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Interview: VENDETTA
Titel: Schneller und aggressiver

Vendetta ist der italienische Begriff für Blutrache, einer ursprünglich aus Sizilien stammenden Version des Talions, eines altertümlichen Rechtbegriffes eigenmächtiger Vergeltung.

Dieser Begriff erschien einer Schweinfurter Power Speed Metal-Combo cool und einprägsam genug, um ihren mit massiven Thrash-Anleihen versehenen Sound fürderhin als Vendetta zu präsentieren.

1987 erscheint das heute sehr rare Debütalbum „Go And Live… Stay And Die”, auf dem die spielfreudigen Franken durch Eigenständigkeit und gute Ideen überzeugen. Ein Jahr später lassen sie den Albumnachfolger „Brain Damage” vom Stapel, der an der hohen Klasse des Debüts nur knapp vorbeischrammte, auch das Albumcover war im krassen Gegensatz zum Vorgänger ärgerlich schlecht geraten. Der Erfolg der Scheibe fiel entsprechend zwiespältig aus. Das war es dann vorerst von Vendetta, die Band löste sich auf.

Bis im Jahr 2003 auf einmal ein neues Demo-Silberscheibchen mit dem Titel „Dead People Are Cool” kam. Allerhöchste Zeit also für mich, einen Informationsaustausch mit Sänger Mario zu führen.

„Musik zu machen ist das Geilste was es gibt. Nachdem wir wieder angefangen hatten und merkten, dass jeder mitzieht kam alles wieder ins Rollen. Es gab zwar bekannter Maßen einige Rückschläge, aber wie man sieht haben wir alles überstanden, und ich glaube auch nicht dass man das kaputt kriegt. Wir sind glaube ich nach dem Horrorjahr 2004 auf einem guten Weg. Da ich aus derselben Gegend komme wie Vendetta, kannte ich die beiden ersten Scheiben schon immer. Zwei Kultscheiben, die bei mir früher rauf und runter liefen“, berichtet der Shouter, hocherfreut über die Möglichkeit, sich endlich mal wieder mitteilen zu können.

„Lubber, unseren Drummer, kannte ich schon länger. Er war schon einige Monate dabei als ich dazukam. Gitarrist Frank Schölch hat die Lücke von Daxx geschlossen. Nachdem wir keinen zweiten Gitarristen fanden haben wir eben umgestellt. Was die Bandchemie bei uns anbelangt, ich habe bis jetzt noch nie etwas so Konstantes erlebt. Alle, also auch Management und Merchandise-Abteilung, liegen zu 100 % auf einem Level. Da ist keiner bei, der Kopfweh hat – bis jetzt. Ich bin sehr gerne hier dabei, denn man kann sich sämtlichen Frust von der Seele spielen und seine Aggressionen loswerden. Auf Tour sogar noch besser als im Proberaum.“

Die beiden ersten Vendetta-Alben in den 1980ern waren im Großen und Ganzen sehr erfolgreich, wie Mario resümiert. „Jedoch kam es trotzdem zum Split der Band. Ich habe damals in einem Metal Hammer- oder Rock Hard-Bericht gelesen, dass jemand den Gesang nicht besonders gut fand. Aber gerade das war für mich ja der Kick: Zwei Sänger, gegeneinander, wie beispielsweise bei `Brain Damage`.“

Was einen eventuellen Plattendeal anbelangt, da wären die Schweinfurter laut Mario nicht abgeneigt, wie er bekennt. „Wir hoffen natürlich, dass wir irgendwo unterkommen, aber nicht um jeden Preis. Wir haben ein paar Grundgedanken und unterschreiben nicht irgendeinen Sinnlos-Vertrag, nur damit wir einen haben. Eventuell gehen wir auch andere Wege – das wird sich zeigen.“

Ich frage nach, in welchem Zeitraum wohl schon neue Vendetta-Songs entstanden sind. Mario hierzu:

„Ich würde sagen, in der jetzigen Art, in der wir die Songs im Studio eingespielt haben, haben sie circa ein Jahr zum Entstehen gebraucht. Ein paar Songs waren schon auf dem Demo 2003, man erkennt aber beispielsweise den Stil auf `Dead People Are Cool` nun kaum mehr. Die Songs sind wesentlich schneller und aggressiver.“

Der Hauptsongwriter bei der wiedergekehrten Speed-Kapelle ist eigentlich nach wie vor der gute Daxx.

„Er hat den Vendetta-Sound ja am meisten geprägt. Seitdem wir nur noch zu viert sind, trägt aber jeder von uns was dazu bei. Auf dem neuen Album ist auch schon Material, welches Daxx total gefallen hat, aber nicht von ihm ist. Die Songtexte hat früher ausschließlich er geschrieben. Seitdem ich dabei bin, haben wir uns schon ein paar Mal ergänzt, und wie gesagt, es ist auch komplett neues Material auf der neuen Scheibe enthalten.“

Ein wirklich guter Song muss sich nach Ansicht des Shouters in den Schädel hämmern und Wiedererkennungswert besitzen:

„Es muss ordentlich rappeln und der Hörer muss `Wow!` sagen. Wir haben keinen langsamen Song auf der neuen Scheibe. Wir hatten zwar einen, haben uns den aber lieber geschenkt. Vielleicht ein anderes Mal. Wir haben uns natürlich schon Gedanken gemacht, wollten aber den Stil nicht großartig verändern. Es sollte eine Mischung aus Old School und Moderne sein. Rechtmachen kann man es ohnehin nicht jedem. Die Vergleiche-Zieher wollen ja auch was zu tun haben. Man kann die Zeit ja nicht anhalten. Die Songs klingen schon nach Vendetta, allerdings nicht mehr im Sound der 80er. Dabei haben wir nur die Songs aufgenommen, beziehungsweise auf die neue Scheibe genommen, mit denen wir zu 100 % zufrieden sind. Und wir sind zu 120 % zufrieden. Wir haben keine Füller und keine unfertigen Songs drauf, nur um mit Laufzeit zu glänzen. Es gibt unzählige Scheiben, die keine Überlänge haben, aber dafür von Anfang bis Ende amtlich schieben: Da sage ich nur beispielsweise Slayer.“

Einen persönlichen Favoriten unter all den neuen Stücken hat mein Gesprächspartner eigentlich nicht. „Schwer zu sagen, jeder Song hat etwas Besonderes, finde ich. Vielleicht `Prepare Yourself For Hostility`, der ist außergewöhnlich, mit einem geilen Riff.“ Die Zeit der aktuellen Aufnahmen im Studio war eine tolle, so Mario. „Da wir uns ja wie bereits erwähnt alle super verstehen, war es kein Problem, einander längere Zeit auf der Pelle zu sitzen. Außerdem ist unser Bassist Heiner derjenige, der den Laden in allen Belangen zusammenhält.“

Für die Songtexte der neuen Stücke sind laut Mario eigentlich, mit ein paar Ausnahmen, komplexe Themen aus dem Alltag, den jeder aus der Band hat, verarbeitet worden.

„Bei `Lying Society` geht es beispielsweise, wie der Songtitel schon aussagt, um unsere verlogene Gesellschaft. Keiner geht zu McDonald's, keiner liest Bild-Zeitung, keiner bestellt bei Beate Uhse und keiner guckt Pornos. Ich frage mich, warum die Macher dann überhaupt so viele Hardcore-Streifen drehen. Frage doch mal 100 Leute, da kriegst Du immer die gleiche Antwort.“

Vom Prinzip her hört sich jeder aus der Vendetta-Belegschaft eigentlich fast alles an Musik an. „Bei uns läuft Ozzy, Metallica, Pantera und von den neuen Sachen finde ich beispielsweise Disturbed überragend. Auch Sodom sind immer noch eine Bank. Hatesphere und Dew-Scented sind auch schwer im Kommen. Killswitch Engaged haben mich ebenfalls schwer beeindruckt.“

Wir kommen auf Live-Shows zu sprechen, worauf die Band da speziellen Wert legt, und auf das Thema, ob die Jungs ihre Songs auf der Bühne von den Versionen auf den Alben abweichend spielen. Mario expliziert: „Eigentlich nicht. Bei den alten Nummern sind zwei Gitarristen auf den Alben zugange, und wir haben ja nur Frank Schölch. Der hat ganz schön zu Tun auf der Bühne – Hut ab!“

Auch Drummer Lubber musste auf der Bühne ganz schön keuchen; es hat mir aber riesigen Spaß gemacht ihm zuzusehen, da die Vendetta-Show im Münchner Backstage-Club am 15. September 2005 absolut authentisch und ehrlich war. Wie steckt die Band wohl die Anstrengungen nach einer Tour so weg?

„Lubber ist 40 – also nicht mehr der Jüngste. Bei den Live-Shows gibt es halt auch keine Bier- und Zigarettenpause, aber er ist fit und man hat ja danach genug Zeit, sich im Tourbus auszuruhen. Außerdem hat er am Vortag mächtig einen krachen lassen.“

Pläne für die nähere Zukunft? „Wir möchten natürlich in erster Linie einen Plattendeal und auf der Bühne einiges zulegen. Man wird sehen.“

© Markus Eck, 17.10.2005

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