Interview: | DEATHSTARS |
Titel: | Fluchtversuch vor der Stagnation |
Bisher noch unter dem Bandnamen Swordmaster mit pfeilschnellem Dunkelmetall in Erscheinung getreten, erschließen diese wandelbaren Schweden nun bedrohlich düstere Industrial Metal-Gefilde.
So tendiert der neue Sound, eine tanzbare Mischung aus rhythmisch riffender Gitarrenhärte, kompositorischer Dramatik und massiver elektronischer Ausschmückung, eindeutig in Richtung von Genrekonsorten wie Pain, The Kovenant oder Rammstein.
Und sie einigten sich nicht nur in Sachen modifizierter musikalischer Konzeption, auch der neue Bandname Deathstars war beschlossene Sache. Hierbei äußert sich Shouter Whiplasher gegenwärtig nun seinem Pseudonym entsprechend nicht mehr wie eine peitschende Furie.
Sein neuzeitlich in tieferen Tönen gehaltener Vokalstil ist jedoch auch nicht zu verachten.
So verprellt das aktuelle Debütalbum „Synthetic Generation” zwar sicherlich einige einstmals eingeschworene Schüler des ehemals schnell schlitzenden Schwertmeisters von dessen Schulbank, doch ihr innovativer Exkurs war der Band offenbar wichtiger, wie Gitarrist und Bassist Nightmare Industries im Nachfolgenden eröffnet.
„Wir sind schon sehr froh, nun endlich durchstarten zu können, dementsprechend ist die Stimmung innerhalb der Band auch derzeit super. Trotzdem versuchen wir, unsere Erwartungen bezüglich der Reaktionen auf unser aktuelles Debütalbum so niedrig wie nur irgend möglich zu halten. Da lassen wir uns lieber umso mehr überraschen, wenn wir damit großen Erfolg haben sollten.“
Er fügt dem an: „Wir wollten endlich mal raus aus Schweden mit unserer Musik, nun ist die Zeit dafür gekommen. Jetzt können wir der Welt da draußen zeigen, wer wir sind und was wir machen“, lässt der skandinavische Saitenmusikus aus dem Bandlager von Deathstars noch verlauten, der sich hier zudem um die Programmierung elektronischer Spezereien kümmert.
Energisch verlange ich anschließend nach einer befriedigenden Erklärung für die doch ungewöhnliche Veränderung, was Sound und Staffage seiner Band anbelangt. Here we go:
„Wir kamen an einem Punkt an, an dem wir endlich etwas richtig Großes machen wollten, etwas, dass die Leute wirklich beeindruckt. Einzelne von uns dachten hin und wieder an Seitenprojekte, was jedoch in einer Sackgasse endete. Stagnation drohte. Endlich rafften wir uns daher auf und entschlossen uns, Swordmaster zu beenden. Im selben Atemzug fiel die Entscheidung, musikalisch etwas völlig Neues zu kreieren. Etwas, wir noch niemals zuvor getan hatten. Unser aktueller Drummer Bone W Machine spielte schon seit Längerem mit uns zusammen, und wir wollten unbedingt mit ihm weiterarbeiten.“
Nightmare Industries hatte laut eigener Aussage zu diesem damaligen Zeitpunkt bereits einige kraftvolle Gitarrenriffs komponiert, mit denen neu begonnen werden sollte.
„So enterten wir unseren Probenraum und fingen völlig von vorne an. Wir streiften dann nachfolgend sämtliche Dinge ab, welche wir uns während unserer Death Black Thrash Metal-Vergangenheit angeeignet hatten. Instrumenteller Egoismus wie Drumfills oder Gitarrensoli wurden zuerst völlig aus unserer Musik verbannt. Hinterher wurden sie dann genau da eingesetzt, wo sie unserem Sound zweckdienlich waren. Die größte spieltechnische Veränderung machte wohl Bone W Machine durch, welcher seine komplette Spielweise ändern musste.“
Doch nicht nur im Probenraum vollzog sich eine gravierende Änderung, wie mein Gesprächspartner sich zurück erinnert. „Ich bin schon seit Längerem sehr an Sounds interessiert, wie sie von Marilyn Manson, Ministry, Rob Zombie und Rammstein stammen. Als ich beispielsweise den neuen Manson-Track `This Is The New Shit` vernahm, fiel ich fast vom Stuhl vor lauter Begeisterung.“
Eigentlich unglaublich, aber anscheinend wirklich wahr.
Der Saitenschrubber, der laut eigenem Bekunden eigentlich seit jeher einen weit gefächerten Musikgeschmack hatte, fährt fort.
„Trotzdem liegen meine Wurzeln definitiv im Metal. So brachte ich in der Vergangenheit eine Judas Priest-Revival-Truppe am Start, nachdem ich mir hier an einer Tankstelle eine Best Of-Collection von denen gekauft hatte. Es endete dann damit, dass ich all ihre alten Scheiben aus meiner Plattensammlung zog und meinen Enthusiasmus für diese Band kaum noch zügeln konnte und besagte Revival-Combo gründete. Dasselbe passierte mir neulich auch mit Kiss“, schmunzelt der Schwede, und erzählt noch: „Was neuere Metal-Bands anbelangt, so ziehe ich mir mit Freuden Soilwork und Dimmu Borgir.“
Der Rest der Mitglieder von Deathstars weist auch vielfältige musikalische Geschmäcker auf, wie zu erfahren ist.
So frönt Bone W Machine einer ganzen Menge an Dark Gothic-Zeugs, Griffbrettartist Beast X Electric findet ebenfalls großen Gefallen an den Klängen von Rammstein, während Sänger Whiplasher total auf alte Rockmusik wie beispielsweise MC5 oder Rolling Stones abfährt.
„Uns eint jedoch allesamt die ausgeprägte Faszination für elektronische Sounds.“, gesteht mir Nightmare Industries. Der weitere Gesprächsverlauf beinhaltete mein Erkunden nach seiner Erwartungshaltung bezüglich der alten Swordmaster-Fans. „Ich habe keine Ahnung, was die so zu unseren neuen Sachen sagen werden, um ehrlich zu sein. Die Hauptsache ist, dass wir eine neue Band sind, mit einem neuen Namen, es existiert keinerlei Verbindung mehr zur Vergangenheit. Ich würde mich jedoch riesig freuen, wenn sie an unseren neuen Songs Gefallen finden würden.“ Das ist zwar zugegebener Maßen viel verlangt, aber nicht zuviel.
Und obwohl Swordmaster laut Nightmare Industries bereits viele ihrer musikalischen Ziele bereits erreicht haben, ließ sich der Hunger nach bisher Unerschlossenem damit natürlich nicht stillen. Nun scheint glücklicher Weise vorerst volle Sättigung in Sicht.
„Unsere Videos für die Songs `Synthetic Generation` und `Syndrome` liefen bereits erfolgreich mehrer hundert Male im schwedischen Fernsehen, auf einheimischen Stationen wie Z-TV und dem nordischen MTV-Sender. Wir wurden in Talkshows eingeladen, wir tauchten in der Chartshow Voxpop auf und auf dem größten schwedischen Kanal packten wir den zweiten Platz, nachdem wir zwei Wochen lang den dritten Platz belegten. Damit schlugen wir sogar Britney Spears.“
Ein rühmlicher Verdienst, welchem allerdings in der Tat einiges an Lob gebührt. Apropos, auch die neuen Songs erhielten ihnen gebührende lyrische Ausdrucksformen, wie anschließend in Erfahrung zu bringen ist.
„Natürlich differieren unsere Songtexte in ihren Aussagen, der textliche Grundstock dafür liegt jedoch im Tod und seinen vielfältigen Auswüchsen. Zudem fanden Thematiken wie Wahnsinn, Liebe, Hass und Selbstzerstörung Verwendung. Whiplasher fühlte sich total am Boden während des Entstehungsprozesses der Lyrics, so wurden dunkle Empfindungen wie der Verlust von Hoffnung, grenzenlose innere Leere oder das Auffinden von mentaler Stärke im Hass verarbeitet. Unsere Texte sind keine Messages an irgendjemanden, sondern eher differierende Sichtweisen unterschiedlicher Themenbereiche. Vieles dreht sich um dramatische Ereignisse und Empfindungen, um Konflikte. Ohne Konflikte keine Veränderung, ohne Veränderung keine Weiterentwicklung. Die Evolution ist aber nicht immer schön anzusehen, wie man auch an uns neuerlich sieht“, lacht der Axeman und legt im Folgenden die Bedeutung des aktuellen Albumtitels „Synthetic Generation“ dar.
„Für uns steht der Titel unseres neuen Albums für ein Leben nach den Regeln Gottes. Ein Leben ohne eigenes Urteilsvermögen, ohne die eigentliche Wahrheit sehen zu wollen, zu dürfen. Mit `Synthetic Generation` weisen wir darauf hin, wie leicht der Mensch von allen Seiten zu manipulieren ist, zu einer gesetzlosen Person ohne individuelles Urteilsvermögen.“
Die Frage, in welcher Position sich Deathstars zwischen etablierten Elektronikrockern wie Rammstein, The Kovenant and Ministry fühlen, will ich natürlich nicht auslassen. Die Antwort folgt prompt:
„Darüber und darunter. Wenn man sich selbst nicht für gut hält, wohin wird der künstlerische Weg einen dann führen? Wir lieben die von dir genannten drei Bands wirklich, sie wirken immens beeindruckend auf uns als Gruppe. In selbem Maße streben wir danach, etwas ähnlich Großartiges zu fabrizieren. Wir wollten uns daher niemals limitieren. Wer etwas Großes erreichen will, muss Großes tun. Eine meiner Meinung nach sehr gesunde Einstellung.“
© Markus Eck, 29.09.2003
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