tun habe. Und ich bin gerne gut gelaunt und probiere mit den Dingen, die ich mache, auch anderen Menschen gute Laune zu machen. Nicht zwangsweise in dem Sinn, dass ich sie irgendwie Comedy-mäßig zum Lachen bringen muss. Aber ich freue mich, wenn sich wer nach dem Hören eines Van Canto-Stückes nachher besser fühlt als vorher, und dies nicht, weil der Song endlich vorbei ist“, entfährt es dem Kerl unter einem anhaltend lauten Lachen.


Gegenwärtig freut sich die gesamte Van Canto-Truppe auf kommende Live-Auftritte, wie Stef noch zu entlocken ist. „Am 23. September kommt die Platte raus, ab dem 30.09.2011 geht‘s für uns dann auf Europatour durch acht Länder. Ende des Jahres kommen dann noch ein paar Shows in Deutschland dazu. Wir probieren stets, viel Spaß auf der Bühne zu haben und eine Gesangsleistung abzuliefern, die zumindest an die Performance auf den Alben erinnert! [lacht] Und natürlich merken wir selbst, dass wir etwas routinierter werden. Was aber nicht heisst, dass wir nicht jeden Gig mit 100 % Einsatz angehen. Manche der Zuschauer sehen uns schließlich zum ersten Mal und auch die haben es verdient, eine hungrige Band zu sehen. Wenn wir das irgendwann mal nicht mehr liefern können, machen wir definitiv eine Pause. Aber es gilt für uns: Freunde bleiben, Spaß haben und viele fröhliche Fans treffen.“

© Markus Eck, 26.08.2011

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