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Interview: WINTERSUN
Titel: Erdgebunden

Als der Albumvorgänger „Time I“ den Spätherbst 2012 musikalisch opulent veredelte, präsentierte Jari Mäenpää den majestätischen Symphonic Melodic Death Metal von Wintersun multipel erweitert.

Hauptsächlich dehnten darauf allerlei bombastisch arrangierte, cineastisch überwältigende Klangsphären den Rahmen des ohnehin schier endlos weiten Klangbildes. Doch es sollte auch künftig Überraschungen geben.

Anstatt nun den ersehnten, chronologischen Nachfolger zu liefern, entleert der Meister sein mächtiges Füllhorn in Form des neuen und dritten Albums „The Forest Seasons“ in die Ohren der Fans. Und der bewährte Sound des finnischen Ausnahmekünstlers erfährt abermalig eine vorläufige Vollendung.

Wie Bassist Jukka Koskinen erzählt, liefen die Dinge für „Time I“ insgesamt erfreulich gut.

„Die Scheibe erhielt großartiges Feedback, wie wir denken. Es war prima zu erleben, wie die Leute Freude am ‚filmischen‘ Anspruch hatten, den wir dafür verewigten. Es war schon ein großer stilistischer Schritt für uns nach dem 2004er Debütalbum, welches eigentlich den epischen Wintersun-Sound bereits vollauf klarmachte. Viele lassen uns bis heute wissen, wie sehr sie ‚Time I‘ vor allem für die innovativen und originellen Eigenheiten schätzen. Daneben stieg das Album in die offiziellen US Charts ein, obwohl wir tatsächlich niemals zuvor dort aufgetreten sind, einfach toll! Die Musik des Albums ist primär auch sehr präzise angelegt, was das volle Erfassen des Werkes durchaus zeitaufwändig machen kann. Aber das ist eben genau die Art von Wintersun - wir wollen alles so gut wie möglich hinbekommen, wollen Material kreieren, mit dem jeder zufrieden sein kann, worin jeder etwas für sich findet, dass ihm gefällt.“


Die Gretchenfrage stellt sich in diesem Kontext natürlich sofort dahinter an. Jukka schafft Klarheit über die Pläne dieser positiv pingeligen Pedanten: „Ja, ‚Time II‘ wird definitiv noch erscheinen, allerdings kann ich keinerlei Terminvorhersage machen. Es wird dann soweit sein, wenn wir das entsprechende Equipment und die speziellen Ressourcen an den Start bekommen, um dem Ganzen den Sound und die Atmosphären zu ermöglichen, wie es uns dafür vorschwebt. Wir hatten für ‚Time I‘ viele Kompromisse machen müssen, daher möchten wir den zweiten Teil um einiges imposanter werden lassen.“ 



„The Forest Seasons“ bündelt das einnehmende Charisma des Debüts mit der emotional-ästhetischen Übermacht von „Time I“, wobei Wintersun diesmal vor allem auch durch mannigfaltige, instrumentelle Artistik zu glänzen verstehen.

„Wir zelebrieren natürlich wieder das bombastische, progressiv angehauchte Wintersun-Riffing, jedoch mit schärferem Fokus auf ehrlich-gemütvollen, tief beseelten Parts.“ 


Auch die immens aufwändige Produktion erfüllt die bereits die allerhöchsten Maßstäbe, die das Genre überhaupt ermöglicht. Der Tieftöner nimmt das alles beeindruckend locker, spricht mit einem Grinsen im Gesicht viel lieber über die gesanglichen Belange.

„Nun, ich sage es mal so: Meine additionalen Growls kommen diesmal mit größerer Kraft zum Tragen. Jari hat sich als Vokalist immens nach vorne entwickeln können. Er hat neuen Untergrund gefunden, auf dem er sich jetzt individueller und gefühlsbetonter als zuvor ausdrücken und vermitteln kann. Das gesamte Vokalrepertoire ist diesmal überaus variabel, es geht von brutalem Growling bis hin zu fragilem Klargesang. Ich selbst denke, die insgesamt ins Kombinat gebrachte Darbietung hört sich wirklich wunderbar an. Es war von Anfang an geplant, die Songs so nahe an die Vocals zu legen wie nur machbar. Die Hörer können dies klar heraushören.“

Wie Jukka nachlegt, wollte der Vierer das neue Konzeptwerk grundsätzlich ohnehin ungemein berührend werden lassen, wobei scharfe Kontraste in den vielschichtigen Liedern ihre Wirkung gezielt und voll entfalten sollten.

„Sogar die epischen Bestandteile sind daher so richtig energetisch geworden. Jari ging tiefer als jemals zuvor in sich, um ein enorm persönliches, empfindungsreiches und hochgradig atmosphärisches Album entstehen zu lassen. Die Stücke sind so verschieden, doch verschmilzt alles in ein perfektes Ganzes. Ich würde sogar sagen, dass die neuen Kompositionen mehr geradeaus zielen und zeitgleich die majestätischen Stimmungen freier fließen, als man es bisher je bei uns erleben konnte.“



Die vier überlangen Songkapitel thematisieren jeweilig den Zauber der Jahreszeiten. „In ‚Awaken From The Dark Slumber (Spring)‘ geht es darum, aus dem eigenen Koma, der eigenen Dunkelheit zu erwachen, gegen die eigenen Dämonen zu kämpfen. Um Energie, Kraft und Unbesiegbarkeit zu erlangen. ‚The Forest That Weeps (Summer)‘ hingegen kündet von Zugehörigkeit und Verbundenheit. ‚Eternal Darkness (Autumn)’ wiederum hat den Tod als Inhalt, während sich ‚Loneliness (Winter)’ um Einsamkeit, Ruhe und Stille dreht.“



Der Albumtitel selbst wurde auserkoren, so legt Jukka dar, um die Verbindung des Einzelnen mit der Natur oberbegrifflich zu benennen. „Sie ist der Ursprung von allem. Wie es auch in der Natur geschieht, so reflektieren auch unsere vier Stücke die zahllosen Erlebnisse eines Menschen im Leben, die eben verbunden sind mit Emotionen, Fragen und all den Mysterien.“



© Markus Eck, 02.07.2017

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