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Interview: WOLFCHANT
Titel: Über alle Grenzen

Seitdem sie mit jedem Jahr erfolgreicher und beliebter geworden sind, wuchs auch das Selbstwertgefühl dieser bayerischen Wolfsseelen so weit an, dass ihr Stil immer weiter ausreifen konnte.

Was somit 2003 noch als rauer Pagan Metal-Sturm wild und melodisch zu tosen begann, das mündet nun auf dem neuesten Album „Embraced By Fire“ in einem rundum professionell und hochgradig facettenreich erschallenden Kriegermetall-Spektakel. Dabei berauschend fulminant arrangiert, zeigen die neuen Kompositionen das energische Schaffen der Band um Sänger Lokhi auf bislang detailreichster Ebene.

„Das Ziel ist im Prinzip das gleiche wie in unseren Anfangstagen geblieben: Wir wollen die Musik spielen die uns selber am meisten Spaß macht. Nur haben wir in den letzten Jahren immer mehr damit angefangen uns selber nicht mehr zu limitieren, und in unsere Songs die unterschiedlichsten Einflüsse aus allen Genres mit einfließen zu lassen. Grundbasis war für Wolfchant aber immer, epischen und eingängigen Pagan Metal zu machen“, legt Hüne Lokhi dar.

Die Beteiligten hatten bei der Namensgebung für „Embraced By Fire“ eine eher negative Deutung im Kopf, wie der Vokalist näher bringt.

„Allen voran die Entwicklung unseres Planeten. Viele Menschen kümmern sich nur noch um ihre kleinen Probleme oder Kriege, Konflikte, usw. und denken dabei, nur ihre Probleme seien wichtig und von Bedeutung. Die Erfassung des großen Ganzen spielt keine Rolle mehr. Die weltweiten Probleme wie beispielsweise die Entwicklung des Ökosystems und damit verbundene ständige Konflikte wie auch Ausbeutung, werden mittlerweile nicht mehr realisiert. Viele denken, die Welt ist noch in Ordnung, doch tatsächlich steht sie schon, symbolisch gesagt, ,in Flammen‘.“

So wollen diese Wolfsmänner laut Aussage des Frontmanns mit ihren neuen Songtexten die Hörer dazu anregen, sich wieder etwas mehr umzuschauen auf der Welt und auf das Ganze zu konzentrieren, anstatt sich immer nur um sich selbst zu kümmern und irgendwelchen Belanglosigkeiten zu große Aufmerksamkeit zu schenken.

„Die Texte machen Nortwin und ich. Es waren die ständigen und immer häufig werdenden Naturkatastrophen, Kriege, Massaker usw. die uns hierzu beeinflussten, beispielsweise im Titeltrack ,Embraced By Fire‘ oder im Stück ,Winter‘s Triumph‘. Auch die menschlichen Abgründe wie zur Zeiten der Inquisition, die wir in ,Turning Into Red‘ beschreiben. Der Song handelt vom Leiden einer jungen Frau, die im 17. Jahrhundert nicht weit von uns entfernt als Hexe verbrannt wurde. Aber auch die schönen und einfachen Dinge, wie eine simple Wanderung durch den Herbstwald, inspirierten uns zu einem Song wie ,Autumn‘s Breath‘. Mir fällt sowieso immer viel beim Wandern in den Bergen oder Wäldern ein, und vor allem eben im Herbst, wenn es nebelig wird, bin ich da besonders inspiriert. Viele verschiedene Themen haben uns also dabei bewegt.“

Dennoch wollen sich Wolfchant keinesfalls festlegen lassen, was die Kompatibilität ihrer Kunst angeht. Lokhi in aller Entschlossenheit: „Wir machen unsere Lieder für alle die gerne Metal hören! Das haben wir ja immer schon gemacht, aber anfangs haben sich natürlich verstärkt die Pagan-, Folk- und Viking Metal-Fans mit unserer Musik beschäftigt. Umso mehr Einflüsse wir dann in den Kompositionen verarbeitet haben, umso mehr unterschiedliche Fans haben wir hinzugewonnen.“

Welches nun seine ganz persönlichen Lieblingssongs auf der neuen Wolfchant-CD sind, das kann Lokhi nicht sagen. „Ich mag das ganze Album und kann eigentlich keinen Song hervorheben. Es sind dieses Mal nur sieben Songs und ein Intro auf dem Album. Dies haben wir ganz bewusst so entschieden, weil wir fanden, dass es so wie aus einem Guss klingt und über die gesamte Spielzeit mitreißt. Da die Songs sehr detailreich und verspielt, und auch generell komplexer sind als auf den vorherigen Alben, muss man der neuen Scheibe natürlich auch einige Durchläufe gönnen um alles zu erfassen.“

Immer dann, wenn Wolfchant die Planung einer neuen Scheibe angehen, versuchen die Beteiligten laut Statement des stimmstarken Schergen, das Beste aus sich herauszuholen.

„Die musikalischen und künstlerischen Fähigkeiten entwickeln sich natürlich von Jahr zu Jahr weiter. Und so war bei ,Embraced By Fire‘ unser Anspruch der bisher höchste. Angefangen von den Melodien über die Arrangements bis hin zum Artwork und der Produktion. Wir sind regelmäßig an unsere Grenzen gegangen und da war die Anspannung natürlich auch innerhalb der Band ziemlich groß.“

Für den fies kreischenden Schreihals stellt der Debüt-Fulltimer „Bloody Tales Of Disgraced Lands“ das wichtigste Album in der Karriere seiner Band dar. Eine Bonus-CD mit dem extra dafür neu aufgenommenen Debütalbum liegt der Edition von „Embraced By Fire“ bei. Wir erfahren:

„Diese Scheibe hat uns da hingebracht wo wir heute sind. Mit den Liedern sind wir praktisch bekannt geworden, und viele Fans sagen uns immer wieder, dass sie durch genau diese Scheibe zum Metal oder Pagan Metal gekommen sind. Jedes Mal wenn wir uns die Platte angehört haben, stellten wir fest, dass die Songs unglaublich gut sind, aber leider an der schwachen Produktion leiden. So wollten wir ,Bloody Tales Of Disgraced Lands‘ unbedingt nochmals neu aufnehmen. Natürlich sollte die Aufnahme auch Wolfchant 2013 repräsentieren und so haben wir auch die eine oder andere Änderung mit eingebracht.“

Lokhi liebt dieses Debütalbum seiner Horde eben einfach, wie er das Ganze nachfolgend auf den Punkt bringt. „Sie bedeutet mir sehr viel und bei jedem Lied werden tausend Erinnerungen wach. Das alles jetzt in neuer Qualität zu hören ist schon fantastisch, weil das Potential der einzelnen Songs jetzt richtig hörbar ist.“

Als diese bayerischen Heidenstreiter 2005 so richtig in der Szene wahrgenommen wurden, eben auch mit „Bloody Tales Of Disgraced Lands“, war alles gerade wieder mal im Aufbruch, wie sich der Sänger dazu zurückerinnert.

„Jede Woche gab es zehn neue Pagan-Bands und fünf davon wurden von Labels gesigned. Somit stellte sich natürlich schnell ein gewisses Sättigungsgefühl ein. Hinzu kam, dass sich einige ,Anhänger‘ komplett wie Asoziale aufführten und der Szene damit sicher keinen Gefallen taten. Heute hat sich das alles wieder beruhigt, und nur die besten Bands oder die mit langem Durchhaltevermögen sind noch aktiv. Aber eines gilt immer noch: Pagan- und Viking Metal stellt eine Art Rekrutierungsmusik für die Metal-Szene dar. Viele junge Fans kommen als erstes mit dieser Art von Metal in Berührung, weil es fast immer eingängig und melodiös ist. Somit hat man als Pagan-Band meist viele Fans allen Alters und die Pagan-Szene wird nie wirklich aussterben, auch wenn das einige gerne sehen würden.“

Das Gesamtkonzept aus Musik, Optik etc. ist dem Mann bei Wolfchant sehr wichtig, wie er anschließend wissen lässt. „Weil es einen vom Rest abhebt! Wir haben seit Anfang an Blut verwendet, und wenn jemand den Namen von uns nicht wusste, dann hieß es eben: ,Ja die mit dem Blut meine ich‘! [lacht] Man muss schon ein bisschen Show bieten um den zahlenden Fans auch was bieten zu können. Wir haben viel ins Bühnenbild investiert, seien es Banner oder Podeste, sowie zusätzliche Nebelmaschinen und Scheinwerfer. Wir passen auch alles immer dem aktuellen Output an. Die Leute im Publikum sollen schon ihren Spaß haben wenn sie uns zusehen und mit einem Lächeln nach Hause gehen.“

Privat frönt der Kerl auf musikalischem Sektor nach wie vor querbeet, wie er offenbart. „Ich höre alles durcheinander und habe weit über 1.500 CD’s im Regal. Momentan erfreue ich mich an den neuen Scheiben von Hypocrisy und Thyrfing.“

So freut er sich 2013 am allermeisten darauf, wie er erzählt, wieder viel live zu spielen. „Vor allem freue ich mich schon auf die Länder, in denen wir noch nicht waren, wie beispielsweise Brasilien usw. Dann wollen wir auch noch eine anständige Live-DVD aufnehmen, ein Projekt dass in den letzten Jahren leider immer wieder durch technische Probleme vereitelt wurde.“

Kennt eine Band wie Wolfchant denn mittlerweile noch Lampenfieber? Der Sänger lässig: „Nein, da sind wir zum Glück ziemlich verschont geblieben. Ich kann mich daran erinnern, dass wir beim allerersten Auftritt ziemlich nervös waren. Da dieser aber super verlief, war es beim zweiten Mal dann schon vorbei damit. Mittlerweile, und da kann ich für alle in der Gruppe sprechen, freuen wir uns immer richtig auf der Bühne zu stehen. Dass wir alle vor dem Auftritt natürlich eine Konzentrationsphase haben, die auch jeder anders nutzt, ist nach wie vor der Fall.“

Und so wollen Wolfchant ihren epischen Kämpfersound laut Lokhi künftig solange zelebrieren wie sie ihren Spaß damit haben. „Und zur Zeit haben wir mehr Spaß als je zuvor!“

© Markus Eck, 06.03.2013

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