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Interview: WITHIN TEMPTATION
Titel: Gefühlvolle Tiefgründigkeiten

Sie waren zweifellos die Shooting Stars des Jahres 2003 schlechthin, ihre theatralisch opulenten Fantasy-Hymnen eroberten zahllose Gothic Metal-Herzen im Sturm. Die Wiederveröffentlichung ihres nachfolgend vergoldeten Top Ten Hitalbums „Mother Earth“, welche auch eine breitenträchtige Clip-Rotation auf vielen Musiksendern mit sich brachte, ermöglichte diesen sympathischen Holländern einen immensen Popularitätsschub nach vorne.

Diverse Single-Auskopplungen waren neben einer Vielzahl an allseits umjubelten Festival-Auftritten die Folge – die verdiente Erfolgsgeschichte einer zielstrebigen Band, die hart für ihre Ziele gearbeitet hat. Vor einiger Zeit zog sich das beliebte Sextett um Gitarrist Robert Westerholt und Ausnahmesängerin Sharon den Adel ins Studio zurück, um die Arbeiten am kommenden Album „The Silent Force“ zu beginnen.

Zunächst bringen Within Temptation jedoch eine neue Single namens „Stand My Ground“ auf den Markt.

„Der Titel des Songs steht für uns trotz sicherlich verschiedener Interpretationsmöglichkeiten in erster Linie dafür, nicht aufzugeben und sich nicht unterkriegen zu lassen. Das Video dazu drehten wir in einem Stadtteil von Berlin ab, auf dem Dach einer alten Brauerei. Wir waren dort zwei ganze Tage damit zugange, jeweils weit mehr als zwölf Stunden. Da es teilweise sehr windig war und wir dabei im künstlich erzeugten Regen standen, gestaltete sich das Ganze unerwartet Kräfte zehrend für uns. Bis alles nach dem Willen der Filmleute im Kasten war, dauerte es eine ganze Weile“, berichtet Kompositionstalent Robert Westerholt, welcher bei Within Temptation neben eingängigen Gitarrenriffs für tiefe Growls verantwortlich zeichnet, eingangs mit ruhiger Stimme.

„Es war ein fantastischer Platz für die Aufnahmen. Ich liebe diese reizvolle Stadt und den einzigartigen Charakter der dortigen Architektur ohnehin sehr. Vergleicht man Berlin mit Paris oder London, so ist es dort meiner Ansicht beziehungsweise meinen gemachten Erfahrungen nach weit weniger hektisch als in vergleichbaren Großstädten. Obwohl man aber ebenfalls eine reichhaltige Fülle an Kultur oder Unterhaltungsmöglichkeiten vorfindet. Diese Stadt hat ein ganz eigenes Gesicht. Ich liebe hier vor allem auch die großen und weiträumigen Straßen.“

An vielfältigen optischen Tricks beziehungsweise Spezialeffekten wird im Videoclip zu „Stand My Ground“ jedenfalls nicht gegeizt. Für Robert stellen neben verschiedensten Kolorierungen vor allem die eingebrachten 3D-Effekte etwas sehr reizvolles dar.

„Alles in allem ist es doch ein sehr spezielles Video geworden, welches hoffentlich seinen Weg in die Musiksender der TV-Anstalten finden wird. Viele werden davon überrascht sein; auch über unseren neuen Look, der uns in passendem, fantasievollem Outfit zeigt. Wir probierten so einiges an Staffage aus, man darf also gespannt sein“, versteht er es mit cleverer Manier, ohne hier aber vorab irgendwelche spezifische Details nennen zu wollen, neugierig zu machen.

Westerholt, der sich während des Gesprächs gerade in einer entspannenden Studiopause des abschließenden Masterings befindet, geht tiefer auf den doch sehr umfangreichen Aufnahmeprozess des kommenden Werkes ein.

Und es scheint, als wäre dem bekannten Gothic Metal-Act keine Mühe zu groß, um den Fans das Bestmögliche zu bieten:

„Das Schlagzeugspiel unseres Drummers Stephen van Haestregt wurde komplett in Belgien aufgenommen, diverse Gitarrenspuren bannten wir in unserem eigenen Studio auf Band und so einige andere Parts, darunter auch vereinzelte Gesangsspuren wurden hier in einem holländischen Studio aufgenommen. Die Gesangslinien hingegen ließen wir in Russland aufnehmen und bearbeiten. Der Mix-Prozess erfolgte wiederum in Schweden. So kann man fast sagen, dass das neue Album internationales Flair hat“, stellt er mit lachendem Stimmfall fest.

Und Robert ergänzt hierzu rückblickend: „Diese Art der Vorgehensweise bedeutete für uns alle natürlich eine ganze Menge an Stress und Zeitnot, doch wir wollten für `The Silent Force` eben das mögliche Maximum an Aufnahme- und Produktionsqualität erreichen.“

Diese ungewöhnliche Art des Aufnehmens hatte daneben aber auch noch ganz andere Vorteile, wie sich der bekennende Marillion-Fan resümierend freut.

„Mit manchen der Beteiligten verstanden wir uns wirklich prächtig; nicht zuletzt auch deshalb, weil sie unsere Art von Musik auch persönlich favorisieren. Aufgrund einer solch harmonischen und intensivierten Zusammenarbeit kamen dann auch von deren Seite mancherlei konstruktive Ideen, von denen wir vereinzelt bei der Umsetzung sehr profitierten.“

Dabei sollte der diesmalig ausführende Produzent Daniël Gibson ebenfalls noch einen gewichtigen Anteil haben.

„Er gab vielen unserer neuen Tracks erst so Recht das gewisse Extra, dafür sind wir ihm wirklich sehr dankbar. Verhältnismäßig schnell merkten wir bei ihm, dass es zwischen uns einfach `klickte`. Die Arbeit mit Daniël gestaltete sich daher wunderbar, so konnten wir im Studio glücklicher Weise völlig ohne Spannungen oder innere Unruhen agieren.“

Obwohl der Re-Release des zweiten Albums „Mother Earth“ für Within Temptation einen gigantisch weiten Schritt nach oben auf der Karriereleiter ermöglichte und die Band ins massenmediale Rampenlicht stellte, sah er sich als Hauptkomponist eigentlich absolut nicht unter Erfolgsdruck gesetzt, wie er meiner hierzu gemachten Anmerkung entgegnet.

„Eine gewisse kreative Erwartungshaltung stellt man als Künstler wohl immer an sich selbst, da mache ich gewisse keine Ausnahme. Doch kommerziell erneut so überaus erfolgreich wie zuvor zu sein, davon ließ ich mich nicht in die Enge treiben. Das größte Problem, die bedeutendste Herausforderung stellt somit für mich immer wieder das berühmte weiße Blatt Papier dar, welches mit Ideen gefüllt werden möchte. Der hauptsächliche Gedanke, der mir davor jedes Mal im Kopf herumschwirrt, ist: `Wird es mir überhaupt möglich sein, jemals wieder einen zeitlos schönen und melodisch markanten Song zu schreiben?` Habe ich es dann vollbracht, macht sich große künstlerische Erleichterung breit, mit dem gleichzeitigen Gefühl, meinen eigenen hohen Ansprüchen bestens gerecht worden zu sein. Das war, ist und bleibt für mich persönlich das Allerwichtigste. Daher ist es mir in zweiter Instanz dann gar nicht mehr so sehr bedeutsam, ob ein Lied auch kommerziell erfolgreich ist. Davon abgesehen, ist es sowieso unmöglich, alle Hörer restlos zufrieden zu stellen. Obwohl ich mich natürlich immer wieder aufs Neue riesig freue, wenn es der Fall ist.“

Dieses Statement reflektiert wahrscheinlich erschöpfend, warum die Songs von Within Temptation über ein dermaßen hohes Maß an künstlerischer Natürlichkeit beziehungsweise Authentizität verfügen.

Und genauso verhielt es sich bereits mit „Mother Earth“:

„Viele Leute fragten mich damals nach unserem – im Gothic Metal-Underground sehr erfolgreichen – 1997er Debütalbum `Enter`, ob ich nicht nervös sei oder mich unter Druck gesetzt fühle, was das Komponieren neuer Tracks angeht. Ich konnte immer wieder nur verneinen. Ich schreibe unsere Songs wie gesagt in erster Linie immer, um primär meinen künstlerischen Ehrgeiz zufrieden zu stellen. Und damit fahre ich sehr gut, was sich hoffentlich nicht ändern wird.“

Seine Einstellung dazu übertrug Robert von Anfang an auf die gesamte Band, wie er mir mit hörbar unbeschwertem Tonfall mitteilt. „Darüber bin ich sehr froh, denn somit konnte der riesige Erfolg von `Mother Earth` der ausgeprägten Harmonie in unserem Bandgefüge nichts anhaben. Wir sind eine fest zusammenhaltende Einheit von Musikern, Ego-Trips werden bei uns nicht gefahren.“

Mit den bisherigen Ergebnissen des neuen Albums sind die sechs holländischen Künstler jedenfalls rundum glücklich, wie der Gitarrist und Sänger im Weiteren preisgibt.

„Für uns stellt das neue Album `The Silent Force` in erster Linie ein großes musikalisches Abenteuer dar, welchem man als Hörer teilhaftig wird. Wer es hört, wird regelrecht davon eingesaugt werden, da bin ich mir ziemlich sicher. Mir fehlt zwar im Moment noch der nötige Abstand davon, weil wir gerade noch damit beschäftigt sind, alles fertig zu stellen, aber doch kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass `The Silent Force` ein in vielen Belangen sehr intensives, ein wie gesagt `abenteuerliches` Album geworden ist.“

Und laut Aussage von Robert ist der Sound insgesamt härter ausgefallen, was zum Großteil aber an der Produktion an sich liegt.

„Wir selbst sind natürlich nicht großartig härter geworden“, beruhigt er die Fans. „Auf der anderen Seite weisen viele der neuen Tracks eine Art `Filmsoundtrack-Feeling` auf, was ihre intensiv emotionale Wirkung noch vervielfacht. Auch haben wir ein paar extrem atmosphärische Lieder aufgenommen, welche völlig ohne Gitarren auskommen. Diesen Songs verpassten wir neben entsprechendem orchestralem Background auch vereinzelte Highland-Einflüsse irisch beziehungsweise schottisch traditioneller Musik, mit allerlei Fideln und Flöten.“

Das von ihm erwähnte „Filmsoundtrack-Feeling“ ist der Meinung Roberts nach dann auch das Schlüsselwort, mit welchem der neue Output von Within Temptation neben den Gothic Metal-Grundlagen primär bestmöglich umschrieben werden kann.

„Insgesamt haben wir aber auch den Anteil an großklanglichem Bombast angehoben. All dies geschah ganz individuell, um jedem Song erneut seine ureigene Aura zukommen zu lassen.“

Der Mann schwärmt nachfolgend über die von mir angesprochenen festlichen Melodien, an welchen sich all die Anhänger der Holländer wieder erfreuen können.

„Eingängige Melodielinien sind es auch letztendlich, woraus unsere Musik schon immer hauptsächlich bestand, diese dominieren unseren Sound daher natürlich auch in den aktuellen Songs. Ausgearbeitet wurden sie allesamt wieder von mir und Sharon, auch unser Keyboarder Martijn Spierenburg brachte sich an manchen Stellen mit seinen Ideen auf sehr inspirierende Weise ein.“

Schon während einiger Konzertreisen im Jahr 2003, versuchte sich dieses Trio an neuen Stücken, brauchbare Ergebnisse wurden aber laut Roberts Erinnerung nicht erzielt.

„Das hat nun überhaupt nicht funktioniert. Aber wir zogen auch zum wiederholten Male eine immens wichtige Erkenntnis für uns daraus zutage: Für das Schreiben unserer Songs brauchen wir die nötige Ruhe, denn solche ausgesprochen tiefgründigen und gefühlvollen Lieder wie die von Within Temptation kann man nur mit völliger Hingabe und Leidenschaft zustande bringen. Wir müssen hierfür so tief als möglich in uns selbst hineinhören.“

So machten sich Within Temptation vor Beginn des Kompositionsprozesses primär Gedanken darüber, wie man Neues schaffen kann, ohne Altes außer Acht zu lassen. Robert expliziert:

„Kopieren wollten wir uns natürlich trotzdem in keiner Weise. Daher hat es sich auf ganz natürliche Art ergeben, dass sich unsere neue CD nicht gravierend vom letzten Album `Mother Earth` unterscheidet, das neue Werk aber so einige unerwartete Facetten unseres Schaffens freilegt.“

Jedoch auch Sängerin Sharon den Adel hat intensiv an sich und ihrer Stimme gearbeitet, lobt Saitengreifer Westerholt seine Bandkollegin.

„Sharon zeigt jetzt mitunter völlig neue Seiten ihres Gesangs, ohne ihren Stimmradius aber unnötig weit zu verlassen. Sie offenbart gewissermaßen mehr Emotionen als noch zuvor, wenn man so sagen will. Sie stellte sich, was typisch ist für sie, intuitiv auf die verschiedenen Stimmungen der Songs ein und glich ihren Gesang entsprechend an. Sharon zeigte uns damit in beeindruckender Weise wieder mal auf, dass sie trotz der primär kraftvollen und ausdrucksstarken Note ihres Gesangsstils auch beachtliche Einfühlsamkeit an den Tag legen kann. In gewisser Weise kann ihr Gesang mit dem von `Mother Earth` verglichen werden, doch kann man nun auch eine ganze Menge neuartige Phrasierungs-Nuancen in ihrer Stimme erkennen.“

© Markus Eck, 03.10.2004

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